Neue Sanktionen gegen Russland - Was bringen sie?

Analyse

Sanktionspaket Nummer 17 :Was neue Sanktionen gegen Russland bringen

von Felix Klauser
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Die EU-Staaten haben das 17. Sanktionspaket gegen Russland in Kraft gesetzt. Und es wird über neue Sanktionen beraten. Allein: Putin dürfte das kaum erschrecken.

Johann Wadephul in Brussels
Die EU hofft im Ukraine-Krieg vergeblich auf stärkeren Druck der USA auf Russland. Nun haben die Staaten neue Sanktionen in Kraft gesetzt. Im Zentrum: Die russische Schattenflotte.20.05.2025 | 3:21 min
Wer dieser Tage auf den Straßen von Moskau unterwegs ist, merkt von den Sanktionen gegen Russland auf den ersten Blick - Überraschung - wenig bis gar nichts. Brandneue Luxusautos westlicher Marken brettern über die achtspurigen Straßen der russischen Hauptstadt, in gut gefüllten Bars und Cafés werden die neusten iPhones für Instagram-Storys gezückt. Sanktionen: war da was?
Trilaterales Treffen zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz an Bord eines Zuges nach Kiew in Shegyni, Ukraine
Bundeskanzler Merz besuchte gleich in seiner ersten Regierungswoche gemeinsam mit Frankreichs Präsident Macron und dem britischen Premier Stamer Kiew, um Russlands Präsidenten Putin unter Druck zu setzen - erfolglos.18.05.2025 | 4:10 min

Wirken die Sanktionen?

Gut drei Jahre nach dem Angriff auf die Ukraine und 16 Sanktionspakete später, zeigt sich Russland auf den ersten Blick bemerkenswert unbeeindruckt. Technologie-Embargos, der Ausschluss aus dem westlichen Zahlungssystem SWIFT, der Preisdeckel für russische Öl-Exporte, der Russlands Erlöse aus Öl-Verkäufen begrenzen soll - all das hat man weggesteckt, beziehungsweise: Alternativen gefunden.
Ulf Röller im Schaltgespräch
Die EU-Außenminister haben heute Sanktionspaket Nummer 17 gegen Russland beschlossen. Dazu ZDF-Korrespondent Ulf Röller aus Brüssel.20.05.2025 | 1:53 min

Wie Russland die Sanktionen umgeht

Importe sanktionierter Produkte laufen mittlerweile über sogenannte "Parallelimporte", also über Länder, die die Sanktionen nicht mittragen und gezielt umgehen. Berühmt wurden in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn die um mehrere hundert Prozent gestiegenen Importe von Kühlschränken aus Europa nach Kasachstan - dessen Kühlschrankbedarf explodierte keineswegs plötzlich. Man lieferte die Geräte schlicht weiter, nach Russland.
Schaltgespräch Leifert & Klauser
Sanktionen hat Russland bislang umgangen, wenn auch nicht immer reibungslos. Daran werde auch das 17. Sanktionspaket wenig ändern, sagt ZDF-Russland-Korrespondent Felix Klauser.21.05.2025 | 1:40 min
Neue Importrouten sind allerdings nur eine der Methoden, mit denen sich Russland an die neue Sanktions-Realität angepasst hat. Um den Ausschluss aus dem SWIFT-Bankensystem zu kompensieren, wickelt man einen Teil des Handels in Alternativ-Währungen zum Dollar ab. Und auch für die gesunkenen Rohstoffexporte in den Westen hat man mit Indien und vor allem China neue Abnehmer gefunden.
heute journal - der Podcast mit Helene Reiner und Anne Gellinek
Verhandlungen und ein erhöhter Druck aus Brüssel gegen Russland. Druckmittel Sanktionen: Was bewirken sie tatsächlich? Wie groß ist der Hebel, den die EU hat?16.05.2025 | 40:52 min

Erzählung des Kreml: Der Westen schadet sich selbst

Dementsprechend selbstsicher gibt man sich in Russland dieser Tage, wenn aus der Europäischen Union mit großen Worten neue, "harte" Sanktionen angekündigt werden. All das "schrecke" Moskau nicht, entgegnete Kremlsprecher Peskow vergangene Woche.
Außenminister Johann Wadephul im Gespräch mit Christian Sievers im heute journal.
Außenminister Wadephul sieht die USA weiter an der Seite Europas und der Ukraine. Amerika werde, wie auch Europa, entschlossen handeln. So würden im Senat Sanktionen vorbereitet.20.05.2025 | 7:23 min
Präsident Putin ging noch einen Schritt weiter, als er sich vergangene Woche in Moskau mit Unternehmern traf. Man müsse auf alle möglichen Aktionen vorbereitet sein, so Putin. "Sie tun viele Dinge zu ihrem eigenen Nachteil", so der Kremlchef in Richtung derer, die Sanktionen verhängen.

