Mittel gegen Methan-Emissionen:Wirbel um Klimaschutz-Futter für Kühe: Was steckt dahinter?
von Nils Metzger
Ein Futterzusatz soll klimaschädliche Methan-Emissionen bei Kühen reduzieren. Alarmistische Meldungen beklagen nun ein Massensterben der Nutztiere. Gesicherte Belege gibt es nicht.
Tierfütterung in einem deutschen Landwirtschaftsbetrieb: Was steckt hinter viralen Gerüchten um einen Futterzusatz? (Symbolbild)
Quelle: dpa/Sina Schuldt"Gift im Futtertrog - wo Kühe krepieren, jubelt die Klimapolitik." "Klimaschutz auf Kosten der Gesundheit." Oder: "In den Ställen sterben jetzt die Kühe in Massen." Solche Schlagzeilen und virale Bildposts verbreiten sich gerade auf vielen Seiten und in Chatgruppen im Netz. Auch die "Bild"-Zeitung griff das Thema am Freitag auf.
Gewarnt wird vor dem Einsatz eines Futtermittelzusatzes für Milchkühe. Im Fokus steht ein Produkt mit dem Handelsnamen Bovaer, das die Methan-Bildung bei der Verdauung reduziert - laut den Alarmmeldungen aber die Kühe vergiften oder sogar die Milch für Menschen gefährlich machen soll. Für solche weitreichenden Vorwürfe gibt es bislang keine handfesten und gesicherten Belege.
Was hat es mit Bovaer auf sich?
Kommerzielle Rinderzucht für Milch- oder Fleischproduktion ist eine treibende Kraft hinter dem Klimawandel. Eine Rolle spielt dabei das Methan, das Kühe bei der Verdauung produzieren. Bovaer blockiert Enzyme im Pansen und beeinflusst so chemische Reaktionen, damit weniger Methan gebildet wird.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat den Einsatz von Bovaer als unbedenklich eingestuft. Rückstände des Mittels könnten weder in Milch- noch Fleischprodukten nachgewiesen werden. Seit 2022 ist der Zusatz für den Einsatz in der EU zugelassen. Auch in Großbritannien, Australien oder Brasilien darf er eingesetzt werden.
Kuh Hilda wurde genetisch so verändert, dass sie weniger Methan produziert. Sie gehört zu dem Projekt "Cool Cows", mit dem Treibhausgase verringert und die Umwelt geschont werden soll.
25.04.2025 | 2:02 minGibt es Meldungen über Erkrankungen von Kühen?
Obwohl erlaubt, wird der Futterzusatz in der EU bislang nicht flächendeckend eingesetzt, was auch mit den Kosten zu tun hat. In Deutschland gab es vor allem Pilotprojekte auf einzelnen Höfen. Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein hat das Mittel etwa zwischen Februar und September 2024 erfolgreich an Milchkühen getestet und dabei keine Probleme bei Futteraufnahme oder Milchleistung festgestellt.
Aus Dänemark kommen nun jedoch einzelne Medienberichte, wonach Landwirte nach der Verfütterung von Bovaer kranke oder verendete Kühe beobachtet hätten. Laut dem Fachportal "Agrarheute" nutzen derzeit 1.400 von rund 2.000 Milchviehbetrieben in Dänemark Bovaer. Der Verband Dänischer Milchproduzenten hat eine Untersuchung eingeleitet.
Wir bekommen viele Anrufe von Leuten, die unglücklich über die Zustände ihrer Herden sind.
Kjartan Poulsen, Verband Dänischer Milchproduzenten im dänischen Sender TV2
Insbesondere das YouTube-Video eines in Dänemark lebenden niederländischen Milchbauern ist viral erfolgreich. Darin schildert er, wie wenige Tage nach Start der Zufütterung mit Bovaer mehrere Tiere regungslos auf dem Stallboden gelegen hätten. "Um das Klima zu retten, müssen unsere Kühe leiden", sagt der Viehwirt. "Hört auf, diesen Bovaer-Schwachsinn zu verfüttern."
Kohlendioxid ist das wohl bekannteste Treibhausgas, aber Methan wirkt 25 Mal klimaschädlicher, erklärt ZDF-Wetterexperte Özden Terli.
01.11.2021 | 0:46 minMehrere der dänischen Bauern, die nun in viralen Videos zu Bovaer auftreten, sind wie an Logos auf Kleidung und Plakaten in den Videos zu erkennen ist, Teil der Bauern-Protestbewegung "NoFFF". Ein Video vom 4. November hat bereits mehr als 1,2 Millionen Aufrufe auf X.
