Fall Lisa Poettinger: Zu radikal fürs Lehramt?

Aktivistin beklagt Berufsverbot:Wen kann der Staat vom Lehramt ausschließen?

von Jan Henrich und Franca Rexeis
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Eine linke Klimaaktivistin aus Bayern soll vom Lehramts-Referendariat ausgeschlossen werden. Der Fall wirft die Frage auf, wie weit politisches Engagement von Beamten gehen darf.

Unterricht in einer Schule
Wann verstößt eine Lehrkraft gegen die vorgeschriebene Verfassungstreue?
Quelle: imago

Die Ansage des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei Florian Herrmann (CSU) ist deutlich: "Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung steht, den lassen wir nicht in den staatlichen Schuldienst."
Auf einer Pressekonferenz im Januar hatte er sich zum Fall Lisa Poettinger geäußert. Die Klimaaktivistin aus Bayern, die vor kurzem ihr Lehramtsstudium abgeschlossen hatte, soll nun vom Referendariat ausgeschlossen werden. Aus ihrer Sicht ein Berufsverbot. Auch wenn die Entscheidung noch nicht endgültig ist, sorgt der Vorgang für Diskussionen.
Ein leeres Klassenzimmer. Die Stühle sind auf die Tische gestellt. Im Hintergrund eine grüne Tafel.
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Bayern prüft anhand von Fragebogen

Als Grund für einen möglichen Ausschluss gibt die bayerische Landesregierung ein Engagement Poettingers in "links-extremistischen Vereinigungen" an. Zudem gebe es in diesem Zusammenhang auch strafrechtliche Ermittlungen gegen die Klimaaktivistin.

Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen.

Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei

Wer in Bayern im Staatsdienst arbeiten will, muss einen Fragebogen ausfüllen, mit dem die Verfassungstreue geprüft wird. Teil davon ist auch die Frage, ob man Mitglied in einer extremistischen Organisation ist. Welche Organisationen darunter zu verstehen sind, wird in einer Anlage des Fragebogens deutlich - die Liste ist lang. Unter anderem werden die Linksjugend ('solid), Rote Hilfe e.V. oder das "Offene Antikapitalistische Klimatreffen München" aufgeführt.
Auf dem Bild ist ein Plakat zu sehen, dass gegen die Verfasser des Brandbriefs hetzt.
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Beamte sind zur Verfassungstreue verpflichtet

Grundsätzlich ist eine solche Prüfung kein ungewöhnlicher Vorgang. Beamte sind nicht nur in Bayern, sondern auch auf Bundesebene in besonderem Maße zur Verfassungstreue verpflichtet. Für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, wird als Kernpflicht ihrer Aufgabe im Staatsdienst gesehen.

Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

§ 33 Absatz 1, Satz 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG

Für Hochschullehrer ergibt sich diese Pflicht sogar unmittelbar aus dem Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 5: "Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung."

Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975

Es ist ein Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht bereits 1975 bestätigt hat. Das Gericht urteilte damals, es sei unverzichtbar, dass ein Beamter die verfassungsrechtliche Ordnung "so wie sie in Kraft steht, bejaht" und sie "als schützenswert anerkennt". Zur gleichen Zeit galt in Deutschland auch der hochumstrittene "Radikalenerlass", wonach vor der Einstellung eines Beamten eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz durchgeführt wurde.
Auch wenn die Praxis der Regelabfrage bis Anfang der 1990er-Jahre wieder abgeschafft wurde, bestehen die Grundsätze weiterhin. Für einen Ausschluss aus dem Staatsdienst bedarf es normalerweise aber mehr, als lediglich Mitglied in einer vom Verfassungsschutz beobachteten, aber nicht verbotenen Organisation zu sein.

Fälle landen häufig vor Gericht

Diskussionen über die Verfassungstreue angehender Lehrer oder Juristen werden daher häufig vor Gericht ausgetragen. Vor einigen Jahren hatte die Bayerische Landesregierung einen Aktivisten der rechtsextremen Partei "Der III. Weg" vom juristischen Vorbereitungsdienst ausgeschlossen. Über einen Umweg durfte er allerdings nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Sachsen sein Referendariat dort absolvieren. Obwohl das Bundesverwaltungsgericht später entschied, dass der ursprüngliche Ausschluss gerechtfertigt war.
2007 wurde einem angehenden Lehrer aus Heidelberg attestiert, er sei aufgrund seines Engagements in einer Antifa-Gruppe nicht für den Schuldienst geeignet. Auch in dem Fall hatte ein Gericht den Zugang zum Referendariat später erlaubt.
Anders im Fall einer Lehrerin, die für das rechtsextreme Compact-Magazin tätig war. Ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis bestätigten Gerichte. Allerdings kam in dem Fall hinzu, dass sie über ihre Tätigkeit getäuscht hatte.
Jan Henrich und Franca Rexeis arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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Quelle: dpa

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