Nachhaltigkeitskonferenz: "Nichthandeln kostet noch viel mehr"

Interview

Nachhaltigkeitskonferenz:"Nichthandeln kostet noch viel mehr"

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Wie kann eine von Krisen geschüttelte Welt nachhaltiger werden? Internationale Klimapolitik ist in Krisenzeiten auch Sicherheitspolitik, sagt UNDP-Chef Achim Steiner im Interview.

Auch in Entwicklungsländern soll der Klimaschutz vorangehen.
Investitionen in den Klimaschutz zahlen sich aus, sagt UNDP-Leiter Achim Steiner: Solaranlage in der Mongolei.
Quelle: Un Photo/Eskinder Debebe/dpa

Als Leiter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) ist er täglich mit den geopolitischen Spannungen der Zeit konfrontiert. Auf der zweiten Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz sprach ZDFheute mit Achim Steiner über Wege aus den Krisen und über Klimafinanzierung in Zeiten weltweit klammer Kassen.
ZDFheute: Viele fragen sich, warum braucht man eine weitere Nachhaltigkeitskonferenz, auf der viel geredet wird?
Achim Steiner: Die Konferenz läuft vor dem Hintergrund dessen, was sich in der Welt im Augenblick abspielt. Das ist erstmal eine Welt mit sehr viel Gewitterwolken. Wir haben mehr Krisen, mehr Konflikte, auch mehr Flüchtlinge zum Beispiel als wir es seit 1945 erlebt haben.

Es ist eine Welt, die gefährlicher geworden ist, die auch mit viel mehr Unsicherheit und mit viel mehr Risiken verbunden ist - und die zum Teil ihre Handlungsfähigkeit verliert.

Achim Steiner, Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen

UNDP-Chef Achim Steiner. Archivbild
Quelle: Sebastian Pani/dpa/Archivbild

... ist seit 2017 Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP und Mitorganisator der Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz. Davor leitete er das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Steiner studieret Philosophie, Politik und Wirtschaft in Oxford und absolvierte einen Master in Ökonomie und Regionalplanung an der University of London. Für sein Engagement für den internationalen Umweltschutz wurde er 2012 mit dem Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises auszeichnet.

Wir haben Nationalstaaten - aber viele der größten Risiken für unsere eigene Sicherheit haben letztlich damit zu tun, ob wir mit anderen gemeinsam handlungsfähig sind. Die Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz ist ein Forum, auf dem wir versuchen, vor diesem Hintergrund der Polarisierung wieder gemeinsame Interessen zu artikulieren.
Wir haben uns auch sehr bemüht, vor allem auch unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Unternehmen, Plattformen zu schaffen, auf denen nicht nur Probleme andiskutiert, sondern Lösungsansätze initiiert und auch umgesetzt werden.
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ZDFheute: Zum Beispiel?
Steiner: Letztes Jahr zum Beispiel war "Green Shipping" ein zentrales Thema in Hamburg. Die Schifffahrt weltweit und ihr Verhältnis zum Klimawandel ist ein problematisches gewesen in der Vergangenheit. Innerhalb von acht Monaten haben wir erlebt, wie dann einige der Impulse auch aus Hamburg in der Internationalen Maritimen Organisation der Vereinten Nationen umgesetzt wurden in einem Abkommen, das die CO2-Bepreisung bei der internationalen Schifffahrt zum ersten Mal nach Jahren der Verhandlungen durchgesetzt hat.
Auch das sind Beispiele, wie man Rahmenbedingungen verändern kann, die dann die Anreize schaffen, dass eben Reedereien und Schifffahrtsunternehmen sich der Verantwortung nicht nur bewusst sind, sondern auch die Anreize haben zu handeln.

Auf der Hamburg Sustainability Conference (HSC) treffen sich in diesem Jahr zum zweiten Mal rund 1.600 Vertreterinnen und Vertreter aus mehr als 110 Ländern. Ziel ist es, neue Allianzen für nachhaltige Entwicklung zu schmieden. Veranstaltet wird die Konferenz vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), der Hansestadt Hamburg und der Michael Otto Stiftung.

