Darum wandern gerade so viele Kartoffeln in die Biogasanlage

Statt Chips, Pommes oder Knödel:Darum wandern gerade viele Kartoffeln in die Biogasanlage

Karen Grass

von Karen Grass

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Die Kartoffelernte 2025 läuft gut - so gut, dass manche Bauern nicht wissen, wohin damit. Statt auf dem Teller landen Kartoffeln teils in Biogasanlagen. Wie konnte es dazu kommen?

Rheinland-pfalz, Rödersheim-Gronau: Hände greifen beim Erntebeginn nach Kartoffeln.

Die deutschen Kartoffelbauern konnten in diesem Jahr eine große Ernte erzielen. Die Lager sind zu voll. Das Überangebot bedeutet für Verbraucher sinkende Preise.

24.10.2025 | 1:31 min

"Ernte vernichtet", "Kartoffelwahnsinn", "Warum nicht einfach mehr Chips und Pommes?" - Mit solchen Schlagworten titelten Boulevardmedien zuletzt über die Situation am Kartoffelmarkt.

Und tatsächlich: Weil der Preis für die Knolle gegenüber dem Vorjahr geradezu eingebrochen ist, landen Kartoffeln jetzt teils in Biogasanlagen statt auf dem Teller. ZDFheute erklärt die Hintergründe.

Pflanzliche Erzeugnisse teils deutlich günstiger

ZDFheute Infografik

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Auf den Hype folgt der Kater

Da der Kartoffelpreis im Vorjahr hoch war, sind mehr Landwirtinnen und Landwirte eingestiegen. Die Anbaufläche vergrößerte sich um 6,7 Prozent und die Erntemenge stieg um 5,3 Prozent. Gleichzeitig sank die Nachfrage, wie Olaf Feuerborn, Vorstandsvorsitzender der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e.V., auf ZDFheute-Anfrage erklärt:

Im Inland ist der Absatz seit der Corona-Pandemie zwar stabil, aber Deutschland exportiert auch viele Kartoffelprodukte.

Olaf Feuerborn, Vorstandsvorsitzender der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e.V.

"Und da der Euro im Vergleich zum US-Dollar gerade sehr hoch bewertet, also teuer ist, werden diese Produkte jetzt in wichtigen Absatzmärkten in Asien oder Nordafrika weniger nachgefragt", so Feuerborn. Billigkonkurrenz kommt etwa aus China, das sich vom Nettoimporteur zum Exporteur von Kartoffelprodukten gemausert hat.

  • 2024 lag der Kartoffelpreis wegen Ernteausfällen bei der Frühkartoffel teils auf Rekordniveau: in der Spitze bei 40 oder gar 60 Euro je 100 Kilogramm.
  • Im Herbst pendelte sich der Kartoffelpreis dann wieder etwas niedriger ein - bei 18 bis 26 Euro.
  • Da in diesem Jahr mehr Kartoffeln angebaut und geerntet wurden und parallel die Nachfrage fiel, besteht jetzt ein Überangebot an Kartoffeln in Deutschland und anderen europäischen Ländern.
  • Die Preise sind daher aktuell in den Keller gerutscht: Die Branche berichtet von 3 bis 12 Euro je 100 Kilogramm Ware.
  • Das ist bei Investitions- und Anbaukosten von 4.000 bis 4.500 Euro je Hektar für etliche Landwirte nicht einmal kostendeckend.


Langfristige Verträge machen den Markt stabil, aber unflexibel

Ernte und Nachfrage passen in diesem Jahr also nicht zusammen. Doch warum werden aus den Ernteüberschüssen nicht mehr haltbare Kartoffelchips, Knödel und Tiefkühl-Pommes für die Kundschaft im Inland hergestellt?

Vom Snackhersteller Lorenz heißt es dazu auf Anfrage: "Es ist logistisch und betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, die Produktion über den tatsächlichen Marktbedarf hinaus zu erhöhen und damit unnötig Lagerkapazitäten zu binden, auch wenn der Rohstoff momentan preiswert verfügbar ist."

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Ganz ähnlich klingt es beim Knödel-Hersteller Burgis:

Wir arbeiten zu 100 Prozent mit langfristigen Verträgen und kaufen nicht kurzfristig ein, auch wenn das bei den derzeitigen Preisen gerade verlockend wäre.

Andre Nadler, Einkäufer bei Burgis

Burgis zahle den Vertragslandwirten für ihre Kartoffeln einen Preis deutlich oberhalb der drei bis zehn Euro je 100 Kilogramm, die gerade am Markt geboten werden, erklärt Einkäufer Andre Nadler. "Wir wollen stabile Lieferbeziehungen und dass unsere Vertragshöfe langfristig bestehen."

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Jetzt kurzfristig mehr abzunehmen und damit den Höfen zu helfen, sei für Verarbeiter aber schwierig: "Kartoffeln kann man nur begrenzte Zeit lagern, danach sinkt die Qualität und die Produktion lässt sich auch nicht einfach hochfahren." Nadler kann die aktuelle Überproduktion der Landwirtinnen und Landwirte trotzdem ein Stück weit nachvollziehen: "Sie haben eben kaum Ausweichmöglichkeiten, wo sie noch gut verdienen können." Deshalb hätten jetzt so viele auf die Kartoffel umgestellt.

Verbrennung in Biogasanlage teils lukrativer als Lagerung

Landwirtschaft ist und bleibt ein gewisses Risiko, meint Landwirt und Verbandschef Feuerborn: "Man weiß vorab nie, wie das Erntejahr verlaufen wird." Also verspreche man meist nur zwei Drittel der geplanten Kartoffelanbaumenge vorab an Vertragspartner. "Denn wenn man eine vertragliche Menge wegen Ernteausfällen nicht liefern kann, wird es mit Ersatzbeschaffung richtig teuer und den Fehler macht man nur einmal", so Feuerborn, dem das im Dürrejahr 2018 passiert ist.

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Die Kehrseite: Wenn man das letzte Drittel der Ernte kurzfristig verkaufen will, kann der Markt übersättigt sein - und die Preise wie jetzt im Keller. Werden die Kartoffeln nicht sofort abgenommen, kommen zusätzliche Kosten auf die Landwirte zu.

Statt dann auch noch für die gekühlte Lagerung zu bezahlen, kann es für manche (Landwirte) günstiger sein, die Ware in die Biogasanlage oder zur Tierfütterung abzugeben.

Olaf Feuerborn, Vorstandsvorsitzender der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft e.V.

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