Lebensmittel digital aus Supermarkt, Bäckerei und Co. retten

Geschäftsmodell Essensreste:Digitale Retter gegen Lebensmittelverschwendung

von Moritz Scheuring
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In Deutschland landen immer noch zu viele Lebensmittel in der Tonne statt auf dem Teller. Inzwischen aber gibt es neue Lösungen gegen Lebensmittelverschwendung.

Eine Tasche voller Lebensmittel, die aus Abfalleimern eines Supermarktes im Großraum Stuttgart stammen, steht am Eingang eines Hauses

Fast elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jährlich im Müll. Dagegen wendet sich jetzt eine bundesweite Aktionswoche.

29.09.2025 | 1:40 min

Jeden Tag die gleiche Herausforderung: Für Kantinen ist es schwer zu kalkulieren, wieviel Essenportionen am Ende des Tages über die Theke gegangen sind. Denn neben festen Tagesgerichten gibt es auch Buffets. Was und wieviel sich jeder dort nimmt, lässt sich nicht genau vorhersagen.

Das Studierendenwerk Heidelberg geht deshalb seit Beginn des Jahres einen neuen Weg. Es arbeitet mit der App "TooGoodToGo" zusammen, um Restportionen nicht wegwerfen zu müssen. Diese Restportionen können Nutzer dann über die App günstiger kaufen und am Abend abholen. Um dabei keinen Verpackungsmüll zu produzieren, setzt die Mensa auf ein Pfandsystem.

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Reste werden profitabel verwertet

Aus Sicht des Studierendenwerks hat die Nutzung der App viele Vorteile, erklärt Pressesprecher Timo Walter gegenüber ZDFheute. Durch die App würden weniger Lebensmittelreste entsorgt und es sei zudem sozial.

Es ist eine Win-Win-Situation für alle Seiten.

Timo Walther, Studierendenwerk Heidelberg

Neben Kantinen nutzen die App auch Bäckereien und Supermärkte. Sie können damit überschüssige Backwaren für einen Angebotspreis verkaufen.

Auch "Denns Biomarkt", die größte Biomarktkette Deutschlands, setzt auf "TooGoodToGo" und ist nach eigenen Angaben zufrieden. Denn die Kette will damit "einen messbaren Beitrag zur Ressourcenschonung" leisten, erklärt das Unternehmen auf Anfrage. Die Bilanz nach fünf Jahren: der Verkauf von mehr als 1,5 Millionen sogenannter "Überraschungstüten". Resteposten heißen in der Sprache der App "Überraschungstüten", weil im Vorhinein nie absehbar ist, was am Ende tatsächlich übrigbleibt.

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"TooGoodToGo" ist Marktführer in Deutschland

Hinter "TooGoodToGo" steckt ein 2015 in Dänemark gegründetes Unternehmen, das inzwischen in vielen Ländern innerhalb und außerhalb Europas aktiv ist. Allein in Deutschland setzen mehr als 26.000 Kantinen, Bäckereien und Supermärkte auf diese App. "Toogoodtogo" ist Marktführer in Deutschland, "ResQ" beispielsweise ist deutlich kleiner.

Wer wirft wie viele Lebensmittel weg?

ZDFheute Infografik

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Die regionale Bäckereikette "Backhaus Lüning" konnte mithilfe der App sogar neue Kunden gewinnen. "Zusätzlich können wir unser Angebot bis Ladenschluss aufrechterhalten", erklärt die Bäckerei, die seit sechs Jahren Erfahrungen mit der App sammelt.

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Gefahr von "falschen Anreizen" durch Apps

Marie Mourad, Expertin für Abfallvermeidung und Nachhaltigkeit, sieht genau darin aber ein Problem: Durch Apps wie "TooGoodToGo" könnten falsche Anreize gesetzt werden. Überproduktion werde so finanziell rentabel, kritisiert Mourad, und lasse sich als "nachhaltig gelöst" darstellen. Daher kann für Mourad der günstige Verkauf von Lebensmittelresten immer nur ein Teil der Lösung sein. Wichtig sei vor allem die Überproduktion von Lebensmitteln anzugehen.

Und welchen Einfluss haben Apps wie "TooGoodToGo" auf Lebensmittelspenden? Nicht-kommerzielle Projekte wie "Foodsharing", wo Ehrenamtliche überschüssige Lebensmittel einsammeln und verteilen, oder auch die örtlichen Tafeln mit ihrem Angebot für Bedürftige sind auf Spenden angewiesen.

Die Tafeln begrüßen zwar jede Form, Lebensmittelverschwendung zu beenden. Gleichzeitig aber müssen sie sich in einem Spannungsfeld behaupten, in dem weniger Lebensmittelspenden für sie aufkommen. Katrin Meyer von "Foodsharing" erklärt auf ZDFheute-Anfrage, dass sie den Tafeln immer den Vorzug lassen bei Lebensmittelspenden: "Tafeln first."

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Containern gilt noch immer als Diebstahl

Marie Mourad schlägt vor, auch an Gesetzen zu arbeiten. Ein Ansatzpunkt wäre zum Beispiel, das sogenannte "Containern" zu legalisieren: Dabei werden Lebensmittel aus Müllcontainern von Supermärkten, Bäckereien oder Restaurants entnommen - zum Beispiel aus Protest gegen Verschwendung. In Deutschland gilt "Containern" allerdings als Diebstahl oder Hausfriedensbruch und wird entsprechend strafrechtlich verfolgt.

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