Digitalisierung an Schulen: Mehr digitale Medien im Unterricht
Interview
Bildungsforscherin Julia Knopf:Schulen: "Digitalisierung ist kein Add-on"
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Wie kann Digitalisierung im Bildungssystem so gelingen, dass alle Beteiligten profitieren? Die Bildungsforscherin Julia Knopf erklärt, warum sie ein Umdenken für nötig hält.
Digitalisierung sollte als Unterstützung verstanden werden, nicht als zusätzliche Belastung, sagt die Expertin Julia Knopf. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Die Digitalisierung ist längst im Bildungssystem angekommen und auch Künstliche Intelligenz wird von Lehrkräften immer öfter genutzt, um den Schulalltag erleichtern. Sachsen-Anhalt etwa hat vor kurzem das Projekt "Lernwelt" gestartet. Online-Stunden, Avatare und KI gehören dazu. Doch bisher ist die Resonanz gering, vor allem bei den Fortbildungen hakt es.
Wie kann Digitalisierung im Bildungssystem so umgesetzt werden, dass sie allen Beteiligten tatsächlich nutzt? Julia Knopf, Expertin für digitale Bildung, erklärt, welche Bedingungen sie für ein gutes Gelingen sieht.
An der Schiller Schule in Bochum findet der Unterricht komplett digital statt, per KI und Highspeed Internet. Und auch die Verwaltungen arbeiten zunehmend digital.16.05.2025 | 2:06 min
ZDFheute: Was sind die Voraussetzungen, damit Digitalpakete - wie das in Sachsen-Anhalt - flächendeckend eingesetzt werden können?
Julia Knopf: Die erste Voraussetzung ist eine klare politische Unterstützung. Denn ohne diesen Rahmen ist es sowohl finanziell als auch strategisch schwierig, solche Vorhaben flächendeckend umzusetzen.
Quelle: Julia Knopf
... ist Professorin für Didaktik und Digitalität an der Universität des Saarlandes. Sie leitet das Forschungsinstitut Bildung Digital und widmet sich vor allem der Erforschung digitaler Lehr- und Lernprozesse im Deutschunterricht.
Die zweite Voraussetzung ist, dass alle Bildungsakteure einbezogen werden: Es reicht nicht, einfach einen KI-Chatbot für Schüler einzuführen, ein Tool für Lehrkräfte bereitzustellen oder Laptops zu verteilen.
Digitalisierung muss alle Beteiligten im Bildungssystem mitdenken - von der Schulaufsicht bis zum Unterrichtsgeschehen.
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Prof. Dr. Julia Knopf, Universität des Saarlandes
Hendrik Haverkamp, Gründungsmitglied des Instituts für zeitgemäße Prüfungskultur, über die Chancen und Risiken der Verwendung von KI in der Schule.02.05.2025 | 5:39 min
Drittens sollte man sich anschauen: Welche konkreten Herausforderungen haben die einzelnen Akteure - und wie kann die Digitalisierung helfen, diese zu lösen? Nur dann entsteht echter Mehrwert.
Viertens ist eine kontinuierliche Evaluation wichtig: Es muss überprüft werden, was funktioniert - und was nicht.
Und dann sollte man den Mut haben zu sagen: Lasst uns das noch einmal überdenken und gegebenenfalls nachjustieren oder neu vernetzen.
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Julia Knopf
Und schließlich halte ich es für entscheidend, dass personelle Unterstützung bereitgestellt und zugesichert wird - zum Beispiel durch medienpädagogische Berater*innen. Denn niemand sollte mit dieser Aufgabe allein gelassen werden.
Bisher wird Medienkompetenz nicht im regulären Schulunterricht gelehrt. Warum der Umgang mit Medien trotzdem wichtig für die Demokratie ist, erklärt Eva Berendsen von der Bildungsstätte Anne Frank.11.02.2025 | 5:46 min
ZDFheute: Die Landeslehrergewerkschaft erzählt von ausgepowerten, überforderten Lehrkräften, die kein Ohr und keine Zeit für neue Konzepte haben.
Knopf: Das ist kein spezifisches Problem Sachsen-Anhalts, sondern ein bundesweites Phänomen. Wir müssen es schaffen, in der gesamten Gesellschaft ein Umdenken anzustoßen - ein sogenannter "Mindset-Shift". Digitalisierung ist kein Add-on, das man zusätzlich irgendwo unterbringt - etwa freitags in der sechsten und siebten Stunde. Sie kann ganz konkret dabei helfen, bestehende Herausforderungen zu lösen.
