Arbeitgeber warnen: Was die Mindestlohnerhöhung bedeutet
Analyse
Arbeitgeber warnen vor Risiken:Mindestlohn wird erhöht - was das bedeutet
von Sina Mainitz
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Die Mindestlohnkommission hat die größte Erhöhung seit Einführung beschlossen. Was das für Jobs, Preise und die Wirtschaft bedeutet.
Was bedeutet die Mindestlohnerhöhung für die Wirtschaft? (Symbolfoto)
Quelle: Imago
"Das ist keineswegs trivial, was ein Unternehmen da jetzt schultern muss", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur geplanten Erhöhung des Mindestlohns. Er nennt es "einen Kompromiss mit Augenmaß", was die Mindestlohnkommission da beschlossen hat.
Rund sechs Millionen Beschäftigte, zum Beispiel im Handel, der Gastronomie, Logistik- oder Reinigungsbranche, bekommen mehr Geld. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland von derzeit 12,82 Euro soll in zwei Schritten bis zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro pro Stunde steigen. Zunächst soll die Lohnuntergrenze Anfang 2026 auf 13,90 Euro angehoben werden.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen die deutsche Wirtschaft womöglich das dritte Jahr in Folge kein Wachstum erzielen kann, waren es lange und zähe Verhandlungen.
Die Kommission hat entschieden, dass der Mindestlohn bis zum 1. Januar 2027 in zwei Schritten auf 14,60 Euro steigen soll. Die SPD hat signalisiert dem Vorschlag zuzustimmen.27.06.2025 | 1:48 min
SPD-geführtes Arbeitsministerium verkauft Erhöhung als Erfolg
Mit ihrer einstimmigen Empfehlung blieb die Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften deutlich unter der Ankündigung der SPD, der Mindestlohn werde schon 2026 auf 15 Euro steigen. Das Arbeitsministerium erklärte nun, der Mindestlohn steige um insgesamt 13,88 Prozent:
Das ist die größte sozialpartnerschaftlich beschlossene Lohnerhöhung seit Einführung des Mindestlohns.
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Arbeitsministerium
Das sehen nicht alle so. Nur zähneknirschend wird das Ergebnis von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), akzeptiert: "Die Entscheidung der Mindestlohnkommission gegen eine Erhöhung des Mindestlohns auf das von der neuen Bundesregierung angepeilte Niveau von 15 Euro ist eine verpasste Chance", sagt er.
Ein höherer Mindestlohn würde nicht nur Millionen Beschäftigten helfen, sondern auch die Produktivität steigern, faire Wettbewerbsbedingungen fördern und den Arbeitsmarkt attraktiver machen - angesichts des akuten Arbeitskräftemangels gerade auch für Menschen aus dem Ausland.
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Marcel Fratzscher, Präsident des DIW
Fratzscher weiter: "Der Mindestlohn ist kein Hemmschuh, sondern ein Instrument für mehr soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität."
Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns vor zehn Jahren ist er von 8,50 Euro auf aktuell 12,82 Euro erhöht worden. Eine Anhebung auf 15 Euro wäre ein Plus von 17 Prozent. Problem oder Lösung?27.06.2025 | 2:39 min
Ökonom: Mindestlohn führt nicht zu Jobverlusten
Inzwischen gibt es den Mindestlohn in Deutschland seit zehn Jahren und genauso lange werden hitzige Debatten um ihn geführt. Immer wieder werden drohende Jobverluste durch höhere Lohnkosten angeführt, immer häufiger stehen höheren Löhnen mehr Kaufkraft und das Ankurbeln der Wirtschaft gegenüber.
Der kanadische Ökonom David Card gilt als "Mr. Mindestlohn". Er untersuchte vor Jahren den Zusammenhang zwischen Mindestlohn und Arbeitsplatzabbau im Niedriglohnsektor. Zusammen mit seinem Kollegen Alan Krueger stellte er fest, dass eine Erhöhung des Mindestlohns in New Jersey nicht zu Jobverlusten in der Fast-Food-Industrie führte, wie oftmals angenommen.
Für seine Arbeit im Bereich Arbeitsökonomie bekam Card zusammen mit zwei Kollegen 2021 den Wirtschaftsnobelpreis. David Cards Forschungen haben einen bedeutenden Einfluss auf die aktuelle Debatte in Deutschland.