Zweifel an Bovaer
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Übersetzungen der Videos werden auch von verschiedenen deutschsprachigen Seiten verbreitet, deren Fokus Anti-EU-Inhalte, Klimawandelskepsis oder Verschwörungsideologien sind. Eine norwegische Großmolkerei stoppte in dieser Woche vorerst den Einsatz von Bovaer auf ihren Höfen, bis weitere Informationen vorliegen.
Zusammenhang mit dem Futterzusatz ist bislang nicht belegt
Anders als virale Meldungen suggerieren, gibt es bislang jedoch weder gesicherte Belege für massenhaft verendete Kühe noch darüber, ob das Mittel Bovaer sicher für die bekannt gewordenen Krankheitsfälle verantwortlich ist. Gesichert ist vor allem eine große Unsicherheit unter Landwirten in Dänemark, die das Thema in die Medien tragen.
Wie die betroffenen Höfe den Futterzusatz tatsächlich eingesetzt haben, etwa ob es Fehler bei der Anwendung gab oder andere Erkrankungen oder Faktoren ursächlich sind, kann noch nicht sicher gesagt werden.
Der in der Schweiz ansässige Hersteller DSM-Firmenich betonte gegenüber "Agrarheute" am Samstag, dass Bovaer "bewährt, wirksam und sicher" sei und seit drei Jahren von Landwirten in 25 Ländern eingesetzt werde.
Wegen Vorwürfen der Tierquälerei geht die Veterinärbehörde des Landkreises Uckermark gegen einen Milchviehbetrieb vor. Der zuständige Amtstierarzt sieht den Verdacht einer Straftat.
04.04.2025 | 2:36 minWarum Experten Bovaer für sicher halten
Die Nachrichtenagenturen AFP und Reuters hatten im Dezember 2024 bereits Faktenchecks zu Bovaer durchgeführt - mit dem Ergebnis: keine Hinweise auf Gesundheitsrisiken für Menschen oder Tiere.
Jan Dijkstra, Professor für Tierernährung an der Universität Wageningen in den Niederlanden, betonte gegenüber AFP etwa, dass Warnhinweise auf dem Produktetikett völlig üblich seien und sie sich nur auf das unverdünnte Produkt bezögen. Das Endprodukt sei so stark verdünnt, dass kein Gesundheitsrisiko bestehe. Die Wirkung auf die Methan-Produktion sei temporär, hört man auf, das Mittel zu verfüttern, habe die Kuh "innerhalb von 24 Stunden wieder ihr altes Niveau erreicht", so Dijkstra.
Nico Peiren, Forscher am Flämischen Institut für Landwirtschaft, sagte AFP:
Der Zulassung [von Bovaer] gingen weltweit viele wissenschaftliche Studien voraus, von denen etwa 85 in von Experten begutachteten wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.
Nico Peiren, Flämisches Institut für Landwirtschaft
"Der Zusatzstoff ist nach der Verabreichung etwa drei Stunden lang aktiv und wird dann wieder zu Nitrat und Alkohol abgebaut. Deshalb ist er auch nicht in der Milch zu finden", so Peiren.
In der Schweizer Region Gruyere wird unter anderem der bekannte gleichnamige Käse hergestellt. Die Milch wird streng kontrolliert. Mima-Reporterin Sandra Susanke hat eine Kontrolleurin begleitet.
14.07.2025 | 4:36 minBovaer war schon mehrfach Ziel von Gerüchten
Auffällig ist, dass das Mittel Bovaer nicht zum ersten Mal Thema solcher viralen Meldungen ist.
Ende 2024 gab es ausgehend von Großbritannien eine Welle der Aufregung, nachdem der Konzern Arla den Einsatz des Produkts auf seinen Höfen angekündigt hatte. Die Texte der damals in sozialen Medien verbreiteten Posts ähneln denen, die sich jetzt verbreiten - in mehreren Fällen stammen die viralen Meldungen sogar von den gleichen Portalen wie "Uncutnews.ch".
Auf TikTok filmten sich damals Nutzer, wie sie Milch in den Abfluss schütteten oder witterten einen "Entvölkerungs-Plan" des Milliardärs Bill Gates, da dessen Stiftung an einem Forschungsprojekt von DSM-Firmenich beteiligt ist.
Bill Gates ist nicht an der Entwicklung von Bovaer beteiligt.
Stellungnahme von DSM-Firmenich im Januar 2025
Schon Anfang des Jahres beklagte das Unternehmen "Fehlinformationen über die Sicherheit von Bovaer".
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