Parteitag zeigt: Harris hat die Demokraten wiederbelebt

Die Demokraten haben vier Tage lang alles gegeben, ihrer neuen Kandidatin Kamala Harris die größtmögliche Bühne zu bereiten. Vor den Augen Amerikas und der Welt zeigt sich eine verwandelte Partei: Eine, die vor Selbstbewusstsein strotzt, sich feiert und in die Zukunft schauen will.

Und eine Partei, die selbst nicht ganz fassen kann, wie der Wahlkampf innerhalb eines Monats auf den Kopf gestellt wurde. Der Ausstieg von Joe Biden war ein Befreiungsschlag. Immer wird ihm gedankt, aber zentrale Figur in Chicago ist seine Vizepräsidentin.

Auch wenn Harris selbst es im Wahlkampf auslässt, ist ein Thema ständig da: Sie könnte mal wieder die erste sein. Unter anderem Hillary Clinton und Michelle Obama halten flammende Reden, um deutlich zu machen: Ja, Amerika ist bereit für eine schwarze Präsidentin. Harris Abschlussrede zeigt, sie kann klingen wie eine. Die Demokraten in Chicago sind spätestens jetzt davon überzeugt.

Harris' Mann Doug Emhoff hält eine persönliche Rede, nimmt sich nicht zu ernst und geht voll in der Rolle des Second Gentleman auf, der seinen Job aufgegeben hat, um seine Frau zu unterstützen.

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In diese Schublade passt auch Tim Walz. Harris hat mit der Wahl ihres Vizekandidaten viele überrascht. Doch wer sich die beiden auf den Bühnen anschaut, merkt schnell, dass sie eine Freude und Leichtigkeit verbindet, die viele Konkurrenten von Walz nicht geboten hätten.

Walz ist ein Beispiel dafür, wie sich die Partei einen neuen Anstrich geben will, sie die Hand in die Mitte der Gesellschaft ausstreckt. Die Demokraten wollen die Vision eines diversen Amerikas und Freiheiten verteidigen. Und sie wollen sich die Macht darüber zurückholen, was es heißt Amerikaner zu sein.

Dazu gehören regelmäßige "USA, USA, USA"-Rufe. Und die Offenheit traditionellen Republikanern gegenüber. Jeden Tag sprach mindestens ein (ehemaliger) Republikaner oder eine ehemalige Mitarbeiterin Donald Trumps. Ihre Botschaft: Er sei eine Gefahr und nicht wählbar, ihre Partei gebe es aktuell nicht mehr.

Die wichtigsten und häufigsten Botschaften sind der Kampf für persönliche Freiheiten, Abtreibungsrechte, gegen Waffengewalt und auch für eine Waffenruhe in Gaza.

Für Protest in der Halle wurde kein Platz eingeräumt. Etwa für die Kritik aus den eigenen Reihen an der Israel-Politik der Regierung. Die Proteste vor der Tür waren nicht so groß wie erwartet und die kleine aber laute Gruppe an Delegierten, die Harris die Stimme verweigert haben, konnten sich mit ihrer Forderung nach einem palästinensischen Sprecher nicht durchsetzen. Ob das die richtige Entscheidung war, wird sich zeigen.

Die Demokraten wollen nicht den Fehler der Republikaner wiederholen, aber man merkt, dass es ihnen schwerfällt. Auch hier in Chicago fühlt sich eine Partei siegessicher - obwohl noch vom "underdog" gesprochen wird. Die große Party, mit großen Reden, Stars und Sternchen hat die Halle jeden Abend angeheizt. Die Euphorie wurde nicht kleiner, sondern weiter angestachelt.

Von den Obamas über die Clintons bis Oprah Winferey betonen alle: Unterschätzt den Gegner nicht, es wird ein harter Kampf. Zu Walz' Klassikern gehört der Spruch: "Schlafen können wir, wenn wir tot sind". Immer wieder wird der Countdown zur Wahl benannt: Es sind noch genau 75 Tage.

Jetzt, wo die große Party vorbei ist, müssen sich Harris und Walz jeden Tag aufs Neue beweisen.

Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington.