Studie zeigt, wovor die Menschen in Deutschland Angst haben

Studie "Ängste der Deutschen":Sorge vor hohen Preisen treibt die Deutschen um

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Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten bleibt laut einer Umfrage die größte Sorge der Deutschen. Dennoch: Die Menschen hätten sich "an eine Art Dauerkrise gewöhnt", heißt es.

Eine Pressekonferenz. Zwei Menschen stehen an Rednerpulten. Im Hintergrund sind Abbildungen zur Studie

Trotz Wirtschaftsflaute, Kriegen und dem Vormarsch der extremen Rechten sind die Deutschen optimistischer geworden. Das zeigt eine neue Studie der R+V Versicherung.

18.09.2025 | 1:35 min

Manche politischen Krisen sind im Alltag nur schwer greifbar, hohe Preise hingegen bekommen Menschen in Deutschland meist unmittelbar zu spüren - etwa an der Supermarktkasse oder auf der Nebenkostenabrechnung. Erneut zählt die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten dieses Jahr zur größten Sorge der Deutschen, wie eine repräsentative Befragung im Zuge der Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen" zeigt.

Demnach hat rund jeder zweite Mensch (52 Prozent) Sorge, dass die Kosten zum Beispiel für den Einkauf, Miete nach oben gehen. Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki, die die Studie als Beraterin begleitet, sagte bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin:

Das Preisniveau ist nach wie vor hoch, auch wenn die Inflationsrate deutlich gesunken ist.

Isabelle Borucki, Politikwissenschaftlerin

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Für die Menschen fühle es sich daher nicht so an, als sei die Belastung verschwunden. Solche Alltagsängste seien besonders hartnäckig, weil sie tief in die tägliche Lebensrealität der Menschen eingriffen. Seit dem Start der jährlichen Befragung im Jahr 1992 steht die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten schon zum 15. Mal an oberster Stelle des Rankings.

Entscheidend ist, Entscheidungen nachvollziehbar zu erklären. Dann sinkt auch das Angstpotenzial.

Isabelle Borucki, Politikwissenschaftlerin

Inflation in Deutschland (inkl. Nahrung und Energie)

ZDFheute Infografik

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Angst vor steigenden Preisen bei Frauen höher

Auffällig ist: Frauen bereitet die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten mit einem Anteil von 57 Prozent deutlich mehr Sorge als Männern, bei denen der Anteil bei 47 Prozent liegt. "Frauen geben vielleicht eher zu, ängstlich zu sein", vermutet Borucki. Außerdem hätten Frauen ein höheres Bewusstsein für ungleiche Bezahlung, zum Beispiel weil sie häufig weniger verdienten als Männer.

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Die Umfrage "Die Ängste der Deutschen" wird von der R+V-Versicherung in Auftrag gegeben. Für die diesjährige Befragung wurden zwischen Mai und Juli rund 2.400 Menschen im Alter ab 14 Jahren von Meinungsforschern befragt.

Die Teilnehmer sollten vorgegebene Themen auf einer Skala von eins (gar keine Angst) bis sieben (sehr große Angst) bewerten. Daraus wird die Rangfolge ermittelt, die die größten Ängste abbildet. Die größten Ängste sind die, die am häufigsten die Werte 5 bis 7 erhalten haben.


Finanzielle und politische Sorgen dominieren

Die Top zehn der Rangliste ist dieses Jahr von finanziellen und politischen Sorgen geprägt. Auf Platz drei (49 Prozent) liegt die Angst vor Steuererhöhungen beziehungsweise Leistungskürzungen, auf Platz vier die Angst, dass Wohnen in Deutschland unbezahlbar werde (48 Prozent).

Was die Herausgeber der Studie überrascht: Im Vergleich zum Vorjahr ist der Grad der Besorgnis mit Ausnahme von zwei Fällen bei allen Ängsten leicht gesunken. Einen noch niedrigeren Angstindex habe es seit Beginn der Langzeitstudie nur einmal gegeben: im Jahr 2021.

Nur die Angst davor, dass weltweit autoritäre Herrscher immer mächtiger würden, ist 2025 im Vergleich zu 2024 leicht größer geworden, die Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung auf gleichem Niveau geblieben.

Sind die Deutschen gelassener geworden?

Viele Probleme wie internationale Krisen, Kriege und hohe Preise seien nach wie vor da, sagte Borucki. Doch die Wahrnehmung habe sie geändert. "Nach mehreren Jahren, die von Pandemie, Energiekrise und eben auch Kriegsausbrüchen geprägt waren, haben sich die Menschen an eine Art Dauerkrise gewöhnt", so die Professorin von der Philipps-Universität Marburg.

Man könnte auch sagen, der Ausnahmezustand ist zum Normalzustand geworden.

Isabelle Borucki, Politikwissenschaftlerin

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Teils deutliche Unterschiede zwischen Ost und West

Selbst die Sorgen im Zusammenhang mit Migration sind zurückgegangen, obwohl sie dieses Jahr in politischen Debatten viel Raum eingenommen haben. 49 Prozent der Befragten gaben 2025 an, sich vor einer Überforderung des Staats durch Geflüchtete zu fürchten (Platz 2 des Rankings). 2024 waren es noch 56 Prozent.

Auch die Sorge vor Spannungen durch Zuzug aus dem Ausland nimmt ab (2025: 45 Prozent, 2024: 51 Prozent). Beide Ängste lägen mit Ausnahme der Pandemiejahre auf dem niedrigsten Stand seit 2015, sagte Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch.

Allerdings sind die Sorgen im Zusammenhang mit Migration in Ostdeutschland bei Weitem nicht so sehr zurückgegangen wie in Westdeutschland. Migration sei in Westdeutschland seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Gesellschaft, im Osten weniger, sagte Borucki.

Dadurch sind die Erfahrungswelten unterschiedlich.

Isabelle Borucki, Politikwissenschaftlerin

Hebamme versorgen einen Säugling im Kreißsaal. Mit einem Modellprojekt in einem Krankenhaus will Bremen die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und Hebammen verbessern. Das Projekt «Ich pflege wieder, weil...» startete Anfang Februar im Krankenhaus St. Joseph-Stift in Bremen. In den nächsten vier Jahren sollen dort gemeinsam mit den Pflegekräften und Hebammen bessere Arbeitsbedingungen im Kreißsaal und auf der Wöchnerinnenstation erarbeitet werden.

Immer noch unterscheidet sich die Bevölkerungsanzahl in Ost- und Westdeutschland. Laut dem zuständigen Bundesamt stieg die Anzahl im Westen, während sie im Osten stark sank.

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Außerdem seien wirtschaftliche Sorgen im Osten häufig stärker ausgeprägt, und das koppele sich mit kultureller Verunsicherung durch Zuwanderung. Eine mögliche Erklärung sei auch, dass Themen wie Migration und Integration im Osten öfter stärker problematisiert würden. Wer Politik mache, müsse die deutlichen Unterschiede zwischen einzelnen Regionen ernst nehmen, so Borucki.

Für die Politik bedeutet das meiner Ansicht nach, dass eine einheitliche Botschaft eben nicht ausreicht, sondern man regional sehr unterschiedlich und auch sehr differenziert ansetzen muss.

Isabelle Borucki, Politikwissenschaftlerin

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Quelle: dpa

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Quelle: dpa

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