Bildungsdebatte bei "Lanz": Prien fordert Pflicht-Sprachunterricht

Bildungsdebatte bei "Lanz":Prien fordert Pflicht-Sprachunterricht

von Felix Rappsilber
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Bundesbildungsministerin Karin Prien fordert verpflichtende Sprachförderung für Kinder. Als Grundschullehrerin Katja Giesler von Quereinsteigern berichtet, ist Prien überrascht.

Markus Lanz vom 26. Juni 2025: Markus Lanz, Karin Prien, Katja Giesler, Ahmand Mansour, Robin Alexander
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 26. Juni 2025 in voller Länge.26.06.2025 | 75:13 min
"Kein Kind weiß mehr, was ein Bach ist, was eine Hecke ist. (...) Die einfachsten Wörter in der deutschen Sprache müssen wir erklären." - Grundschullehrerin Katja Giesler schlug am Donnerstagabend bei "Lanz" Alarm.
Sie berichtete aus dem Schulalltag: "Das, was wir vor 20 Jahren als selbstverständlich angenommen haben, dass ein Kind am Ende der Grundschule tatsächlich bestenfalls lesen, lernen kann, das Gelesene auch verstehen kann, ist zum großen Teil gar nicht mehr da."
Aufgrund von Migration gebe es viele sprachliche Probleme. Auch in Deutschland geborene Kinder seien der Sprache oft gar nicht so mächtig, dass sie fließend Deutsch sprächen oder einen ausreichenden Wortschatz hätten.
Lehrermangel Symbolbild - Anschrift Lehrermangel an Tafel
Es fehlen bundesweit mehrere Tausend Lehrer. Deswegen will Sachsen die vorhandenen Lehrer nun mehr arbeiten lassen. Der Lehrerverband warnt vor Überlastung und ruft zum Protest auf.08.04.2025 | 1:30 min

Prien: Pflicht-Sprachunterricht vor der Einschulung

Die neue Bundesbildungsministerin Karin Prien räumte ein: "Wir haben Defizite. Und die kommen insbesondere daher, dass die Schülerinnen und Schüler immer unterschiedlicher sind."
Das habe etwas mit Migration zu tun, "aber nicht nur" - mit "verändertem Erziehungsverhalten der Eltern" und einer "anderen Art, wie Familien leben". Mit Blick auf vier- bis sechsjährige Kinder forderte sie:

Jedes Kind, das die deutsche Sprache nicht beherrscht, muss eine verpflichtende Sprachförderung bekommen. (...) Alle Kinder müssen diagnostiziert werden und alle Kinder müssen die Sprache erlernen.

Karin Prien, Bundesbildungsministerin

Prien sei offen, ob die Sprachförderung vor der Einschulung im Kindergarten oder bereits in der Schule stattfinde. Jedes Kind müsse in einer vorgezogenen Schuluntersuchung oder einer kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchung sprachlich getestet werden.
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Schulen mit großem Betreuungsbedarf und Senioren, die sich auch nach der Rente weiter engagieren wollen – an einer Grundschule in Heilbronn kommen beide Seite auf ihre Kosten.16.06.2025 | 2:35 min
Dass Sprachüberprüfungen Teil aller Vorsorgeuntersuchungen im Kindes- und Jugendalter sind, ließ die Bundesbildungsministerin dabei außer Acht.

Wir brauchen immer mehr bildungskompensatorische Maßnahmen, damit Kinder überhaupt lernen können.

Karin Prien, Bundesbildungsministerin

Darauf habe sich das System von Schulen und Hilfesystemen "nicht hinreichend eingestellt".
Stefan Tarnow  | Landesschülersprecher Brandenburg
Es beginne "bei den Sanitäranlagen" und höre "auf bei den Tafeln". Man lerne in einer "schöneren Umgebung besser und nachhaltiger", so Stefan Tarnow, Sprecher des Landesschülerrat Brandenburg.02.10.2024 | 4:04 min

Giesler: Strukturelle Überlastung

Katja Giesler, Personalrätin der Geschwister-Scholl-Grundschule Wiesbaden, hatte eine Sammel-Überlastungsanzeige angestoßen und beim hessischen Kultusministerium eingereicht: "Wir haben 66 Grundschulen in unserem Schulamtsbezirk und 41 haben sich beteiligt."
Die Politik versuche immer wieder, die Überlastung einzelner Schulen als "das Ding" zu sehen. Die Sammel-Überlastungsanzeige verdeutliche strukturelle Probleme:

Wir haben für diese Vielfalt an Kindern viel zu große Klassen.

Katja Giesler, Grundschullehrerin

Der Migrationsanteil der Schülerschaft liege bei circa 80 Prozent. Sozial-emotionale Probleme würden "aus dem Boden ploppen". Die Lehrerschaft stoße auf ein "Riesenkonglomerat an Einzelproblematiken" und müsse immer mehr Verwaltungsaufgaben erledigen.
Auf dem Bild sieht man eine Lehrerin.
Die Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen sorgt für Schlagzeilen, da im letzten Schuljahr fast ein Drittel der Erstklässler sitzenblieb. 13.10.2023 | 1:56 min

Personalsuche im Bekanntenkreis

Giesler berichtete von Quereinsteigern im Lehrerberuf: "Wir haben bei uns im Schulsystem teilweise Schulen, die die 35-Prozent-Hürde knacken - mit nicht-pädagogischem Personal, was an Schule arbeitet." Im Umkreis von Wiesbaden gebe es kein ausgebildetes Personal:

Wir können das Schulamt nicht fragen: 'Haben Sie jemanden auf der Liste?' Die sind leer gefegt.

Katja Giesler, Grundschullehrerin

Doch der Unterricht müsse abgedeckt werden: "Dann ist es so, dass wir im Bekanntenkreis oder (...) Studenten fragen: 'Wollt ihr bei uns anfangen?'"
Karin Prien gab sich überrascht: "Aber unterrichten dürfen die nicht." Dass nicht-pädagogisches Personal unterrichte, sei ein Fakt, widersprach Giesler.
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Die Zahl der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ist gestiegen: rund 5,4 Millionen Menschen arbeiteten 2024 unter anderem an Schulen. Florian Neuhann gibt eine Einschätzung.17.06.2025 | 1:04 min

Dürfen Quereinsteiger unterrichten?

Bevor Prien das Amt der Bundesbildungsministerin antrat, hatte sie das Bildungsministerium in Schleswig-Holstein geleitet. Nun zog sie sich darauf zurück, nur für ihr Bundesland sprechen zu können, in dem Quereinsteiger nicht unterrichten dürften.
"Sie bezweifeln das, was Frau Giesler sagt?", hakte Markus Lanz nach. "Es würde mich sehr wundern, wenn das so wäre", so Prien, "wir reden vielleicht über Vertretungskräfte".
Schulen
In Thüringen konnten im letzten Halbjahr Zeugnisnoten nicht vergeben werden, weil die Lehrkräfte fehlen. Die Schüler befürchten dadurch Nachteile für Bewerbungen.20.03.2025 | 2:02 min
Wenn Schulstunden offen seien, würden Quereinsteiger eingestellt, "um den Grundunterricht abzudecken", beharrte Giesler und sagte: "Das sind zum Teil [Vertretungen], aber es ist trotzdem so, dass bei uns im Schulamtsbezirk diese nicht-ausgebildeten Pädagogen auch entfristet werden können. (...) Wenn die lange genug gearbeitet haben, sind die irgendwann fest angestellt."
Prien widersprach: "Das kenne ich so nicht und das habe ich auch immer abgelehnt, sowas zu tun."

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