Putin-kritischer Song: Urteil gegen Sängerin aus Russland

Urteil gegen Sängerin aus Russland:300 Euro Strafe für Putin-kritischen Song

Felix Klauser in Tiflis zu den Protesten in Georgien.

von Felix Klauser

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Mit kremlkritischen Songs landet die Band "Stoptime" aus St. Petersburg virale Hits. Die 18-jährige Frontsängerin musste bereits in Haft. Heute wurde sie erneut verurteilt.

Musikerin am Klavier auf der Straße

Wegen eines Anti-Putin-Songs musste Sängerin Naoko 13 Tage in Haft und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Ein Warnschuss an alle jungen Russen, die den Widerstand wagen und zu Naoko halten.

28.10.2025 | 2:02 min

"Lasst die Schwäne tanzen. Soll der alte Mann zittern vor Angst" - das singen Diana Loginowa, Künstlername "Naoko", und ihre Band "Stoptime" auf den Straßen von St. Petersburg. Mit ihren Auftritten landen sie in Russland erst virale Hits - und anschließend im Gefängnis.

Der Song mit den "tanzenden Schwänen" spielt auf längst vergangene Zeiten an und ist in Russland politisch besonders aufgeladen. "Kooperative Schwanensee" heißt das Lied. Es erinnert an den Ballett-Klassiker, der in Sowjetzeiten lief - unter anderem als das System zusammenbrach. "Während des Putsches gegen Gorbatschow, der missglückte, lief den ganzen Tag im Fernsehen nur Schwanensee", erzählt Irina Scherbakowa, die die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial" mitbegründet hat.

Der Ballett-Klassiker sei deshalb ein Symbol geworden, so Scherbakowa. Für junge Menschen, meint sie, steht "Schwanensee" für den Wunsch nach Veränderung - und letztlich für den Niedergang des Systems Putin.

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In Russland gehen junge Menschen für Demokratie und eine friedliche Zukunft auf die Straße. Trotz drohender Strafen fordern sie Freiheit – und ein Russland ohne Putin.

26.10.2025 | 2:43 min

Verbotene Lieder auf den Straßen von St. Petersburg

Die 18-jährige Naoko und ihre Band spielt seit dem Frühjahr regelmäßig in den Straßen von St. Petersburg. Vor teils Hunderten jungen Russen. Nicht nur das Lied mit der Schwanensee-Anspielung, sondern auch andere Lieder, die in Russland verboten sind.

Überraschend lange blieb das ohne Konsequenzen. Als die Songs der Band Mitte Oktober aber viral gingen, kremlnahe Blogger auf die Band aufmerksam wurden und sich alles andere als begeistert zeigten, schritten die Behörden ein.

Naoko, die Leadsängerin der Band, der Gitarrist sowie der Schlagzeuger wurden festgenommen und zu rund zwei Wochen Ordnungshaft verurteilt. Offiziell bemängelten die Behörden eine nichtgenehmigte Versammlung - es bedarf nicht allzu viel Fantasie, um zu erahnen, worum es wirklich ging.

Straßenmusikerin Diana Loginowa spielt Klavier auf der Straße

In St. Petersburg wurde eine Straßenmusikerin verhaftet, die eine Menschenmenge dazu animierte, ein Putin-kritisches Lied zu singen. Es gab Folgeproteste, vor allem von der jungen Bevölkerung.

22.10.2025 | 5:40 min

Band "Stoptime": Fast 50.000 Follower im Netz

Die Band, die sich "Stoptime" nennt, fällt mit pazifistischen Liedern auf und einer stetig wachsenden Followerzahl auf. Mittlerweile sind es fast 50.000, die der Band in den Sozialen Medien folgen. Im heutigen Russland ist das nicht ungefährlich - auch weil Naoko und ihre Kollegen in den Songs, die sie spielen, implizit immer wieder den Krieg in der Ukraine thematisieren.

Du bist ein Soldat
Und in welchem Krieg auch immer du kämpfst
Verzeih, ich werde auf der anderen Seite stehen

(Textzeile aus dem Lied "Soldat")

Das entsprechende Lied trägt den Titel "Soldat" und ist in Russland zwar nicht verboten, gilt nach dem Verständnis russischer Behörden allerdings als "Diskreditierung der Armee". Darauf steht in Russland beim ersten Vergehen eine Geldbuße. Beim zweiten Mal droht eine Gefängnisstrafe.

Schlange an Tankstelle im von Russland besetzen Luhansk

Der Ukraine-Krieg wird für die Russen im Alltag langsam spürbarer: Kraftstoff wird knapper, Flüge fallen aus, das Internet ist regelmäßig gestört. Doch der Kreml tut so, als wäre alles bestens.

22.10.2025 | 6:13 min

Prozess in St. Petersburg

Wegen der Aufführung des Songs "Soldat" stand Naoko heute vor einem Gericht in St. Petersburg. Auf der Treppe vor dem Raum, in dem die Verhandlung geführt wird: Journalisten und Unterstützer der jungen Frau. Es ist ein bunter Mix aus dem, was von St. Petersburgs Kulturszene übrig geblieben ist.

Maria, die selbst nicht viel älter als Naoko sein dürfte, erzählt uns, dass sie mehrere Konzerte der Gruppe besucht habe - und darauf hofft, dass Naoko nicht hinter Gitter muss.

Rund 300 Euro Geldstrafe für einen pazifistischen Song

Tatsächlich kommt die junge Sängerin vergleichsweise glimpflich davon. Das Gericht verurteilt sie zur Zahlung von 30.000 Rubel, umgerechnet rund 300 Euro. Es wirkt wie eine letzte Warnung an die Musikerin und an ihre Band. Noch im Hinausgehen wird Naoko von Polizisten begleitet, verlässt das Gebäude kommentarlos.

Ein Mann schaut nach links.

Während die russische Regierung den Druck auf Andersdenkende weiter erhöht, nimmt Deutschland weniger politisch Verfolgte aus Russland auf.

21.10.2025 | 5:03 min

Ihre Unterstützer hier dürften darauf hoffen, dass in den Straßen von St. Petersburg bald wieder die Musik von "Stoptime" erklingt. Und dass in Russland in nicht allzu ferner Zukunft die Zeit reif ist für "Schwanensee" - auch wenn der Weg dorthin noch lang scheint.

Felix Klauser berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

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