Schlechte Deutschkenntnisse an Schulen: Was helfen Pflicht-Tests?

Prien will Tests vor Einschulung:Was hilft gegen schlechte Deutschkenntnisse?

Autorenfoto Nils Metzger
von Nils Metzger
|

Sprachtests vor der Einschulung oder Grenzen beim Migrationsanteil: Bildungsministerin Karin Prien fordert Maßnahmen gegen schlechte Deutschkenntnisse. Was sagen Experten dazu?

An der Hans-Christian Andersen Grundschule in Trotha unterrichtet eine Lehrerin ihre Schulklasse am 03.04.2024.
Welche Maßnahmen helfen gegen immer schlechtere Deutschkenntnisse? Unterricht in einer Grundschule in Sachsen-Anhalt (Symbolfoto)
Quelle: Imago

Schülerinnen und Schüler haben ein wachsendes Defizit bei der deutschen Sprache. Seit Jahren warnen Lehrer und Experten vor einer Überlastung der Bildungseinrichtungen. Migration und andere Faktoren stellen Schulen vor Aufgaben, für deren Bewältigung sie derzeit kaum ausreichend ausgestattet sind.

Bildungsministerin Prien will Pflicht-Sprachtests einführen

Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat sich in einem am Donnerstag veröffentlichten Gespräch mit dem Fernsehsender Welt TV deshalb für die Einführung bundesweit verpflichtender Sprachtests ausgesprochen:

Deshalb müssen wir, und das ist auch das Ziel in dieser Legislatur, dafür sorgen, dass alle Kinder frühzeitig getestet, diagnostiziert werden. Und dass sie dann verpflichtende Sprachfördermaßnahmen kriegen, wo sie es brauchen.

Karin Prien, Bundesbildungsministerin

Für sie sei das Alter zwischen drei und sechs Jahren entscheidend, betonte Prien. "Ohne Deutschkenntnisse bei der Einschulung habe ich eigentlich kaum eine Chance, eine erfolgreiche Bildungskarriere zu machen."
Prien plädierte dafür, sich Erfahrungen aus Dänemark und Kanada anzuschauen, um für Deutschland funktionierende Ansätze zu finden. Ein für sie "denkbares Modell" sei die Einführung einer Obergrenze beim Migrationsanteil an Schulen. "Ob das 30 Prozent oder 40 Prozent am Ende sind - aber selbst dieses Modell wird nur dann wirklich funktionieren, wenn diese Frage der Sprachförderung im frühen Alter funktioniert."
Karin Prien sitzt im TV-Studio von Markus Lanz
CDU-Bildungsministerin Prien hat sich bei "Markus Lanz" für einen verpflichtenden Sprachunterricht für Kinder mit Förderbedarf ausgesprochen. Eine Kita-Pflicht lehnt sie aber ab.27.06.2025 | 0:59 min

Erziehungs-Gewerkschaft kritisiert "unrealistische Vorstellungen"

Beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) stoßen Priens Ansätze auf Ablehnung: "Einer realen Situation mit unrealistischen Vorstellungen zu begegnen, wird niemandem helfen", sagt Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, mit Blick auf Obergrenzen beim Migrationsanteil.

Es entspricht nicht unserem Menschenbild, die Kinder dafür verantwortlich zu machen, mehr Unterstützung zu benötigen. Der beste Ansatz, um mit einem hohen Migrationsanteil in der Schule umzugehen, ist es, die individuelle Förderung sicherzustellen.

Gerhard Brand, Verband Bildung und Erziehung

Dies gelinge nur in angemessen kleinen Klassen, mit Unterstützung multiprofessioneller Teams und in einer lernförderlichen Umgebung, so Brand. In Kitas würden bereits beständig Einschätzungen vorgenommen, wie gut jedes Kind Deutsche spreche und Sprachstandstets vorgenommen.
"Diese werden unter viel Aufwand durchgeführt und binden Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen", so Brand zu ZDFheute. "Durch den Mangel an Personal, Fortbildungen und Kooperationszeit können zudem kaum ausreichend Konsequenzen erwachsen."

Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, dass die Tests nur dafür verwendet werden, Kinder von dem Schulbesuch abzuhalten.

Gerhard Brand, Verband Bildung und Erziehung

Solange keine auf den Testergebnissen basierende Förderung gewährleistet werden könne, bleibe jede Forderung nach Tests Makulatur, so der VBE-Vorsitzende. Dass die Förderung oft nicht gegeben sei, liege einzig an knappen Kassen und der hohen Regulation der Betreuung.
Nach seinem Outing sieht sich ein homosexueller Lehrer Angriffen ausgesetz
Mehrere Lehrkräfte berichten von Gewalt und Mobbing durch Schüler an einer Berliner Grundschule. Nach seinem Outing sieht sich ein homosexueller Lehrer Angriffen ausgesetzt.02.07.2025 | 7:25 min

Gibt es jetzt schon Regelungen für Sprachtests?