Der Verband hat beim Bauerntag Lockerungen etwa bei Tierschutz- und Umweltvorgaben gefordert. Agrarminister Rainer hat bereits Ausnahmen vom Mindestlohn in den Raum gestellt.26.06.2025 | 1:20 min
Forschung nicht direkt auf Deutschland übertragbar
Doch eins zu eins übertragen lassen sich seine Ergebnisse nicht auf den heimischen Arbeitsmarkt. So sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank dem ZDF:
Die Anzahl der Jobs im Mindestlohnbereich ist in den letzten drei Jahren von circa 2,5 Millionen auf 1,4 Millionen zurück gegangen.
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Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank
Führt der Mindestlohn hierzulande am Ende doch zu weniger Beschäftigung? So einfach ist es offenbar nicht, deshalb ist es auch ein langwieriger Prozess, bis die Mindestlohnkommission ihre Entscheidung fällt.
David Card räumt ein: "Der deutsche Mindestlohn ist seltsam". Er sieht es kritisch, eine Mindestlohn-Höhe im Gesetz festzuschreiben. Das sei immer eine schlechte Idee, weil man nie wisse, wie sich die Dinge entwickeln. In der "Süddeutschen Zeitung" begründete Card seine Position:
Falls der Arbeitsmarkt in Not gerät, möchte man den Mindestlohn vielleicht ein paar Jahre stagnieren lassen, bis die Lage sich wieder entspannt hat.
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David Card, kanadischer Ökonom
Für junge Menschen könnte der erhöhte Mindestlohn zur Falle werden. 02.05.2025 | 1:23 min
Zehn Mindestlohnerhöhungen in zehn Jahren
Von Stagnation beim Mindestlohn kann in Deutschland keine Rede sein. In zehn Jahren gab es zehn Erhöhungen. 2015 startete er bei seiner Einführung bei 8,50 Euro. Heute liegt er bei 12,82 Euro.
Ganz anders sieht die Entwicklung des Wirtschaftswachstums aus. Lag das Bruttoinlandsprodukt 2015 noch bei einem Plus von 1,7 Prozent verglichen zum Vorjahr, schlagen die Jahre 2023 und 2024 mit 0,3 bzw. 0,2 Prozent Minus zu Buche. Nicht allein deshalb sieht Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Interessenverbandes "Die Familienunternehmer", die jüngste Erhöhung kritisch:
Es ist zu befürchten, dass einigen Unternehmen turbulente Zeiten bevorstehen - zumal die Erhöhung zum Jahresanfang 2027 einen wirtschaftlichen Aufschwung voraussetzt, der aktuell noch nicht erkennbar ist.
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Marie-Christine Ostermann, Präsidentin von "Die Familienunternehmer"
Deutsche Wirtschaft wartet sehnsüchtig auf Aufschwung
Nach Jahren des Jammerns wartet die deutsche Wirtschaft sehnsüchtig auf diesen Aufschwung. Unter anderem soll es der von der Bundesregierung beschlossene sogenannte Investitions-Booster von 500 Milliarden Euro richten.
Der Bundestag hat ein milliardenschweres Steuerpaket zur Entlastung von Unternehmen beschlossen. Ob und wie das Paket die Wirtschaft ankurbeln kann, ordnet Frank Bethmann ein.26.06.2025 | 1:04 min
Doch mehr Geld - sei es nun in puncto Investitionspaket oder in puncto Mindestlohn - wirkt sich auch auf die Preise aus. Dazu nochmal Ulrich Kater: "Die Inflation wird durch eine Steigerung des Mindestlohnes indirekt angeheizt: Denn in der Vergangenheit sind bei einer Erhöhung des Mindestlohns stets alle anderen Lohngruppen angehoben worden, um einen Abstand zu wahren."
Das löst einen allgemeinen Lohndruck aus, der sich wiederum auf die Preisentwicklung auswirkt.
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Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank
Entscheidend wird nun vor allem eins sein: Dass die Rechnung rund um den höheren Mindestlohn aufgeht - sprich: dass der wirtschaftliche Aufschwung kommt und die höheren Löhne von den Unternehmen geschultert werden können. Nur dann ist es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Win-Win-Situation.
Sina Mainitz ist Redakteurin im Team Wirtschaft und Finanzen.