75 Jahre Zentralrat der Juden: Appelle von Kanzler Merz

75 Jahre Zentralrat der Juden:Merz: Antisemitismus "lauter, offener, gewaltsamer"

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Antisemitismus werde offener und unverschämter: Zum 75. Jubiläum des Zentralrats der Juden mahnte Kanzler Merz, Judenhass entschieden zu bekämpfen.

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz spricht am 17. September 2025 im Jüdischen Museum in Berlin vor den Gästen des Neujahrsempfangs des Zentralrats der Juden in Deutschland (Zentralrat der Juden in Deutschland) anlässlich dessen 75-jährigen Bestehens.

Mit einem Festakt würdigte der Zentralrat das Jubiläum. Bundeskanzler Friedrich Merz betonte die Unverhandelbarkeit des Bekenntnisses zur Existenz und Sicherheit Israels.

17.09.2025 | 1:40 min

Unter großen Sicherheitsvorkehrungen und Polizeischutz hat der Zentralrat der Juden in Deutschland sein 75-jähriges Bestehen in Berlin gefeiert. Ins Jüdische Museum waren am Abend rund 1.000 Gäste und Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft, Judentum und anderen Religionsgemeinschaften gekommen.

Die Festrede hielt Bundeskanzler Friedrich Merz. Unter den Gästen waren auch Außenminister Johann Wadephul (beide CDU), der israelische Botschafter Ron Prosor und die frühere Präsidentin des Zentralrats und Schoah-Überlebende Charlotte Knobloch.

75 Jahre Zentralrat der Juden

Anlässlich des 75-jährigen Bestehens gab der Zentralrat einen Empfang zum jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana. Der 1950 gegründete Zentralrat ist die Dachorganisation von 105 jüdischen Gemeinden.

17.09.2025 | 1:47 min

Merz: Zentralrat "Lebensader der demokratischen Kultur"

Merz würdigte den Zentralrat als "Lebensader der demokratischen Kultur". In der Debatte um den Gaza-Krieg und Waffenlieferungen bekräftigte der Kanzler das Bekenntnis zu Existenz und Sicherheit Israels.

Seit dem "barbarischen Angriff" der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 werde Antisemitismus "lauter, offener, unverschämter, gewaltsamer". Ihn entsetze und beschäme das. Alle Menschen seien aufgerufen, sich couragiert Judenhass entgegenzustellen.

Merz steht am Rednerpult in der Synagoge, sein Gesichtsausdruck ist bewegt.

Merz zeigte sich bei der Wiedereröffnung der Synagoge Reichenbachstraße emotional. Während seiner Rede, in der er an die Verbrechen der Nazis erinnerte, kämpfte er mit den Tränen.

15.09.2025 | 0:43 min

Merz: Kritik an Israels Politik ja - aber kein Raum für Judenhass

Merz bekräftigte unter Applaus, dass das Bekenntnis zur Existenz und Sicherheit Israels ein "unverhandelbarer Bestandteil der normativen Fundamente" Deutschlands sei. Eine Kritik an der Politik der israelischen Regierung müsse möglich und könne sogar nötig sein. Aber, so der Kanzler:

Unser Land nimmt an der eigenen Seele Schaden, wenn solche Kritik zum Vorwand für Judenhass wird - oder wenn sie gar zur Forderung führt, dass die Bundesrepublik sich von Israel abwenden solle.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

"Auch und gerade dann, wenn das Gespräch zwischen den Regierungen an Grenzen kommt, sind wir in Deutschland in der Pflicht, ohne Unterlass um eine gemeinsame Sprache zu ringen, Gemeinsames zu suchen". Er gebe sein "persönliches Versprechen", dass seine Regierung dies tue, sagte Merz.

Jüdisches Leben: "Konkrete Bedrohungslage"

"Es gibt jüdische Studierende, die sich nicht mehr an die Uni trauen und das ist ein akuter Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit", so Ron Dekel, Präsident jüdische Studierendenunion Deutschland, zu Juden in Deutschland.

17.09.2025 | 5:15 min

Merz: Jüdisches Leben hat wieder Heimat in Deutschland gefunden

Der Zentralrat habe sich etwa für rechtliche Weichenstellungen zur Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts eingesetzt, sagte Merz. Jüdisches Leben habe sich in Deutschland wieder "beheimaten" können. Die Idee einer offenen Gesellschaft gerate unter Beschuss, mahnte Merz.

Ich möchte den Jüdinnen und Juden in Deutschland heute sagen: Ohne Sie kann es keine gute Zukunft für die Bundesrepublik geben.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Ein Besucher einer Gedenkveranstaltung trägt eine Kippa mit Davidstern. (Archiv)

Gegründet nur fünf Jahre nach dem Holocaust: Seit 75 Jahren ist der Zentralrat die politische, gesellschaftliche und religiöse Vertretung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland.

19.07.2025 | 2:07 min

Zentralrat warnt vor wachsendem Antisemitismus

80 Jahre nach dem Ende der Schoah stellte Zentralratspräsident Josef Schuster die Ernsthaftigkeit des Ausspruchs "Nie wieder" infrage.

Der Antisemitismus zeigt sich nicht nur in seinen gewalttätigen Auswüchsen, sondern zunehmend auch im Alltag.

Josef Schuster, Zentralratspräsident

Antisemitismus richte sich gegen Juden, bedrohe aber stets die gesamte Gesellschaft.

Das Bundeskriminalamt hatte 2024 bei antisemitisch motivierten Delikten einen neuen Höchststand verzeichnet: eine Steigerung um knapp 21 Prozent auf rund 6.200 (Vorjahr: 5.200).

Der Zentralrat trete für eine Vision einer jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ein, die engagiert sei, die füreinander einstehe und die ihren Platz in der Gesellschaft selbst bestimme. In der Praxis zeige sich dies etwa im Staatsvertrag zur jüdischen Militärseelsorge. Schuster nannte es einen "Meilenstein", dass es nun das erste Mal seit dem Ersten Weltkrieg wieder Militärrabbiner gebe. Hinzu komme die geplante Jüdische Akademie in Frankfurt am Main, die 2026 eröffnet werde.

Quelle: KNA, AFP

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