Sexismus und Drohungen in der Politik:Welche Anfeindungen Kommunalpolitikerinnen erleben
von Nicole Frölich
Weniger als ein Drittel der deutschen Kommunalparlamentarier sind Frauen. Viele klagen über Diskriminierung und politische Strukturen, die ihnen die politische Arbeit erschweren.
Bundesweit haben nur 30 Prozent Frauen Mandate in der Kommunalpolitik inne. Denn Hass und Hetze gegen Frauen in der Politik nehmen immer mehr zu. Nicht alle haben die Kraft, dies durchzustehen.
13.12.2025 | 4:10 minWenn sich Claudia Sprengel an ihre Zeit als Stadtverordnete erinnert, spricht sie von einem Spießroutenlauf. 2019 wird die damals 30-Jährige für Die Linke ins Parlament von Brandenburg an der Havel gewählt.
Als junge Frau war sie unter den überwiegend männlichen Mandatsträgern in Unterzahl und das, sagt sie, ließ man sie auch spüren: "Wenn ich den Raum betreten habe, gab es oft ein Raunen. Meine Äußerlichkeiten wurden kommentiert."
Dass sie über die Sprüche über Lippenstift und hohe Hacken nicht einfach hinwegsehen konnte, ärgerte sie: "Ich wollte mir darüber keine Gedanken machen müssen. Ein Mann tut das ja auch nicht!"
Kommunalpolitikerinnen und -politiker erleben Beleidigungen, Hasspostings, mitunter Gewalt immer häufiger. Wissenschaftler erklären das mit einer wachsenden Wut auf die Politik.
07.03.2024 | 2:18 minSie empfindet es als Ablenkung von der Politik, die sie mitgestalten will. Doch auch in Sachdebatten erfährt sie mangelnden Respekt:
Es ist grundsätzlich lauter geworden, wenn ich gesprochen habe und die Bedeutung der Themen, die ich aufgebracht habe, wurde in Frage gestellt.
Claudia Sprengel
Gewalt-Drohungen im Netz
Dann waren da noch die Drohungen. Im Netz wird ihr anonym Gewalt angedroht. "Komm nach Hause, dann schlag ich dich grün und blau", heißt es da etwa. Als sie sich aus Sicherheitsbedenken einen Hund anschafft, findet sie einen handgeschriebenen Zettel in ihrem Briefkasten. Jemand droht, das Tier zu töten.
Der "Orange Day" macht weltweit auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. In Deutschland wurden 2024 fast 136.000 Fälle von Gewalt in der Partnerschaft bekannt.
25.11.2025 | 1:42 minSie meldet die Zwischenfälle und macht weiter. Doch nachdem sie Mutter wird, ändert sich ihre Sicht auf das Ehrenamt. Als sich für einen Sitzungsnachmittag kein Babysitter findet, bringt sie ihr Kind mit ins Rathaus. "Da gab es sehr viele verletzende Kommentare."
Es sei nicht gewünscht gewesen, dass sie stillt. Der Säugling selbst sei als störendes Objekt bezeichnet worden. Zwischen den Zeilen erkennt sie implizierten Druck, ihr Mandat aufzugeben - eine Absprache ihres Rechts auf demokratische Teilhabe. "Mutterschaft sollte kein Hindernis sein, ein Amt auszuführen."
Dennoch beginnt sie, mit ihrer politischen Wirksamkeit zu hadern. Mit dem, was das Ehrenamt ihr abverlangt. Bei der nächsten Wahl lässt sie sich nicht erneut aufstellen. Heute ist sie Gleichstellungsbeauftragte in Potsdam und versucht anderen Frauen den Weg in die Politik zu erleichtern.
Warum Politiker, die angegriffen wurden, trotzdem weiter Wahlkampf machen.
14.01.2025 | 9:05 minAntifeministische Strömungen auf dem Vormarsch
Ein Fall, der exemplarisch für die Hürden unzähliger Frauen in kommunalen Ämtern steht. Junge Politikerinnen aus dem progressiven Spektrum werden besonders häufig angefeindet. "Sie werden einerseits als leichtere Opfer wahrgenommen, haben andererseits ein tendenziell stärkeres Auftreten", erklärt Christiane Bonk, Sprecherin der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Brandenburg.
Auch das Erstarken von antifeministischen Strömungen in der Gesellschaft wirke sich auf die Position der Frau in der Politik aus: "Wir beobachten Auswirkungen auf Anfeindungen, auf Gewaltandrohungen, auf sexistische Beleidigungen, auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen und darauf, wie miteinander in Kommunalparlamenten gesprochen wird."
Aggressivere Grundstimmung
Auch auf den Straßen ist der Umgang aggressiver geworden. Das hat Elke Kästner am eigenen Leib erfahren. Im Bundestagswahlkampf 2024 wirft ein fremder Mann die Tasche der Linken-Politikerin auf die Straße. Als sie ihn zur Rede stellt, droht er ihr Schläge an. In 35 Jahren Kommunalpolitik, sagt sie, habe sie so etwas noch nicht erlebt. "Es ist in der letzten Zeit immer schlimmer geworden."
Verbale Attacken kenne sie. Aber Sachbeschädigung und explizite Gewaltandrohungen - das sei neu. Dass der Aggressor auch einen Mann bedroht hätte, bezweifelt Kästner:
Die Frau wird als schwaches Geschlecht wahrgenommen. Nach dem Motto: Mit der kann man es machen.
Elke Kästner, Die Linke
Kästner spricht an, was viele Frauen in der Politik täglich erleben: Noch immer wird ihnen keine absolute Gleichwertigkeit zugestanden. Das prägt den Umgang mit ihnen auf allen Ebenen.
Nicole Frölich ist Redakteurin im ZDF-Studio in Potsdam.
Deutsche Parlamente:Frauen weiter deutlich in der Minderheit
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