Da wie Bildung insgesamt auch Sprachförderung in Schulen und Kindergärten Ländersache ist, haben die Bundesländer bereits sehr unterschiedliche Regelungen getroffen. In einigen Teilen Deutschlands gibt es bereits verpflichtende Sprachtests oder sogenannte Screenings zu bestimmten Zeitpunkten.
Zuletzt hat Bayern im März 2025 etwa striktere Maßnahmen eingeführt. Der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Bayern) hatte diese Tests wiederholt kritisiert. Zu Priens aktuellen Vorschlägen wollte sich die GEW auf Anfrage nicht äußern.

Zusammensetzung der Schülerschaft spielt eine Rolle

In weiten Teilen Deutschlands gibt es bereits seit Jahrzehnten Sprachförderklassen, in denen Kinder zeitweise getrennt unterrichtet werden.
"Leitend sollte ein Modell sein, bei dem neu zugewanderte Kinder und Jugendliche zunächst eine intensive Sprachförderung erhalten, in zunehmendem Umfang aber auch am Regelunterricht ihrer Klasse teilnehmen und die Sprachförderung nach vollständigem Übergang in die Regelklasse weitergeführt wird", betont Petra Stanat, Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen an der Humboldt-Universität zu Berlin gegenüber ZDFheute.
Die genaue Art der Förderung müsse sich nach dem Alter der Schülerinnen und Schüler, ihrem Vorwissen und auch der Zusammensetzung der Schülerschaft richten, so Stanat, die auch Mitglied der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) ist, die die Kultusministerkonferenz berät.
08.04.2025, Baden-Württemberg, Stuttgart: Ein Schild mit einem durchgestrichenen Smartphone und der Aufschrift "Auf dem ganzen Schulgelände - zu jeder Uhrzeit! DANKE!" hängt am Zugangstor zum Schulhof eines Gymnasiums und weist auf ein generelles Handyverbot hin.
Einige Bundesländer haben Handys an Schulen verboten. Die Frage treibt nicht nur Lehrkräfte und Eltern um - sie ist auch Thema bei der Bildungsministerkonferenz.26.06.2025 | 1:33 min

Expertengremium: Viele Sprachtests mit Qualitätsproblemen

Ein SWK-Gutachten vom Januar 2025 betont, dass Migration und die daraus folgende steigende Heterogenität bei den Lernvoraussetzungen eine große Herausforderung für das Bildungssystem sind. Um für betroffene Kinder passgenaue Maßnahmen zu finden, braucht es laut SWK eine professionelle Diagnostik zum Erfassen des Wissensstandes - Tests, auch vor der Einschulung, seien also sinnvoll.

Eine Diagnostik sprachlicher Kompetenzen sollte schon früh, in einem Alter von drei bis vier Jahren bei allen Kindern durchgeführt werden, um besonderen Förderbedarf festzustellen und die Sprachentwicklung alltagsintegriert und gezielt unterstützen zu können.

Prof. Petra Stanat, Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Laut dem SWK-Gutachten seien vorhandene Diagnosemethoden für Kinder ohne deutsche Muttersprache oft unzureichend. Vor allem für jene Sprachen, die bei der Zuwanderung der letzten Jahre eine Rolle gespielt hätten, gebe es keine angemessenen Verfahren für junge Altersgruppen. Tests für Erwachsene müssten angepasst werden.
Die Experten sehen hier "großen Handlungsbedarf". Auch weil Messverfahren bislang oft "mangelnde Objektivität" hätten, oder nicht auf kulturelles Vorwissen abgestimmt seien - etwa die Schreibrichtung.
Digitalassistent Max Horn an einer digitalen Tafel in der Sekundarschule Zörbig.
Laut Schulbarometer nutzen viele Lehrkräfte KI kaum. Schüler sind interessiert, doch es fehlt oft an technischer Ausstattung in den Schulen. Hessen zeigt erste Maßnahmen.25.06.2025 | 1:31 min

Große Gefahr, noch mehr kaputt zu machen

Einfach mehr schlechte Tests bergen also die Gefahr, Kinder bestimmter Herkunft zusätzlich zu benachteiligen. Und auch Ministerin Prien warnte im "Welt"-Gespräch davor, die Bildungspolitik für Experimente zu nutzen: "Nichts ist schlimmer als wechselnde Landesregierungen, die mit einem neuen politischen Programm sagen: Jetzt machen wir erstmal alles anders. Weil nichts schlimmer ist für Schulen als wenn sie ständige Wechsel erleben."

Bildungsdebatte bei "Lanz"
:Prien fordert Pflicht-Sprachunterricht

Bundesbildungsministerin Karin Prien fordert verpflichtende Sprachförderung für Kinder. Als Grundschullehrerin Katja Giesler von Quereinsteigern berichtet, ist Prien überrascht.
von Felix Rappsilber
Karin Prien bei zu Gast bei Markus Lanz.
mit Video

Mehr zum Thema Bildung