Schleswig-Holstein: Unterricht kürzen, Schüler und Kasse schonen

An weiterführenden Schulen:Warum Schleswig-Holstein Unterricht kürzt

von Heike Kruse
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Weniger Unterricht an weiterführenden Schulen: Der Plan der Regierung in Schleswig-Holstein stößt auf Kritik - nicht nur bei der Gewerkschaft. Auch Schüler sind nicht begeistert.

Stühle stehen auf Tischen in einem leeren Klassenzimmer einer Realschule.
Mit Unterrichstkürzungen will das Land Geld sparen und Schüler entlasten.
Quelle: dpa

Die schwarz-grüne Regierungskoalition in Schleswig-Holstein kürzt ab dem kommenden Schuljahr die Wochenstunden der Sekundarstufe I in Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. In der Klasse 8a der Gemeinschaftsschule in Harrislee stößt das nicht auf Begeisterung:

Weniger Unterricht ist nicht cool, sondern einfach unnütz. Man sollte das Geld für Bildung ausgeben. Dass wir weniger Stunden haben sollen, finde ich schlecht.

Tammo, Schüler

Sein Mitschüler Levi glaubt, dass viele Schüler jubelten, wenn Unterricht gekürzt werde. Aber er finde es doof, weil dann Stoff fehle, und das wirke sich in einigen Jahren aus.
im Vordergrund ist ein Arm von einem Mädchen zu sehen, die sich meldet. Im HIntergund ist verschwommen die restliche Klasse mit Schüler*innen und Lehrerin zu sehen.
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Verschiedene Fächer betroffen - auch erste Fremdsprache

Betroffen von den Kürzungen sind die erste Fremdsprache, Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften. An den Gemeinschaftsschulen gab es zum Beispiel bisher für die Jahrgangsstufen 5 bis 10 insgesamt 188 Wochenstunden. Das bedeutet: Im Schnitt hatten die Schüler pro Schuljahr 31,3 Wochenstunden. Nun wird der Schnitt pro Schuljahr auf 30,3 Schulstunden sinken.
Levi und Tammo haben gerade Deutsch - Frühlingsgedichte sind das Thema. Angesichts des Beschlusses der schleswig-holsteinischen Landesregierung, Unterricht zu kürzen, vergehen ihrer Deutsch- und Französischlehrerin Claudia Pinno ein wenig die Frühlingsgefühle:

Bildung ist das A und O - Kinder müssen so gut es irgendwie geht, gefördert werden. Sie sind doch unsere Zukunft.

Claudia Pinno, Lehrerin

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Land will Geld sparen und "Schüler entlasten"

Die Kieler Bildungsstaatssekretärin Dorit Stenke (parteilos) ist überzeugt, man schlage zwei Fliegen mit einer Klappe: Unterrichtskürzungen sparten Geld und reduzierten gleichzeitig die Belastung der Schüler.

Wir haben gesehen, dass wir doch mit sehr, sehr, sehr viel Unterricht in der Vergangenheit unterwegs waren. Deutlich über dem, was andere Länder in diesen Klassenstufen anbieten.

Dr. Dorit Stenke, Bildungsstaatssekretärin Schleswig-Holstein

Sehr viel aufgesetzt habe man vor allem in den Gesellschaftswissenschaften, sagt Stenke. Dort habe man den Schulen empfohlen zu schauen, an welchen Stellen sie Stunden rausnehmen könnten "und damit ja auch Schüler entlasten."
Und schließlich bekämen Grundschüler in Schleswig-Holstein schon seit dem laufenden Schuljahr mehr Unterricht: Für alle vier Jahrgangsstufen wurden die Wochenstunden von 92 auf 94 erhöht. Das sei entscheidend für bessere Bildung der Schüler in Schleswig-Holstein.
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Kritik von Gewerkschaft und Forschung

Der Direktor des renommierten Kieler Leibniz-Instituts für die Pädagogik von Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Olaf Köller, widerspricht:

Die Kürzung der Stundentafel in der Sekundarstufe I folgt natürlich keinem pädagogischen, didaktischen und lernpsychologischen Konzept, sondern ist allein dem Umstand geschuldet, dass Schleswig-Holstein das Wasser bis zum Hals steht.

Prof. Dr. Olaf Köller, Direktor IPN

Das berge die Gefahr, dass die ohnehin schon in den Schulleistungsstudien festgestellten schwachen naturwissenschaftlichen Leistungen in Schleswig-Holstein weiter sinken.
Dass durch die Unterrichtskürzungen Lehrkräfte gespart würden - diese einfache Gleichung aus dem Bildungsministerium geht für Kerstin Quellmann von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Schleswig-Holstein (GEW) nicht auf. Sie spricht von einer bildungspolitischen Bankrotterklärung, die innovative, gute Schulen verhindere.
Heike Kruse berichtet aus dem ZDF-Studio in Kiel.

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