ZDFheute: Ein großes weiteres Thema hier ist die Klimafinanzierung. Viele deutsche Steuerzahler sagen, wir haben ein riesiges Haushaltsloch - können wir es uns leisten, aktuell weiterhin in Klimaschutz zu investieren?
Steiner: Das sollten wir. Zum einen, weil wir ja erlebt haben, was es bedeutet, wenn wir jetzt das Thema Klima nicht offensiv angehen. Gerade in den letzten Tagen wieder: Naturkatastrophen von der Schweiz über Nigeria bis nach Kanada mit den ganzen Waldbränden, die wieder entstanden sind.

Das Nichthandeln kostet noch viel mehr.

Achim Steiner, Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen

Und ich glaube, deswegen müssen wir uns immer wieder darauf besinnen: Wenn wir über Klimafinanzierung sprechen, sprechen wir an sich über die Investitionen in unsere zukünftige Wirtschaft. Das sind die Arbeitsplätze von morgen, das sind die Industrien von morgen, das sind auch die Verkehrs- und Stromnetze von morgen. Das ist natürlich, wie alle Investitionen in die Zukunft, erst einmal eine Herausforderung - vor allem, wenn die Kassen klamm sind.
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ZDFheute: Deutschland investiert ja nicht nur zu Hause, sondern auch weltweit in Klimafinanzierung. Ist das überhaupt in Deutschlands Interesse?
Steiner: Natürlich hat das Thema auch eine internationale Dimension. Wir haben das Bild, es seien nur die Industrieländer, die hier investieren. Das müssen wir heute korrigieren. Die größten Investoren zum Beispiel bei einer Energiewende sind heute im Ausbau von sauberen Energieinfrastrukturen China und Indien. Länder wie Uruguay und Kenia haben heute schon eine Stromversorgung mit über 95 Prozent aus erneuerbaren Energien.
CO2: Änderung seit 1990

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Und trotzdem müssen wir eben auch anerkennen, dass es gerade in Bezug auf die ärmsten Länder ein gemeinsames Interesse ist, wenn bei der Energieversorgung etwa des afrikanischen Kontinents über die nächsten 20 bis 30 Jahre in ein Energiesystem der Zukunft investiert wird.
Es gibt über 600 Millionen Menschen allein in Afrika, die noch keinen Zugang zur Stromversorgung haben. Wenn wir uns einen afrikanischen Kontinent wünschen, auf dem Entwicklung, Industrialisierung, auch Digitalisierung die Arbeitsplätze von morgen schaffen, dann braucht Afrika Strom. Man stelle sich vor, Afrika geht zurück zu Kohle, Öl und Gas. Das würde jede Form von internationaler Klimapolitik untergraben.
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ZDFheute: Zahlen sich die Investitionen denn aus?
Steiner: Ineinander zu investieren, manchmal zu sehen, dass auch ein ärmeres Land erst einmal eine Co-Investition braucht, zahlt sich am Ende um ein Vielfaches aus. Unsere eigenen Haushalte und Budgets stehen unter Druck. Aber wir dürfen auch nicht den Blick dafür verlieren - gerade in einer Stadt wie Hamburg, wo ja auch Versicherungsunternehmen ihre Zentrale haben.

Die Katastrophen und Risiken, die sich jetzt abzeichnen, können wir uns gar nicht leisten.

Achim Steiner, Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen

In Klimafinanzierung zu investieren, können wir uns leisten. Und es hat auf Jahre hinaus im Grunde eine Rendite, die sich immer wieder auszahlen wird.
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ZDFheute: Und über die Finanzierung hinaus?
Steiner: Darüber hinaus ist Klimapolitik heute auch Sicherheitspolitik. Wir reden viel über die Bedrohungen von Konflikten und Kriegen.

Seien wir ehrlich: Es droht ein Klimawandel, der die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zerstört, der vielleicht Hunderte von Millionen Menschen zwingt, aus ihren alten Heimatgebieten umzuziehen, weil sie dort nicht mehr Landwirtschaft praktizieren können oder weil Überschwemmungen stattfinden.

Achim Steiner, Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen

Man denke nur an ein Dorf wie Blatten, das auch ein Symbol dafür ist, wie in einer Stunde eine ganze Geschichte zerstört werden kann. All das sollte uns noch einmal vor Augen führen: Wir brauchen für unser eigenes Sicherheitsverständnis auch eine Investition in den gemeinsamen Klimawandelaktionsplan, den wir ja in Paris 2015 verabschiedet haben.
Das Interview führten Elisa Miebach und Winnie Heescher.

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