Militärschläge gegen Iran: Verstößt Israel gegen das Völkerrecht?

FAQ

Militärschläge gegen Iran:Verstößt Israel gegen das Völkerrecht?

von Charlotte Greipl
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Bei seinem Angriff auf den Iran beruft sich Israel auf sein Selbstverteidigungsrecht. Doch das unterliegt strengen Voraussetzungen, die hier nur teilweise zutreffen.

Israelische Angriffe auf den Iran Iranische Menschen versammeln sich am 13. Juni 2025 am Schauplatz einer Explosion in einem Wohnkomplex aufgrund israelischer Angriffe in Teheran, Iran.
Israel spricht bei seinem Angriff auf den Iran von einem "Präventivschlag". Ist das völkerrechtlich erlaubt?
Quelle: Imago

In der Nacht zum 13. Juni hat Israel zahlreiche Ziele im Iran angegriffen. Dabei wurden ranghohe Kommandeure der Luftwaffe, aber auch mehrere Atomforscher getötet. Der Iran reagierte mit Drohnenangriffen, Israel setzte seine Militärschläge fort. Ein Überblick aus völkerrechtlicher Sicht.
Feuerwehrleute stehen vor einem zerstörten Haus in Teheran.
Israel hat in der Nacht den Iran angegriffen. Der erste Gegenschlag kam wenige Stunden später.13.06.2025 | 1:42 min

Wie rechtfertigt die israelische Regierung ihr Vorgehen?

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz nannte die Angriffe, die sich gegen Dutzende Ziele im gesamten Iran richteten, einen "Präventivschlag". Das bezeichnet einen Militärschlag, der einem bevorstehenden Angriff zuvorkommen soll.
Auch Präsident Izchak Herzog schrieb auf X, man habe gehandelt, um eine "unmittelbare und existenzielle Bedrohung" für Israel zu neutralisieren. Sein Land habe "das inhärente Recht und die feierliche Pflicht sich zu verteidigen".
Herzog bezog sich dabei auf die von Iran in den vergangenen Jahren ausgebauten militärischen Nuklearkapazitäten und ballistischen Raketen.
ZDF-Korrespondent Thomas Reichart und ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa berichten ins ZDFheute-Studio.
Nach dem Drohnen-Gegenangriff Irans sei davon auszugehen, dass noch weitere Maßnahmen folgen, sagt ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa.13.06.2025 | 2:45 min
Zuvor hatte sich schon das israelische Militär zu seinen Erkenntnissen über das iranische Atomprogramm geäußert: Der Iran sei dem Besitz einer Atomwaffe näher gekommen, man befinde sich bald an einem "Point of no Return".
Auf der Infografik sind die weltweiten Atomwaffen-Arsenale dargestellt. Dabei wird deutlich: Russland und die USA haben mit über 5.000 Sprengköpfen den größten Bestand - gefolgt von China und Frankreich.

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Präventivschlag zulässig?

Ein Präventivschlag zur Selbstverteidigung ist nur zulässig, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Denn: Kein Land muss abwarten, bis es angegriffen wird.
Wie nah ein Angriff sein muss, um einen Präventivschlag zu rechtfertigen, ist dabei umstritten. Klar ist, dass Iran sein Atomprogramm in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben hat. Doch für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf Israel gab es keine Anzeichen, zumal Iran noch nicht über einsatzfähige Atomwaffen verfügt.

Völkerrechtlich ist die Situation glasklar: Hier war die Gefahr noch zu abstrakt, Israel hätte also nicht angreifen dürfen.

Dominik Steiger, Professor für Völkerrecht an der TU Dresden

Der Jurist betont zugleich:

Der Iran, das ist völkerrechtlich auch klar, darf keine Atomwaffen besitzen. Aber hier gibt es andere Wege ihn daran zu hindern, etwa über das Atomabkommen.

Dominik Steiger, Professor für Völkerrecht an der TU Dresden

Militärexperte Fabian Hinz.
Viele iranische Atomanlagen lägen an der Oberfläche und seien angreifbar, erklärt Militärexperte Fabian Hinz. 13.06.2025 | 8:23 min

War die Tötung der Wissenschaftler, die an Irans Atomprogramm arbeiteten, zulässig?

In einem bewaffneten Konflikt gilt das sogenannte humanitäre Völkerrecht. Es verpflichtet den angreifenden Staat unter anderem dazu, die Zivilbevölkerung des angegriffenen Staates so gut wie möglich zu schützen.
Grundsätzlich kommt es daher darauf an, ob bei Militärschlägen ins Visier genommene Personen - auch Wissenschaftler - in die angegriffene Armee eingegliedert sind. Legitimes Kriegsziel sind nämlich nur sogenannte Kombattanten, nicht aber Zivilisten.
Schaltgespräch zwischen Thomas Röwekamp und Nazan Gökdemir
Schon im Mai kritisierte die Bundesregierung die israelische Kriegsführung. 26.05.2025 | 4:16 min
Die Tötung iranischer Forscher durch Israel ist Völkerrechtler Steiger zufolge allerdings schon aus einem anderen Grund unzulässig:

Israel durfte den Iran mangels unmittelbar bevorstehenden Angriffs nicht angreifen. Insofern war die Tötung der Forscher völkerrechtswidrig - egal, ob man sie als Kombattanten oder Zivilisten ansieht.

Dominik Steiger, Professor für Völkerrecht an der TU Dresden

Iranischen Staatsmedien zufolge wurden bei dem israelischen Angriff mindestens sechs führende Wissenschaftler und Professoren getötet. Unter den Toten seien drei Professoren der Fakultät für Nukleartechnik der Schahid-Beheschti-Universität sowie der frühere Leiter des iranischen Atomprogramms.
Charlotte Greipl arbeitet in der Redaktion Recht und Justiz.

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