Gebietsabtretungen: Frieden in der Ukraine - um welchen Preis?

FAQ

Trump will Donbass für Frieden aufteilen:Welche Folgen hätten Gebietsabtretungen für die Ukraine?

Oliver Klein

von Oliver Klein

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US-Präsident Trump fordert: Der Donbass müsse für Frieden "zerteilt" werden. Doch territoriale Zugeständnisse an Putin hätten Folgen - für Menschenrechte, Wirtschaft, Sicherheit.

Le président Donald Trump reçoit le président ukrainien Volodymyr Zelensky à la Maison Blanche à Washington.

Zum dritten Mal hat Selenskyj US-Präsident Trump im Weißen Haus getroffen. Der ukrainische Präsident hofft auf mehr Waffenhilfe. Trump spricht lieber über diplomatische Wege zum Frieden.

18.10.2025 | 1:39 min

US-Präsident Donald Trump verlangt von der Ukraine erneut, einen Teil ihres Territoriums aufzugeben: Für ein Ende des Krieges solle die Donbass-Region zum großen Teil Russland überlassen werden.

Lasst es so zerteilt, wie es jetzt ist.

US-Präsident Donald Trump über den Donbass

An Bord der Air Force One erläuterte Trump, man könne später "etwas aushandeln". Bereits am Freitag hatte er in seinem Sozialen Netzwerk Truth Social gepostet: "Sie sollten aufhören, wo sie jetzt stehen. Beide sollen den Sieg für sich beanspruchen - die Geschichte wird entscheiden!"

Militärökonom Dr. Marcus Keupp vor Grafik von einer Ukraine Landkarte.

Russland schickt neben Drohnen wieder mehr Panzer. ZDFheute live mit Militärökonom Keupp.

16.10.2025 | 53:03 min

Die "Washington Post" berichtet, der russische Präsident Wladimir Putin habe in einem Telefonat mit Trump einen Gebietstausch vorgeschlagen: Russland wäre demnach bereit, eroberte Teile von Saporischschja und Cherson aufzugeben, wenn es dafür die Kontrolle über die Donezk-Region erhielte. Diese ist das Herzstück der strategisch wichtigen Industrieregion Donbass. Noch im Sommer, beim Gipfel mit Trump in Alaska, forderte Putin sogar die volle Kontrolle über den gesamten Donbass - inklusive der Oblast Luhansk - als zentrale Bedingung für ein Kriegsende.

Welche Risiken sind mit Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland verbunden, was würde ein solcher Schritt konkret für die Menschen in den betroffenen Regionen und die Wirtschaft bedeuten? Und welche rechtlichen Hürden gibt es? ZDFheute mit Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Ein Anwohner überquert den Fluss Siversky Donets auf einer zerstörten Brücke im Dorf Bohorodychne in der Region Donezk, Ukraine, am 30. Mai 2023 (veröffentlicht am 31. Mai 2023). Vor dem Krieg lebten in Bohorodyche etwa 600 Menschen. Heute sind nur noch 18 Menschen in ihre Häuser zurückgekehrt. Russische Truppen marschierten am 24. Februar 2022 in die Ukraine ein und lösten damit einen Konflikt aus, der Zerstörung und eine humanitäre Krise zur Folge hatte.

Seit Kriegsbeginn sind Bahnhöfe und Brücken in der Ukraine immer wieder Ziele russischer Angriffe. Mit neuen Drohnen zielt Russland mittlerweile verstärkt auch auf Lokomotiven.

18.10.2025 | 2:28 min

Welche Kritik gibt es an Plänen für einen Gebietsverzicht?

Viele Experten, Völkerrechtler und führende Politiker lehnen Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland generell ab. Die Argumentation: Frieden auf Kosten eines Landverzichts würde Russlands Machtfantasien erst Vorschub leisten, statt dauerhaften Frieden zu sichern.

Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) erklärte im August in einer Analyse, ein Rückzug der Ukraine aus Donezk würde bedeuten, eine ihrer wichtigsten Hauptverteidigungslinien aufzugeben, "ohne jede Garantie, dass die Kämpfe nicht wieder aufgenommen werden". Denn Putin könnte sich nur zum Schein auf ein solches Abkommen einlassen und später erneut angreifen.

Auch der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev, trat Überlegungen für einen Landverzicht entschieden entgegen: Im Interview mit dem heute journal erinnerte er daran, dass die Ukraine bereits 2014 und 2015 die Krim und Teile des Donbass "faktisch den Russen überlassen" habe, "auch auf Bitte von unseren Partnern". Käme es zum zweiten Mal zu einer Gebietsabtretung, dann würde eine solche Forderung auch ein drittes Mal kommen. Zugleich mahnte Makeiev:

Es geht nicht um Gebiete. Es geht auch um Menschen.

Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine in Deutschland

Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern lebten heute unter russischer Besatzung, es komme immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen.

Sievers mit Makeiev

Die Ukraine könne es sich nicht leisten, Putin Gebiete zu überlassen, so der ukrainische Botschafter Makeiev. Es dürfe nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg verhandelt werden.

