"Catcalling" bald strafbar? Hubig prüft Strafverschärfung

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Verbale sexuelle Belästigungen:"Catcalling" bald strafbar?

von Louisa Hadadi
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Bislang ist das sogenannte Catcalling nur in Ausnahmefällen strafbar. Eine Regelungslücke, findet die SPD-Fraktion. Das Justizministerium prüft nun eine Strafverschärfung.

Catcalling-Petition

Die SPD-Fraktion fordert einen neuen Straftatbestand für "Catcalling".

Quelle: ZDF

"Na ihr zwei Schnecken? Ich habe richtig Bock euch durchzuf*cken!" oder "Süße T*tten" - das sind Aussagen, die der Instagram-Account "catcallsofberlin" gesammelt hat. Bislang sind solche Aussagen in der Regel straffrei. Nun will Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) eine Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes vor Belästigungen prüfen lassen. Ihre Fraktion hatte sich zuvor schon dafür ausgesprochen.

Was ist "Catcalling"?

Beim Wort "Catcalling" handelt es sich nicht um einen Rechtsbegriff. Nach einer Definition des Deutschen Juristinnenbundes umfasst der Begriff beispielsweise aufdringliche Blicke, Kussgeräusche, anzügliche Bemerkungen oder Aufforderungen zu sexuellen Handlungen.

Mit gezielten sexuellen Grenzüberschreitungen sollen vor allem Frauen und Mädchen eingeschüchtert werden. Betroffene fühlen sich häufig nicht mehr sicher im öffentlichen Raum und meiden bestimmte Orte. Solche Äußerungen können außerdem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzen, weil Betroffenen unerwünscht Sexualität aufgedrängt wird. Viele kritisieren den Begriff "Catcalling" daher als verharmlosend.

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Was ist aktuell strafbar?

Derzeit ist "Catcalling" in Deutschland nur ausnahmsweise strafbar. Zwar gibt es mit Paragraf 184i Strafgesetzbuch (StGB) einen Straftatbestand, der sexuelle Belästigungen unter Strafe stellt. Allerdings setzt die eine körperliche Berührung voraus.

Verbale sexuelle Belästigungen könnten als Beleidigung gemäß Paragraf 185 StGB strafbar sein. Doch die Norm schützt nur vor Verletzungen der Ehre, nicht aber der sexuellen Selbstbestimmung.

Was ist geplant?

Bereits 2020 forderte eine Petition mit fast 70.000 Unterstützer*innen deshalb, dass "Catcalling" strafbar sein sollte. 2021 befürwortete auch der Deutsche Juristinnenbund, "unzumutbar aufgedrängte Sexualität" zu sanktionieren.

Nachdem die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede Anfang September gefordert hatte, einen entsprechenden neuen Straftatbestand zu schaffen, sieht nun auch Justizministerin Hubig Handlungsbedarf.

Grafik: SPD will Catcalling strafbar machen

Quelle: ZDF/Imago

Doch die Unions-Fraktion ist skeptisch. Symbolgesetzgebung und nicht durchsetzbare Straftatbestände führten zu Unsicherheit, so die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Susanne Hierl (CSU).

Was sagen Expert*innen?

Auch Alexandra Windsberger, Strafrechtlerin an der Universität Konstanz, hält das aktuelle Strafrecht für ausreichend. Entwürdigende Äußerungen würden bereits als Beleidigung bestraft. Einen Straftatbestand, der sämtliche Formen des "Catcallings" erfasst, hält sie für verfassungsrechtlich illegitim, weil es sehr individuell sei, wie eine Äußerung aufgefasst werde.

Das Strafrecht ist nicht dafür da, subjektive Gefühle zu schützen, sondern erfasst nur sozialschädliches Verhalten.

Alexandra Windsberger, Strafrechtlerin Universität Konstanz

Inwiefern "Catcalling" tatsächlich die sexuelle Selbstbestimmung der Betroffenen verletze und Frauen aus dem öffentlichen Raum dränge, sei noch nicht nachgewiesen, sagt Windsberger.

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Hingegen sieht Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht an der Universität Leipzig, Handlungsbedarf: Unerwünschte sexuelle Äußerungen seien kein freundliches Kompliment. Hoven sieht vor allem ein Anwendungs- und kein Regelungsdefizit. Häufig würden klar sexistische Kommentare nicht als Beleidigung gewertet. Wichtig sei, nicht nur die körperliche Komponente der sexuellen Selbstbestimmung zu schützen. Auch bei erheblicher verbaler sexueller Belästigung müsse die Gesetzgebung Grenzen ziehen:

Die gesellschaftlichen Vorstellungen über den richtigen Umgang mit Sexualität haben sich gewandelt. Es ist legitim, wenn auch das Strafrecht das abbildet.

Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht an der Universität Leipzig

Wie regeln das andere Länder?

In anderen europäischen Ländern wie England, Belgien, Portugal, Frankreich und den Niederlanden wird verbale sexuelle Belästigung bereits sanktioniert. In Frankreich etwa ist demütigendes "Catcalling" seit 2018 bußgeldbewährt. Dort differenziert man nach Art und Ort der Tat: Für sexuelle Belästigungen gegenüber bestimmten Personengruppen wie Minderjährigen oder Schwangeren, und in bestimmten Kontexten wie dem öffentlichen Nahverkehr gibt es höhere Bußgelder.

Louisa Hadadi arbeitet in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.

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