Ein gutes Beispiel ist das Thema Differenzierung: Künstliche Intelligenz kann hier gezielt unterstützen - sie übersetzt Inhalte in andere Sprachen, bereitet sie auf unterschiedlichen Niveaustufen auf oder ermöglicht sogar Online-Sprechstunden mit Avataren für Kinder, die zu Hause krank sind.
Digitalisierung sollte als Unterstützung verstanden werden, nicht als zusätzliche Belastung. Wenn wir diesen Blickwechsel nicht schaffen, entsteht Angst - und dann blockieren Menschen, statt Chancen zu sehen.
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Julia Knopf
Problem oder Chance? Was bedeutet KI für den Unterricht? An einem Gymnasium in Köln-Pesch zeigen Lehrer und Schüler, wie ChatGPT sinnvoll eingesetzt werden kann.21.02.2024 | 1:53 min
ZDFheute: Stichwort Lehrermangel: Kann die KI übergangsmäßig helfen, bis wieder ausreichend Lehrkräfte ausgebildet sind?
Knopf: Ja klar, Künstliche Intelligenz kann Lehrkräfte gezielt entlasten - etwa bei der Auswertung von Schülerleistungen, der Analyse von Feedback oder der Erstellung individueller Fördervorschläge.
Was sonst viel Zeit kostet, übernimmt ein System in Sekunden - das schafft Freiräume für pädagogische Arbeit.
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Julia Knopf
Auch bei der Differenzierung zeigt sich der Nutzen: Inhalte lassen sich automatisiert in verschiedene Sprachen und Niveaustufen übersetzen. So können Kinder unabhängig von Sprachstand oder Vorwissen direkt einsteigen - das fördert Teilhabe.
Es fehlen bundesweit mehrere Tausend Lehrer. Deswegen will Sachsen die vorhandenen Lehrer nun mehr arbeiten lassen. Der Lehrerverband warnt vor Überlastung und ruft zum Protest auf.08.04.2025 | 1:30 min
Mit digitalen Sprechstunden oder Avataren lassen sich sogar kranke Kinder zu Hause einbinden.
Entscheidend ist: KI ersetzt keine Lehrkraft, sie unterstützt - wenn sie didaktisch sinnvoll eingesetzt wird.
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Julia Knopf
ZDFheute: Thema Fortbildungen für Lehrkräfte. Die Lehrergewerkschaft fordert verpflichtende Fortbildungen. Aber wenn Fortbildungen freiwillig sind und die Lehrkräfte bei der derzeitigen Überlastung gar keine Zeit dafür haben?
Knopf: Das Problem ist: Unser Fortbildungssystem ist nicht auf die Dynamik der digitalen Welt zugeschnitten. Selbst wenn man verpflichtende Formate vorsieht - etwa eine Fortbildung pro Halbjahr zum Thema KI - greift das viel zu kurz.
Künstliche Intelligenz verändert sich teilweise wöchentlich. Wer da Schritt halten will, braucht kontinuierliche, flexible Lernangebote - nicht starre Präsenzveranstaltungen im Halbjahresrhythmus.
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Julia Knopf
Künstliche Intelligenz, wie Chat-GPT, wird an deutschen Schulen vermehrt eingesetzt. Auf der Bildungsmesse didacta wird diskutiert, wie KI helfen kann, gezielter Lehrmaterialien zu erstellen.
21.02.2024 | 2:45 min
Fortbildung muss deshalb orts- und zeitunabhängig möglich sein - genau wie wir es aus anderen Bereichen längst kennen. Niemand lernt heute noch ausschließlich donnerstags von 15 bis 17 Uhr. Was wir brauchen, sind modulare Formate: kleine Lernnuggets, die in den Alltag passen, ergänzt durch vertiefende Inhalte und ein persönliches Fortbildungsprofil, das sich mitentwickelt.
Wir kennen solche Prinzipien längst aus anderen Lebensbereichen: Fitnesstracker erinnern uns an Bewegung, Lese-Apps motivieren mit kleinen Impulsen. Warum übertragen wir solche funktionierenden Konzepte nicht endlich auf das Fortbildungssystem für Lehrkräfte? Nur so kann Weiterbildung im digitalen Zeitalter wirklich gelingen - praxisnah, kontinuierlich und wirksam.
Das Interview führte Lana Ulman, Reporterin im ZDF-Studio in Sachsen-Anhalt.