10.08.2025 | 6:03 min

Welche Konsequenzen hätte ein solcher Schritt für die Menschen in der Ostukraine?

Die Folgen möglicher Gebietsabtretungen lassen sich in den von Russland besetzten Gebieten bereits beobachten: Die nichtrussische Bevölkerung dort wird seit Jahren systematisch entrechtet und unterdrückt. Ein Bericht des Generalsekretariats des Europarats listet die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen auf: Die Meinungsfreiheit werde eingeschränkt, es komme zu willkürlichen Festnahmen und Folter in Haft, unabhängige Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen würden unterdrückt.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte in einem Urteil von 2024 fest, dass Russland auf der Krim seit 2014 systematisch gegen Menschenrechte verstößt. In einem Bericht für das Jahr 2024 von Amnesty International heißt es unter anderem, russische Besatzungsbehörden würden eine konsequente "Russifizierung" erzwingen: Wer keinen russischen Pass annimmt, gelte offiziell als Ausländer und verliere sämtliche staatlichen Leistungen, schreiben die Autoren.

Lara Wiedeking in Brüssel

Im US-Fernsehen sagt Nato-Generalsekretär Rutte, dass Gespräche über die von Russland kontrollierten Gebiete der Ukraine unvermeidbar wären. Lara Wiedeking berichtet aus Brüssel.

11.08.2025 | 0:58 min

Welche wirtschaftlichen Folgen würden der Ukraine drohen?

Ökonomen rechnen mit schweren Einbußen, denn das industrielle Herz der Ukraine liegt in der Region Donezk mit ihren rund vier Millionen Einwohnern. Donezk ist geprägt von Schwerindustrie - Kohlebergbau, Stahl- und Maschinenbau. Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung war Donezk vor dem Krieg wirtschaftlich die zweitgrößte Oblast, bei der industriellen Produktion war sie mit einem Anteil von rund 16 Prozent sogar Spitzenreiter.

Klar ist aber auch: Die industrielle Produktion ist seit Jahren massiv eingebrochen, und die gesamte Region kämpft mit dem wirtschaftlichen Niedergang, unterbrochenen Lieferketten und der Zerstörung von kritischer Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung. Dennoch: Eine wissenschaftliche Analyse im Fachjournal "Sirius" nennt die Region 2023 eine "unersetzliche Basis für den industriellen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg".

NATO-Generalsekretär Mark Rutte spricht während einer Pressekonferenz über die Ankündigung von Präsident Donald Trump, dass die NATO-Verbündeten den Kauf von Patriot-Raketenabwehrsystemen und anderen Waffen für die Ukraine finanzieren werden, im Kapitol in Washington, D.C., am 15.07.2025.

Heute schalten sich die Außenminister der Europäischen Union zu einer Sondersitzung zusammen. In der Videoschalte soll es um den Gipfel von US-Präsident Trump mit seinem russischen Amtskollegen Putin Ende der Woche in Alaska gehen.

11.08.2025 | 1:59 min

Welche rechtlichen Hürden gäbe es für Gebietsabtretungen?

Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte im August mit Blick auf die Ukraine, in territorialen Fragen sei es wichtig, zwischen einer "de facto" und einer "de jure" Anerkennung zu unterscheiden. Eine mögliche Einigung könne etwa festhalten, dass Russland faktisch bestimmte Gebiete kontrolliere, ohne dass das rechtlich akzeptiert würde. Als Beispiel verwies er auf die jahrzehntelange Haltung des Westens zur sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten.

Rein rechtlich wäre eine Abtretung von ukrainischem Staatsgebiet an Russland schwierig: Präsident Wolodymyr Selenskyj kann nicht einfach einen Gebietsverzicht beschließen. In der ukrainischen Verfassung sind alle Staatsgebiete - einschließlich der Krim - aufgezählt.

reisner

Trump und Putin treffen sich am Freitag im US-Bundesstaat Alaska, um über den Ukraine-Krieg zu beraten. "Die USA haben kein großes Interesse daran, sich in den Krieg hineinziehen zu lassen", so Sicherheitsexperte Oberst Markus Reisner.

11.08.2025 | 5:14 min

Artikel 73 der Verfassung lässt Gebietsveränderungen nur nach einem landesweiten Referendum zu. Im Verfassungsartikel 133 sind zudem alle Gebiete einschließlich der von Russland beanspruchten Halbinsel Krim mit der Stadt Sewastopol und die Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja aufgezählt. Eine Verfassungsänderung ist in Kriegszeiten allerdings nicht zulässig und verlangt zudem eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, der Obersten Rada. Außerdem muss das Verfassungsgericht zustimmen.

Auch eine internationale Anerkennung der Krim und anderer ukrainischer Gebiete als russisches Territorium, wie sie Moskau fordert, gilt als ausgeschlossen.

Mit Material von dpa, AP

Dieser Beitrag wurde in einer ursprünglichen Form erstmals am 11. August 2025 veröffentlicht.

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