Estland: Ungewöhnliche Verteidigung der Grenze zu Russland

Moore als Verbündete:Wie Estland Putin fernhalten will

von Natalie Steger und Roman Krysztofiak

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Das kleine Estland hat eine gut 300 Kilometer lange Grenze zu Russland. Panzersperren wurden gebaut, Zäune hochgezogen, aber auch die Natur soll strategisch genutzt werden.

Moorlandschaft aus der Vogelperspektive

In Estland werden Moore renaturiert, damit sie zum Klimaschutz beitragen und bei einem möglichen russischen Angriff als natürliche Barriere dienen können.

24.10.2025 | 2:16 min

Beim estnischen Dorf Permisküla hat man den direkten Blick auf Putins Reich - ohne Grenzanlage: Der Fluss Narva markiert einen Teil der Grenze zu Russland. Er würde einen russischen Angriff mit Bodentruppen erschweren.

Doch an einigen Stellen kämen Panzer durch, sagt Igor Sedunov, Ex-Grenzschützer in Estland. Keiner kennt sich hier so gut aus wie er, und auch den Nachbarn kennt er gut. 25 Jahre lang war das sein Abschnitt.

Man hat vielleicht den Eindruck, die Staatsgrenze sei ruhig, aber ich sage Ihnen: ruhig ist hier nichts. Die russische Seite sammelt sehr aggressiv Informationen darüber, was an der Grenze passiert.

Igor Sedunov, ehemaliger Grenzschützer Estland

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Die Grenzbojen im Fluss hat die russische Seite entfernt. Psychologische Kriegsführung. Denn die Esten wissen, Putin hat den Verlust des Baltikum nie verkraftet. In Estland, Lettland und Litauen gilt es nicht als unmöglich, dass Russland irgendwann auch die Finger nach dem Baltikum ausstrecken könnte.

Wenn etwas passiert, sind wir die Ersten, die es trifft. Wir hier leben nicht so ruhig wie die Menschen in Deutschland oder Spanien.

Igor Sedunov, ehemaliger Grenzschützer Estland

Igor Sedunov, ehemaliger Grenzschützer Estland

Estland setzt auf klassische Verteidigung, aber neuerdings auch auf die Natur. Igor Sedunov zeigt uns Sümpfe und Moore in der Region. Sie sind für ihn Verbündete in Sachen Landesverteidigung, da sie bis zu neun Meter tief seien.

Das hält Panzer, Fahrzeuge, gepanzerte Wagen auf - sie können nicht ausweichen, und würden hier einfach versinken.

Igor Sedunov, ehemaliger Grenzschützer Estland

Igor beschäftigt sich mit Militärarchäologie. Für ihn ist die Landschaft hier Zeuge früherer Zeiten. Er hat hier mit Kollegen schon Kriegsgerät aus dem 2. Weltkrieg geborgen.

In Tallinn weht die estonische Nationalflagge im auf dem Pikk Hermann Turm

Es sind Kommunalwahlen in Estland, und die haben Symbolkraft. Denn zum ersten Mal seit der politischen Wende in den 90er Jahren dürfen Bewohner Estlands mit russischem Pass nicht mehr wählen.

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Grenzschutz mit Mooren

Estland und seine Moore. Früher machten Feuchtgebiete rund 20 Prozent des Landes aus, heute nur noch etwa fünf. "Mitte des 20. Jahrhunderts", so Margus Pensa von der estnischen Waldbehörde, "dann kamen Menschen, die uns sagten, wir mögen keine Sümpfe, wie wollen hier Wälder haben."

Und so wurden Gräben gezogen zur Entwässerung. Ein Grund auch, so Margus Pensa, weil Menschen Moore immer als gefährlich empfunden hätten.

Nun will Estland genau das nutzen. Aber zunächst zum Umweltschutz. Denn ursprünglich war die Renaturierung von Mooren ein reines Ökoprojekt für Biodiversität und zum Schutz vor Dürren und Bränden.

Wir machen jetzt das Gegenteil. Wir bauen Dämme an die Gräben, die das Wasser zurückhalten. Das ist entscheidend für die Wiederherstellung der Moore.

Margus Pensa, estnische Waldbehörde

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Verteidigung und Klimaschutz arbeiten zusammen

Jetzt aber ist das estnische Klimaministerium mit dem Verteidigungsministerium im Gespräch. Vor allem in Grenzgebieten will man Gebiete ausmachen, die beide Zwecke unterstützen könnten - Schutz von Biodiversität und Sicherheits- und Verteidigungsplanung.

In der heutigen komplexen geopolitischen Lage stellt sich zunehmend die Frage, wie uns die natürliche Landschaft in einer möglichen Kriegssituation helfen könnte.

Mart Kiis, Klimaministerium Estland

Noch stecken die gemeinsamen Projekte in den Kinderschuhen, aber Ex-Grenzschützer und Hobby-Militärarchäologe Igor Sedunov ist sich sicher, dass Estland den absolut richtigen Weg geht. Die Natur als strategischen Verbündeten zu nutzen - zum Schutz gegen Russland an der Nato-Ostflanke.

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Quelle: dpa

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