Experte zu Trumps Ukraine-Kurs: "Er wird sich entscheiden müssen"

Druck oder Dialog, Selenskyj oder Putin?:Ukraine-Kurs: "Am Ende wird Trump sich entscheiden müssen"

von Christian Harz, Washington D.C.

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Trump kündigt ein weiteres Treffen mit Putin an - und empfängt zugleich Selenskyj in Washington. Militärexperte Keupp erkennt darin Trumps typisches Spiel aus Drohung und Dialog.

Trump spricht in ein Mikrofon.

US-Präsident Trump kündigt ein Treffen mit Russlands Staatschef Putin in Ungarn an. Der ukrainische Präsident Selenskyj ist am Freitag für Gespräche mit Trump in Washington.

17.10.2025 | 0:24 min

Auf Anchorage könnte Budapest folgen. Nach einem Telefonat mit Wladimir Putin kündigte Donald Trump nun ein erneutes Zusammentreffen mit dem Kremlchef an - diesmal in der ungarischen Hauptstadt. Vor Journalisten im Weißen Haus sagte Trump - wenige Stunden bevor er dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj empfängt - er rechne mit einem Treffen mit Putin "in den nächsten zwei Wochen".

Das Telefonat mit Putin bezeichnete er als "sehr produktiv", es seien "große Fortschritte" erzielt worden - ohne zu sagen, worin sie bestehen sollen. Nach Angaben Trumps ging es auch um mögliche US-Lieferungen von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine - ein Thema, auf das Selenskyj bei seinem dritten Besuch in Washington seit Trumps Amtsantritt drängen dürfte.

Militär-Ökonom Dr. Marcus Keupp im Livestream dazugeschaltet über einen Zoom-Call.

Militärökonom Marcus Keupp rechnet nicht mit einer unmittelbaren Lieferung der US-Marschflugkörper an die Ukraine. Trump halte sich beide Kanäle offen, müsse sich am Ende aber entscheiden.

16.10.2025 | 25:35 min

Noch am Wochenende hatte Trump erklärt, er könne Putin mit einer solchen Lieferung unter Druck setzen, sollte Russland seine Angriffe nicht einstellen. Nach dem Telefonat klang Trump zurückhaltender: Putin habe die Idee "nicht gefallen", sagte Trump und die USA könnten ihre eigenen Bestände nicht "entleeren".

Militärexperte widerspricht: Kein Grund, keine Tomahawks zu liefern

Militärökonom Marcus Keupp stellt diese Darstellung bei ZDFheute live infrage. Die USA verfügten über etwa 4.000 Tomahawks, mehr als jede andere Nation. Die Systeme seien zudem "relativ einfach nachproduzierbar". Man könne nicht nur 50 Stück liefern, sondern auch 1.000 - "wenn man will".

Also insofern hat man genug, das ist kein Problem.

Dr. Marcus Keupp, Militärökonom

Russlands anhaltende Warnungen, die USA überschreite mit einer Lieferung "rote Linien", bezeichnete Keupp als "übliche Kreml-Propaganda". Tomahawks ließen sich mit konventionellen Sprengköpfen bestücken und seien weder technisch noch völkerrechtlich ausgeschlossen.

Es gibt keinen Grund, weder technisch noch kriegsvölkerrechtlich, warum man die Ukraine nicht mit Tomahawks beliefern könnte.

Marcus Keupp, Militärökonom

Militär-Ökonom Dr. Marcus Keupp im Livestream dazugeschaltet über einen Zoom-Call.

Russlands verstärkte Angriffe mit Panzern bezeichnet Militärökonom Keupp als "letzten Versuch ihr operatives Hauptziel zu erreichen". Dass die Ukraine diese abschieße, sei eine "Blamage".

16.10.2025 | 14:06 min

Tomahawks: Geheimdienstunterstützung könnte Wirkung verstärken

Laut Keupp wäre der strategische Effekt hoch - auch, weil die Ukraine seit dem Sommer wieder präzise Zielinformationen von US-Geheimdiensten erhalte. "Die Ukraine wird versorgt mit ziemlich guten Zieldaten", sagte er. Das erkläre, warum jüngste Angriffe russische Raffinerien nicht zufällig, sondern punktgenau träfen.

Kiew könne mit den Tomahawks "einen Großteil der russischen Raffinerie-Kapazität in der mittleren Wolga-Region lahmlegen". Die russische Luftverteidigung sei dann kaum in der Lage, 200 gleichzeitig anfliegende Systeme abzufangen.

