Wie stark ist Putins Position in der Ukraine wirklich?

Interview

Militärexperte Keupp analysiert:Wie stark ist Putins Position in der Ukraine wirklich?

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Russland spricht von weiteren Geländegewinnen in der Ukraine. Das Vorgehen sei jedoch teuer erkauft, so Experte Keupp. Er sieht die russische Wirtschaft langfristig unter Druck.

Dr. Marcus M. Keupp vor einer Karte der Ukraine mit Russischer Flagge im Hintergrund.

Kein Frieden ohne Putin. Doch auch Russland ist durch den Angriffskrieg geschwächt. Wie stark ist das Land - wirtschaftlich, militärisch und politisch. ZDFheute live analysiert.

04.12.2025 | 44:55 min

Während die USA und die Ukraine weiter über Eckdaten eines Friedensplans sprechen wollen, hat der russische Präsident Wladimir Putin mit weiteren Eroberungen in der Südukraine gedroht. Der Donbass und Neurussland würden auf jeden Fall an Russland fallen, sagte der Kremlchef dem Fernsehsender India Today vor einem zweitägigen Staatsbesuch in Indien. 

Doch wie stark ist Putins Position momentan in der Ukraine wirklich? "Es ist zwar schon so, dass Russland langsam vorrückt im Gelände", sagt Militärexperte Marcus Keupp. "Aber dieses Vorrücken ist natürlich teuer erkauft mit einem enormen Opfer an Material und an Menschen", so Keupp.

Sehen Sie das Interview mit Marcus Keupp oben im Video in voller Länge bei ZDFheute live und lesen Sie es hier in Auszügen.

Wie sind Geländegewinne in der Ukraine zu bewerten?

Im Kontext der Friedensverhandlungen sei Putin bereit, massiv Ressourcen zu opfern, "damit auf der Karte etwas scheinbar Spektakuläres passiert", analysiert Keupp. Was man nicht sehe auf der Karte seien die enormen materiellen und menschlichen Opfer, die Russland hinnehme, um diese zu erzielen, so Keupp.

Russland ist bereit dieses Material zu opfern - die Ukraine versucht, Russland in diesen Abnutzungskrieg zu bekommen.

Allein in Pokrowsk habe Russland 15.000 Soldaten verloren. "Zum Vergleich: Das ist so viel wie in der gesamten Invasion Afghanistans über 10 Jahre." Mittlerweile würden auch russische Militärblogger Kritik an der Informationspolitik des Kreml üben, so ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf. Diese würden kritisieren, dass die "Armeeführung auch dazu tendiert ein sehr, sehr positives Bild zu malen und auch immer wieder mit Meldungen rauszugehen, die in der Realität nicht standhalten."

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Warum steht die russische Wirtschaft unter Druck?

Auch wirtschaftlich gerate Russland immer mehr unter Druck, so Keupp. Die gesamte Wertschöpfungskette des russischen Ölexports sei jetzt unter Feuer. Die ukrainischen Langstrecken-Raketen würden die russischen Raffinerien weit im Hinterhalt erreichen. "Der russische Öl-Export ist im Moment stark unter Druck."

Durch ein Überangebot von Öl auf dem Weltmarkt gebe es im Moment auch keine Preissteigerung der Ressource - obwohl das russische Angebot sich verknappt. Andere Produzenten würden die Produktion gleichzeitig nach oben fahren. "Interessanterweise profitieren die Amerikaner am meisten davon", so Keupp.

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Wie kann sich Russland den Krieg nach wie vor leisten?

Russland würde immer noch aus sehr großen sowjetischen Lagern zehren, sagt Keupp auf die Frage, wie Moskau den Krieg immer weiter führen könne. Und natürlich produziere die russische Rüstungsindustrie nach wie vor nach.

Aber die gesamte russische Wirtschaft sei mittlerweile zu einer Kriegsökonomie umgebaut worden. Sie sei schwer in eine zivile Produktion zurückzuführen. "Aber darum geht es Putin auch gar nicht", sagte Keupp. "Diese Militarisierung hilft ihm, sein Regime zu stabilisieren." Über Umgehung der Sanktionen mit chinesischer Hilfe gelinge es ihm auch immer noch, Komponenten und Chips zu importieren, die Putin für seine Produktion brauche, so Keupp.

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Wie rekrutiert Putin immer noch Soldaten?

Für Menschen in ärmeren Regionen sei ein Eintritt ins Militär sehr attraktiv, sagt Keupp. Mit 600 - 800 US-Dollar Durchschnittseinkommen im Monat gelte man in Russland als Mittelschicht, in ärmeren Regionen liege das Einkommen noch deutlich darunter, so der Militäranalyst.

"Wenn sie sich jetzt aber mobilisieren lassen [...] bekommen Sie eine Einmalprämie von 8.000 US-Dollar und danach monatliche Zahlungen von ungefähr 3.000 US-Dollar. Das heißt das ist für sie eigentlich so ein goldenes Ticket. Das Ticket in ein anderes Leben - sofern sie lebend zurückkommen." Mit einer Lebensversicherung sei dann aber zumindest die Familie abgesichert, falls man im Krieg ums Leben komme.

Das ist eigentlich das Perverse an diesem Putinistischen System. Sterben wird rational.

Marcus Keupp, Militärexperte

Das Interview führte Sara Bildau. Zusammengefasst hat es Tim-Julian Schneider.

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Über dieses Thema berichtete ZDFheute live am 04.12.2025 ab 19:30 Uhr.

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