Baden-Württemberg: Hinweis auf "Geister"-Lehrerstellen schon 2024?
IT-Panne in Baden-Württemberg:Hinweis auf "Geister"-Lehrerstellen schon 2024?
von Phylicia Whitney
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Eine IT-Panne führte dazu, dass Tausende Lehrerstellen unbesetzt blieben. Der Druck auf die Politik wächst - auch, weil wohl bereits 2024 ein Hinweis auf die Panne ignoriert wurde.
Wegen einer schweren IT-Panne sind in Baden-Württemberg 1.440 Lehrerstellen fälschlicherweise als belegt verbucht worden. Die freien Stellen sollen nun zügig nachbesetzt werden.17.07.2025 | 2:41 min
Nach dem Bekanntwerden einer schweren IT-Panne im Kultusministerium von Baden-Württemberg werden weitere Details öffentlich. Gestern kam heraus: Durch einen IT-Fehler galten über Jahre 1.440 Lehrerstellen in Baden-Württemberg als besetzt, obwohl sie tatsächlich unbesetzt waren.
Nun zeigt sich: Bereits im August 2024 hatte der Landesschülerbeirat (LSBR) angeblich Unstimmigkeiten bei den nicht abgerufenen Haushaltsmitteln im Kultusministerium festgestellt. Eine daraufhin gestellte Anfrage sei jedoch unbeantwortet geblieben, schreibt der Landesschülerbeirat in einer Pressemitteilung.
Es fehlen bundesweit mehrere Tausend Lehrer. Sachsen will die vorhandenen Lehrer mehr arbeiten lassen. Der Lehrerverband warnt vor Überlastung und rief im April zum Protest auf.08.04.2025 | 1:30 min
Ministerium: Werden Vorwürfen nachgehen
Das Ministerium erklärt gegenüber dem ZDF, es habe "einen Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern" gegeben, "sodass selbst trotz vermeintlich geringerer Stellenzahl in den vergangenen Jahren viele Stellen nicht besetzt werden konnten".
Es erschließt sich deshalb nicht ohne Weiteres, wie jemand ohne Einblick in die Personalverwaltung bei einem faktischen Stellenüberhang eine nicht korrekte Stellenzahl begründen könnte.
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Kultusministerium Baden-Württemberg
Das Ministerium werde den Behauptungen des LSBR nachgehen.
Schülervertretung spricht von "Geisterlehrkräften"
Die Schülervertretung äußert ihr Unverständnis über den jahrelangen Irrtum und spricht von "Geisterlehrkräften", die über zwei Jahrzehnte hinweg in den Systemen geführt wurden, ohne jemals unterrichtet zu haben.
Der Lehrermangel ist auch in Thüringen so massiv, dass eine Notenvergabe oft nicht möglich ist. Das Land will dem mit Zuschlägen für Lehrer in bestimmten Fächern entgegenwirken.20.03.2025 | 1:34 min
Der Druck auf die Politik wächst. Lehrerverbände wie die GEW fordern, dass die 1.440 unbesetzten Stellen bis zum ersten Schultag am 15. September 2025 besetzt werden. Monika Stein, Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg, betont:
Aus diesem Skandal muss sofort das Beste gemacht werden. Wir wollen, dass die SBBZ [sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren], die Grundschulen und die ständige Vertretungsreserve vorrangig versorgt werden.
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Monika Stein, Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg
Auch die Jungen Philologen (JuPhis) fordern eine zukunftsorientierte Einstellungspolitik, da der Fehler nicht nur unbesetzte Stellen betreffe, sondern auch die Unsicherheit, die durch befristete Verträge und Krankheitsvertretungen bei den Lehrkräften entstehe. "Es geht uns nicht nur um sofortige Stellenbesetzungen, sondern auch um Zukunftsperspektiven", betont der Lehrerverband.
Pannen-Ursache war Softwarefehler von 2005
Ursache dafür, dass 1.440 Lehrerstellen über 20 Jahre irrtümlich als besetzt galten, soll ein Softwarefehler aus dem Jahr 2005 sein. Das Ministerium versichert, dass keine Steuergelder verloren gingen, da die entsprechenden Mittel nicht abgerufen wurden. Dennoch zeigt sich, wie gravierend der Fehler war: Jährlich waren etwa 110 bis 120 Millionen Euro für die nicht besetzten Stellen vorgesehen.
Es gibt sie in ganz Deutschland: Besonders engagierte Lehrerinnen und Lehrer. Dafür können sie ausgezeichnet werden - mit dem Deutschen Lehrkräftepreis.31.03.2025 | 1:31 min
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) kündigte an, die freien Stellen zügig zu besetzen. Dabei sollen insbesondere die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), Grundschulen, Schulen der Sekundarstufe I abseits des Gymnasiums, die beruflichen Schulen und die Krankheitsreserve gestärkt werden. Zudem soll die Aufbauphase für die Lehrerkapazitäten im G9 erweitert werden.
Arbeitsgruppe soll Fehler-Ursachen untersuchen
Um solche IT-Fehler künftig zu vermeiden und ein besseres Controlling im Bereich der Kultusverwaltung zu ermöglichen, haben Kultusministerium und Finanzministerium eine Arbeitsgruppe gebildet, die Ursachen des Fehlers untersuchen soll. Ein automatisiertes System soll künftig die Verwaltung der Stellen übernehmen.
In einem offenen Brief fordern Referendare und ausgebildete Lehrkräfte eine dauerhafte Integration ins System: "Es darf nicht weiter passieren, dass Lehrer auf Warteschleifen gesetzt werden." Es bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Maßnahmen ausreichen, um die Unterrichtsversorgung zu verbessern und das Vertrauen in die Verwaltung wiederherzustellen.