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Niederlage vor OLG:Bauer vs. RWE: Peruaner scheitert mit Klima-Klage
von Birgit Franke, Svenja Kantelhardt
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Der Prozess löste weltweit Beachtung aus: Ein Bauer aus Peru klagte gegen den Energiekonzern RWE. Nun wies das Oberlandesgericht Hamm die Klage ab - wie es das Urteil begründet.
Es klang verrückt, als Rechtsanwältin Roda Verheyen mit dem peruanischen Bauern Saúl Lliuya im Herbst 2015 Klage am Landgericht Essen gegen RWE einreichte. Ihre Forderung: Der Energiekonzern RWE solle sich als einer der größten CO2-Emittenten Europas an Schutzmaßnahmen für einen in Peru liegenden Gletschersee und an Schutzmaßnahmen für das Haus von Lliuya beteiligen.
Heute verkündete das Oberlandesgericht (OLG) Hamm: Die Berufung wird zurückgewiesen, eine Revision nicht zugelassen. Damit ist die Klima-Klage des Landwirts gegen RWE endgültig gescheitert.
Klimawandel: Die Lage in den peruanischen Anden
Hintergrund: Lliuya ist Bauer und Bergführer in Huaraz, einer Stadt in den Anden mit 50.000 Einwohnern. Der 45-Jährige sieht seit vielen Jahren, dass der Gletschersee Palcacocha, der 1.500 Meter oberhalb der Stadt liegt, ständig steigt.
Grund dafür ist der menschengemachte Klimawandel, der den Gletscher schmelzen lässt. Die Verwaltung der Provinz Huaraz hat schon 2011 Abflussrohre legen lassen, die den Seespiegel absenken konnten.
Doch die Gefahr besteht, dass Lawinen und Geröll abgehen und dadurch eine Flutwelle oder Schlammlawine ausgelöst wird, die nicht mehr aufgehalten werden kann. Diese könnte Huaraz überschwemmen. Im Vergleich zu 1970 ist das Volumen des Sees 34 Mal größer geworden.
Gericht: Konkrete Gefahr nicht hoch genug
"Die Situation in den Bergen ist sehr dramatisch", sagt Saúl Lliuya. "Es ist sehr bedauerlich, sehr traurig, was dort passiert." Die Gefahr von Überschwemmungen habe Auswirkungen auf die Landwirte.
Wir sind sehr besorgt über die Wasserproblematik. Deshalb bin ich hier und fordere, dass das alles aufhört.
Saúl Lliuya, Kläger
Doch nach Ansicht des Gerichts sei das Haus des Bauern nicht ausreichend stark vom Klimawandel gefährdet: Der Gerichtsgutachter schätzte das Risiko einer Flutwelle in den kommenden 30 Jahren auf ein Prozent. Das rechtfertige keine weitere Beweisaufnahme. Damit wird sich das Gericht auch nicht mehr mit dem Anteil von RWE an den Klimarisiken auseinandersetzen.
Saúl Lliuya und seine Anwältin Roda Verheyen, die von Germanwatch und der Stiftung Zukunftsfähigkeit unterstützt werden, hatten in ihrer Klage einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch geltend gemacht und dadurch rechtliches Neuland beschritten.
Bereits in der ersten Instanz am Landgericht Essen verloren sie. Das Gericht begründete dies unter anderem mit einem fehlenden rechtlichen Zusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoß von RWE und der möglichen Überschwemmung des Hauses des Klägers. Einen möglichen naturwissenschaftlichen Zusammenhang schloss das Gericht aber nicht aus.
RWE: Klage gesellschaftspolitisch "falscher Weg"
Das Oberlandesgericht Hamm hingegen überraschte viele im November 2017, als es sich entschied, in die Beweisaufnahme zu gehen. Die Kläger hätten den Entschädigungsanspruch schlüssig begründet, so das Gericht.
Denn: Auch wenn RWE rechtmäßig handelt, müsse der Konzern für von ihm verursachte Eigentumsbeeinträchtigungen haften. Das Gericht ordnete an, dass ein Sachverständigen-Team zu offenen Fragen ein Gutachten erstellt. 2022 kam es sogar zu einer Ortsbesichtigung in Huaraz und an dem Gletschersee mit den Sachverständigen und dem Gericht.
Das Energieunternehmen RWE sagte ZDFheute, man habe sich immer an die geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehalten.
Wenn ein solcher Anspruch nach deutschem Recht bestehen würde, könnte auch jeder Autofahrer haftbar gemacht werden. Wir halten dies für rechtlich unzulässig und auch gesellschaftspolitisch für den falschen Weg.
RWE-Sprecher
Lösungen für das globale Problem des Klimawandels sollten zukunftsorientiert auf staatlicher und zwischenstaatlicher Ebene entwickelt werden, nicht rückwirkend durch Gerichte, so der Konzern.
Kläger: Durch Verfahren Rechtsgeschichte geschrieben
Auch wenn die Kläger nun schließlich unterlagen: Für die Umweltschutzorganisation Germanwatch hat die Klage trotzdem Rechtsgeschichte geschrieben.
Es handelt sich um die weltweit einzige Klage auf unternehmerische Haftung für Klimarisiken, die es in die Beweisaufnahme geschafft hat.
Germanwatch
Auch die Anwältin des Klägers äußerte sich bereits im Vorfeld der Verhandlung zufrieden angesichts der Signalwirkung: "Selbst wenn wir heute verlieren, haben wir nicht verloren."
Birgit Franke und Svenja Kantelhardt sind Redakteurinnen in der Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: dpa
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