Es scheint, dass sie dies und jenes nicht tun werden, weil es ihnen weh tut. Aber sie tun es, die Idioten.

Wladimir Putin, Präsident Russland

Das Narrativ: Der Westen schade sich mit Sanktionen selbst mehr, als er Russland schade. Dass dem nicht ganz so ist, zeigt sich wohl auch in der regelmäßigen Forderung aus Moskau, bestimmte Sanktionen wieder aufzuheben. So wie im März dieses Jahres, als um einen Waffenstillstand im Schwarzen Meer gerungen wurde.
Die Kombo aus Archivbildern zeigt US-Präsident Donald Trump (l) im Oval Office des Weißen Hauses am 04.02.2025 und den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml, als er an einer Sitzung des Sicherheitsrates per Videokonferenz am 07.03.2025 teilnimmt.
Der US-Präsident spricht von einem sofortigen Beginn von Verhandlungen nach seinem langen Telefonat mit dem russischen Präsidenten. Der will aber erstmal ein Memorandum erarbeiten.19.05.2025 | 2:37 min

Russlands Wirtschaft wuchs vergangenes Jahr - wegen des Militärsektors

Denn völlig spurlos gehen die Sanktionen an Russlands Wirtschaft nicht vorbei. Die rund vier Prozent Wirtschaftswachstum, die man im vergangenen Jahr vorweisen konnte, sind in weiten Teilen auf den Militärsektor zurückzuführen. Wachstum in anderen Bereichen? Fast vollständig Fehlanzeige.
Stattdessen ist die Inflation mit etwa zehn Prozent auf dem Vormarsch, unter anderem, weil sanktionierte Produkte nur mit deutlichen Preisaufschlägen ins Land kommen. Um die Inflation in den Griff zu bekommen und den Abfluss von Geld zu verhindern, liegt der von der russischen Zentralbank festgelegte Leitzins im Land mittlerweile bei rund 20 Prozent. Geldanlagen sind so attraktiv. Doch Investitionen werden damit praktisch verhindert, und auch für private Haushalte sind Kredite bei Zinsen in entsprechenden Höhen kaum noch zu stemmen.

Gas- und Öl-Importe in die EU füllen die Kreml-Kasse nach wie vor

Die hohen Kreditkosten sind wohl der Bereich, der für Russinnen und Russen am ehesten spürbar ist. Ansonsten kommt von der Inflation in Russlands Haushalten wenig an - viele verdienen deutlich besser als noch vor Kriegsbeginn. Insbesondere in den Regionen, in denen viele Männer zum Militär gegangen sind, sind die Einkommen wegen der hohen Löhne beim Militär massiv gestiegen.
Finanziell sind die Sanktionen für viele Russen also kaum ein Problem. Und die Kasse des Kreml wird nach wie vor auch aus der EU gefüllt. Allein im Jahr 2024 gaben die EU-Staaten mehr Geld für fossile Brennstoffe aus Russland aus, als für Finanzhilfen an die Ukraine.
Mitglieder der russischen und ukrainischen Delegation während der russisch-ukrainischen Gespräche im Präsidentenbüro des Dolmaba
Bei den ersten Gesprächen seit Jahren vereinbaren Russland und die Ukraine einen großen Gefangenenaustausch. Keine Fortschritte gibt es bei einer Waffenruhe und Gebietsfragen.16.05.2025 | 2:53 min

Lösungsansatz: Sekundärsanktionen der USA

Einen echten Unterschied könnten wohl Sekundärsanktionen bewirken. Also Sanktionen gegen die, die nach wie vor Geschäfte mit Russland machen. Verhängen müsste sie wohl die USA , die bislang allerdings keine Bereitschaft dazu zeigt. Angesichts dessen blickt der Kreml wohl auf das neue, 17. Sanktionspaket aus Europa ebenso gelassen wie auf die 16 Sanktionspakete zuvor.
Felix Klauser berichtet aus dem ZDF-Studio Moskau über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

Russland greift die Ukraine an
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
Russische Soldaten bereiten eine selbstfahrende Haubitze 2S1 Gvozdika zum Feuern vor, während die russische Militäroperation in der Ukraine auf dem Gebiet der Region Cherson fortgesetzt wird
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