Afghanistan wieder am Netz:Feiern nach 48 Stunden Internetsperre
Zwei Tage lang herrschte Chaos in Afghanistan. Viele Bürger, aber auch Regierung, Banken und Flughafen waren von Kommunikation abgeschnitten. Nun ist das Land wieder am Netz.
Afghanen in Kabul nach der Aufhebung der Netzsperre: Zwei Tage lang war das Land von Internet und Telefonie abgeschnitten - nun sind Kommunikation und mobiles Leben zurück.
Quelle: AFPEs waren nicht nur die internationalen Hilfsorganisationen und die vielen Afghanen, die Familien im Ausland haben, die hart getroffen wurden. Auch die Regierung und die Ministerien hatten seit Dienstag morgen den Sturz ins Chaos erlebt. Banken lagen still, der Flughafen war außer Betrieb.
Die Bundesregierung will die Rückführungen nach Afghanistan deutlich ausweiten. Gespräche laufen schon auf technischer Ebene mit afghanischen Vertretern.
14.09.2025 | 1:35 minFeiern auf den Straßen - wie zum Fest
Die Rückkehr des Internets wurde in mehreren Städten mit ungewöhnlicher Euphorie gefeiert. In Kabul, Herat und Jalalabad zogen Menschen auf die Straßen, verteilten Süßigkeiten, tanzten. "Es fühlte sich an wie Eid", schrieb ein Nutzer auf X (ehemals Twitter).
Die Freude galt dabei nicht politischen Veränderungen - sondern der simplen Tatsache, dass Kommunikation wieder möglich war. In einem Land, das zunehmend von der Welt isoliert wird, zeigte dieser Moment, wie zentral die digitale Verbindung für viele Afghanen und Afghaninnen geworden ist - emotional, sozial und wirtschaftlich.
Order vom Taliban - Führer
Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen soll Taliban-Führer Hibatullah Akhundzada die Netzsperre persönlich angeordnet haben. Der radikale Geistliche lehnt moderne Technologie als "westlichen Einfluss" ab und begründete den Schritt mit "Schutz vor feindlicher Propaganda". Eine Woche vor der jetzigen Sperre hatte er nach Angaben des TV-Senders BBC Dari bereits eine Internetsperre in der Provinz Kandahar angeordnet.
Was wirklich der Hintergrund der drastischen Maßnahme war, darüber gibt es viele Spekulationen. Doch hinter der offiziellen Erklärung steckt offenbar mehr: ein tief greifender Machtkampf innerhalb des Regimes - und eine dramatische Erkenntnis darüber, wie sehr selbst ein repressiver Staat wie Afghanistan auf digitale Infrastruktur angewiesen ist.
Seit drei Jahren sind die Taliban in Afghanistan an der Macht. Der Alltag der Bevölkerung ist geprägt von Versorgungskrisen, Unterdrückung und Hunger.
13.08.2024 | 5:59 minSpannung innerhalb der Taliban?
Die Entscheidung des Taliban-Führers sorgte offenbar für erhebliche Spannungen innerhalb der Machtstruktur der Taliban. Funktionsträger in Kabul, darunter Minister und Verwaltungsbeamte, protestierten laut Insidern heftig - teils offen, teils im Hintergrund. Auch Handels- und Sicherheitsstrukturen waren betroffen. Die Taliban haben dann die Internet-Sperre wieder aufgehoben - zumindestens für den Moment.
Der Bundeswehr-Rückzug aus Afghanistan lässt im August 2021 hunderte Ortskräfte schutzlos in Kabul zurück. "Die Spur" beleuchtet, wie es zu dem politischen Versagen kommen konnte.
14.08.2024 | 28:52 minStillstand - auch im Machtzentrum
Die Sperre begann am frühen Morgen des 30. September. Betroffen war nicht nur die Zivilbevölkerung, sondern auch der Staatsapparat selbst: Ministerien konnten ihre Arbeit nicht fortsetzen, Banken froren Transaktionen ein, der Flughafen Kabul war zeitweise nicht funktionsfähig. In Kandahar - Hochburg des Taliban-Führers Hibatullah Akhundzada - soll der Zugang noch Stunden später gestört gewesen sein.
Lediglich der Fernsehsender Tolo News blieb im Internet auf Sendung - Viele Afghanen vermuten, dass er bewusst als Symbol der Kontrolle in Betrieb gehalten wurde.
Die Taliban versuchen mit scharfen Gesetzen und Sanktionen Frauen in der Öffentlichkeit unsichtbar zu machen. Wir sprechen mit afghanischen Aktivistinnen.
25.11.2024 | 7:55 minFür Frauen ist das Netz die letzte Freiheit
Besonders hart traf die Maßnahme afghanische Frauen. Seit der Schließung fast aller Universitäten und Schulen für Mädchen ist Online-Unterricht für viele die einzige Möglichkeit, weiter zu lernen. Auch die Kommunikation mit Verwandten im Ausland ist oft nur digital möglich. Sara Nabil, afghanische Künstlerin und Menschenrechtsaktivistin in Deutschland, formuliert es drastisch:
Das Internet ist unsere einzige Hoffnung - denn es ist die einzige Verbindung zur Welt.
Sara Nabil, afghanische Menschenrechtsaktivistin in Deutschland
"Es tut weh. Denn jetzt bin ich abgeschnitten - von allen Verbindungen mit meinem Heimatland. Von meinen Verwandten, von denen, mit denen ich arbeite," sagt sie.
Ihre Stimme steht für viele - im Land und im Exil. In einem System, das den öffentlichen Raum für Frauen fast vollständig geschlossen hat, ist der digitale Raum oft das letzte Fenster zur Welt.
Vermittlung durch Katar:Haft in Afghanistan: Britisches Paar frei
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