Rettung von Firmen immer schwerer:Insolvenzwelle rollt durch die Wirtschaft
von Kai Dietrich, Max Schwarz, Mario Shabaviz
Rund 22.000 Unternehmen könnte bis Jahresende das Aus für immer treffen. Das wäre ein trauriger Höchststand. In der Industrie gehen so monatlich rund 10.000 Arbeitsplätze verloren.
Die deutsche Industrie verliert an Stärke: Produktion sinkt, Aufträge bleiben aus, Arbeitsplätze verschwinden. Was bedeutet die Deindustrialisierung für die Zukunft des Standorts Deutschland?
01.12.2025 | 4:31 minNach 125 Jahren kommt zum Jahresende das Aus für Werkzeugbau Laichingen. Nach und nach müssen sich die einst 100 Beschäftigten von der insolventen Firma verabschieden. Schwere Momente für die Mitarbeiter.
Ich bin jetzt hier 39 Jahre und heute ist mein letzter Arbeitstag und mein Bruder ist auch hier, der ist 40 Jahre dabei, der hat schon vor ein paar Wochen seinen letzten Arbeitstag gehabt.
Bernd Mangold, verliert seinen Arbeitsplatz
Mit Eintritt in die Transfergesellschaft bleiben ihm und den anderen fünf Monate Zeit, einen neuen Job zu finden. Obwohl sie als qualifizierte Fachkräfte gefragt sind, ist unklar, ob alle schnell wieder gleich gut bezahlte Arbeit finden. Und so könnten einige qualifizierte Arbeitsplätze auch für immer verloren gehen.
Die deutsche Wirtschaft schlägt Alarm und richtet deutliche Worte an die Bundesregierung. Der BDI-Chef mahne Strukturreformen an, berichtet ZDF-Börsenexpertin Valerie Haller.
02.12.2025 | 1:33 minExperten sehen dramatische Lage
In Stuttgart war Martin Mucha als Insolvenzverwalter für Werkzeugbau Laichingen bestellt. Wie immer war sein Hauptziel auch hier, das Unternehmen gestärkt aus der Insolvenz zu führen. Sei es durch eine Übernahme oder den Einstieg eines Investors. Doch allen Bemühungen zum Trotz gelang das nicht. Immer häufiger erlebe er das.
Ich bin in vielen Verfahren, hier vor allem in der Region, aber deutschlandweit aktiv und habe noch nie so viele Schließungen durchführen müssen in den 25 Jahren wie zurzeit.
Martin Mucha, Insolvenzverwalter
Auch weitere Insolvenzverwalter sprechen gegenüber "WISO" von gescheiterten Bemühungen, Unternehmen erfolgreich aus der Insolvenz zu führen. Die Aussage, noch vor ein paar Jahren wäre eine Übernahme durch andere Unternehmen oder der Einstieg eines Investors sehr wahrscheinlich gewesen, hören wir dabei mehrfach.
Der Zollstreit mit den USA und die chinesische Konkurrenz in der Autobranche - das deutsche Geschäftsmodell sei unter Druck, so Wirtschaftsökonom Michael Hüther.
02.12.2025 | 2:42 minInzwischen sei das ganz anders, betont auch Insolvenzverwalter Mucha: Einen Schwerpunkt gebe es im Bereich Automotive. "Aber auch im Maschinenbau haben wir größte Probleme und haben hier auch tatsächlich richtig zu kämpfen und finden eigentlich ganz schwierig nur noch Lösungen." Und so sei es nach seinem Eindruck eine regelrechte "Deindustrialisierung, die landauf, landab" stattfinde, sagt Mucha.
Ein Herbst der Reformen sollte die Wirtschaft stärken, das hat die Bundesregierung versprochen. Doch was wurde bisher tatsächlich umgesetzt? Und helfen die Reformen wirklich allen Unternehmen?
01.12.2025 | 4:09 minDIHK erwartet 22.000 Insolvenzen für 2025
Wie dramatisch die Lage quer durch die Branchen ist, kommentiert die DIHK so:
Wir rechnen mit Insolvenzen für dieses Jahr über die gesamte Wirtschaft von circa 22.000.
Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin der DIHK
Das sei ein Höchstwert seit über zehn Jahren, sagt Helena Melnikov, DIHK-Hauptgeschäftsführerin. "Und wir haben davon alleine 2.000 (in der) Industrie, mit denen wir noch bis Jahresende in Summe rechnen."
Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Konkret zeigt sich das auch in der Autobranche, z.B. an den Zahlen von Mercedes-Benz. Der Autohersteller meldet ein dickes Minus beim Gewinn.
30.07.2025 | 2:05 minArbeitsplatzverluste in großem Stil
Nicht jeder Arbeitsplatz geht bei einer Insolvenz mit Liquidation verloren, immer wieder finden gekündigte Beschäftigte anschließend auch neue Jobs. Dennoch spricht allein der Verband Gesamtmetall, der für Arbeitgeber in der Metall- und Elektroindustrie steht, von rund 10.000 Industriearbeitsplätzen, die zurzeit Monat für Monat verloren gingen.
Bundeskanzler Merz hat zu einem Stahlgipfel ins Kanzleramt geladen. Die Stahlindustrie steht erheblich unter Druck und erhofft sich Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen.
06.11.2025 | 3:42 minUnd viele weitere seien in Gefahr: "Die Lage der deutschen Metall- und Elektroindustrie ist dramatisch", sagt Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Verbands Gesamtmetall. Die Industrie befinde sich im zehnten Rezessionsquartal.
Wir haben seit 2018 bereits 250.000 Arbeitsplätze verloren. Und wir müssen davon ausgehen, dass es nochmal bis zu 150.000 sein könnten bis Ende nächsten Jahres.
Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer Verband Gesamtmetall
Die schwierige Zeit nach der Pandemie, der Konkurrenzdruck aus China - inzwischen auch in traditionell starken deutschen Domänen wie dem Maschinenbau -, die Kostensituation in Deutschland, bei zugleich gesunkenen Bedarfen, etwa aus der Autoindustrie: All diese Faktoren sorgen mit dafür, dass immer mehr Unternehmen aufgeben müssen. Oder Arbeitsplätze abbauen. Schnelle Besserung ist hier vorerst nicht in Sicht.
Kai Dietrich und Mario Shabaviz sind Redakteure und Reporter bei "WISO", Max Schwarz ist Reporter im ZDF-Landesstudio Baden-Württemberg.
Mehr zum Thema Industrie
Kaum Wachstum im Süden:Deutsche Wirtschaft: Wie sich die Landkarte dreht
von Paul Mangermit Video2:52Industriestrompreis reicht nicht:Chemie- und Pharmabranche fordert mehr Entlastungen
von Eva Schmidt und Sybille Schultzmit Video0:24NRW-Ministerpräsident vor "Stahlgipfel":Wüst: Industriestrompreis muss schnellstmöglich kommen
mit Video1:36