Jüdisches Leben in Deutschland:Friedman: "Man kann nicht sicher sein, dass man sicher ist"
Anfeindungen, Unsicherheit, Rechtfertigungsdruck: Publizist Michel Friedman warnt, dass jüdisches Leben in Deutschland seit dem Hamas-Angriff stark an Lebensqualität verloren habe.
Das Gespräch mit Publizist Michel Friedman im Video.
08.10.2025 | 5:15 minDer Publizist Michel Friedman beschreibt eine deutliche Verschlechterung der Lebensqualität für Juden in Deutschland. Im Interview mit dem heute journal update spricht Friedman davon, dass Menschen jüdischen Glaubens zunehmend Anfeindungen erlebten.
Juden würden bedroht, in den Schulen, "aber auch in den Universitäten angemacht, auch geschlagen, aber auf jeden Fall verbal mit einer geistigen Brandstiftung konfrontiert". Als Jüdin oder Jude in Deutschland müsse man heute im Alltag wissen, "dass man nicht sicher sein kann, dass man sicher ist".
Friedman: Juden müssen sich für Politik Israels rechtfertigen
Gerade Jüngere müssten sich heute häufig für die Politik Israels rechtfertigen. Aber auch ältere Menschen jüdischen Glaubens würden oft damit konfrontiert, "eine Generalerklärung abgeben zu müssen, dass sie gegen eine Regierung Netanjahus sind, obwohl sie deutsche Staatsbürger sind". Zu Recht würden Muslime und arabische Mitbürger im Gegenteil dazu nicht gezwungen, sich von der Hamas zu distanzieren, so Friedman.
Zwei Jahre nach dem Überfall der Hamas auf Israel wurde der Getöteten und Entführten gedacht. Bundeskanzler Merz appellierte an die Menschen, sich gegen Antisemitismus zu stellen.
07.10.2025 | 0:28 minViele Menschen würden Religion und Staatsangehörigkeit willentlich verwechseln. "Radikale Muslime und Linksextremisten werden aktiv und verwechseln permanent und zwar sehr bewusst den Begriff des Israelis, eine Staatsbürgerschaft, und des jüdischen Menschen eine Religion", sagt Friedman weiter. Er beklagt:
Der jüdische Mensch wird immer mehr jüdisch und immer weniger Mensch.
Michael Friedman, Publizist
Alleine, dass Familien darüber diskutieren müssten, ob sie ihre Religion offen zeigen könnten, schildere, wie deutlich die Lebensqualität für Juden in Deutschland abgenommen habe.
In München haben Menschen ein Zeichen gegen zunehmenden Judenhass gesetzt. Seit Beginn des Gaza-Kriegs nehmen in Deutschland Drohungen und Übergriffe auf Juden deutlich zu.
05.10.2025 | 1:31 minFriedman: "Hass ist hungrig. Hass wird niemals satt"
Bereits vor dem Angriff der Hamas auf Israel sei jüdisches Leben hierzulande sehr bedroht gewesen. "Durch eine Partei des Hasses, eine Partei, deren Ehrenvorsitzender vom Vogelschiss der Geschichte spricht, als es um Hitler und das Dritte Reich geht." Nach dem 7.Oktober 2023 habe sich die Lage jedoch noch einmal verschärft:
Da verändert sich noch einmal das, was ich als Gefährdung für jüdisches Leben, vielleicht sogar als Lebensgefährdung sehe.
Michael Friedman, Publizist
Friedman sieht darin nicht nur ein Sicherheitsproblem, sondern ein Symptom tieferliegender gesellschaftlicher Entwicklungen. Antisemitismus sei längst kein Randphänomen mehr, sondern Teil eines breiteren Demokratieproblems: Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Menschen in Deutschland würde die Demokratie nicht mögen, so Friedman. "Und wenn diese Menschen die Demokratie nicht mögen, haben Minderheiten und erst recht die jüdische eigentlich ein sehr schlechtes Leben."
Ich weiß nicht, wann wir überhaupt begonnen haben, zu akzeptieren, dass Judenhass, auch Demokratiehass, ein Bestandteil in unserer Gesellschaft ist.
Michael Friedman, Publizist
Hass sei keine Meinung, Hass sei Gewalt. "Und Hass ist hungrig. Hass wird niemals satt."
Juden erleben in Deutschland immer häufiger Anfeindungen. Seit dem Hamas-Angriff auf Israel im Oktober 2023 hat der Antisemitismus deutlich zugenommen, zeigt eine Studie.
30.09.2025 | 1:34 minFriedman: Müssen wachsam bleiben
Ob aus dem linken oder rechten Spektrum oder dem muslimischen Umfeld: Ihm bereite die Gesamtheit an Antisemitismus aus allen Richtungen Sorge, so Friedman. "Strukturell macht mir natürlich der Rechtsextremismus am meisten Sorgen, denn der Weg durch die Institutionen ist bereits mittendrin", sagt er. Die AfD nennt er "die Partei des Hasses" - und warnt davor, dass sie in einem Bundesland in die Regierungsverantwortung komme.
Am Ende appelliert Friedman, wachsam zu bleiben: "Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, wir Demokraten und Demokratinnen werden jetzt so leidenschaftlich wie die Antidemokraten. Ich befürchte nur, dass die Müdigkeit, die Gleichgültigkeit vieler Demokraten und Demokratinnen das wirkliche Problem sind". Würden diese Menschen "nicht strahlen, dann haben wir keine Chance, die Demokratie zu retten."
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