Die Folge für die ukrainische Kriegsführung: Eine Schwächung des russischen Energie- und Raffineriesektors, der für die russische Außenwirtschaft und Kriegsfinanzierung wichtig ist, bis hin zu Blackouts in russischen Städten. Der Einsatz von Tomahawks könnte demnach "massiv Schaden anrichten", so Keupp.

Auf diesem Foto, das am Samstag, dem 26. Juli 2025, vom Pressedienst des russischen Katastrophenschutzministeriums veröffentlicht wurde, sind Rettungskräfte am Ort einer Explosion in einem Wohnhaus in Saratow, Russland, bei der Arbeit zu sehen.

Die Ukraine hat ihre Angriffe auf russische Infrastruktur verstärkt. Besonders betroffen ist dabei der Energiesektor.

16.10.2025 | 1:50 min

Experte: Tomahawks als Druckmittel

Doch noch fehlen die Waffensysteme in der Ukraine. Dass sich das - auch im Zuge des anstehenden Gesprächs mit Selenskyj - unmittelbar ändert, erwartet Keupp nicht. Er sieht die Tomahawks derzeit vor allem als Druckmittel.

Aus Sicht der Ukraine hatten die Signale offenbar Wirkung: "Wir sehen bereits, dass Moskau sich beeilte, den Dialog zu erneuern, sobald es von den Tomahawk hörte", schrieb der Präsident Selenskyj in seinen sozialen Netzwerken. Schon allein die Diskussion darüber habe "Putin gezwungen", Trump anzurufen und "wieder in den Dialog mit Amerika zu treten", schrieb Außenminister Andrij Sybiha auf X.

ZDF-Reporterin Anne Brühl berichtet aus Kiew.

Was das geplante Treffen zwischen US-Präsident Trump und Kreml-Chef Putin für die Ukraine bedeutet: Die Einordnung von ZDF-Korrespondenten in Washington und Kiew bei ZDFheute live.

16.10.2025 | 10:08 min

Trumps Schlingerkurs: Lehren aus Nahost-Erfolg?

Zuerst Druck und Geheimdienstinformationen, dann wieder die Aussicht auf Gespräche mit Putin und angebliche Engpässe bei Tomahawks. Wie lässt sich Trumps wechselhafter Kurs erklären? Militärökonom Keupp sieht eine Übertragung seiner Vorgehensweise aus dem Nahost-Konflikt.

Trumps Gedanke sei vermutlich: 'Diese Mischung aus Druck und Diplomatie, die hat in Gaza funktioniert. Also mache ich das mit Russland jetzt genauso.' Der US-Präsident telefoniere mit Putin, lade aber gleichzeitig die ukrainische Führung nach Washington ein.

Keupp rechnet damit, dass "dieses diffuse Fahren auf beiden Kanälen" länger anhalten könnte, womit der Krieg allerdings nicht zu Ende gehen werde.

Aber am Ende wird Trump sich entscheiden müssen, wenn er wirklich ernst machen will mit 'Ich beende den Krieg'.

Marcus Keupp, Militärökonom

Denn das ginge nur mit einer "Perspektive der Stärke gegenüber Russland".

Der Bundeskanzler Friedrich Merz ist zu sehen im Bundestag. Er sitzt und schaut nachdenklich.

Bundeskanzler Merz betont in einer Regierungserklärung zum nächsten EU-Gipfel, dass Frieden in Freiheit nur gelinge, wenn er mit Stärke unterlegt sei.

16.10.2025 | 1:26 min

ZDF-Korrespondent: Putin gewinnt mit Schmeicheleien Zeit

Auch ZDF-Korrespondent David Sauer sieht ein bekanntes Muster: "Die berechtigte Sorge ist, dass Wladimir Putin es jetzt wieder gelungen ist, mit Schmeicheleien und mit warmen Worten Zeit zu gewinnen." Das sei seit Jahren Putins Methode. Und auch jetzt sei zu erwarten, dass es bis zu einem Treffen keine verschärfte Linie der USA gegenüber Russland gebe - auch wenn das in den vergangenen Tagen eigentlich schon mal anders geklungen habe.

Mit Spannung wird im Weißen Haus heute das Treffen zwischen Trump und Selenskyj erwartet. Der Ukrainer will Trump überzeugen, den Verkauf von Tomahawk-Marschflugkörpern freizugeben. Doch ob es so kommt, ist ungewiss. Es hängt vieles von der Haltung des US-Präsidenten ab.

Christian Harz ist Reporter im ZDF-Studio in Washington D.C.

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