Chinas CO2-Emissionen sinken erstmals trotz höherem Verbrauch

Trotz wachsendem Stromverbrauch:Chinas CO2-Emissionen sinken überraschend

ZDFheute Update - Jan Schneider
von Jan Schneider
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Chinas CO2-Emissionen sinken erstmals trotz wachsender Stromnachfrage - dank Wind, Sonne und Atomkraftwerken. Trotzdem ist fraglich, ob China die Pariser Klimaziele erreichen kann.

Eine Luftaufnahme zeigt Solarmodule neben Rapsfeldern in einem Dorf in Taizhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu.
China investiert stark in erneuerbare Energien - auch Solaranlagen werden in großer Zahl gebaut.
Quelle: AFP

China ist der weltweit größte Energieverbraucher - getrieben von rasantem Wirtschaftswachstum, Industrialisierung und einer Bevölkerung von über 1,4 Milliarden Menschen. Jahrzehntelang stützte sich das Land auf Kohle, um seinen gewaltigen Strombedarf zu decken. Doch es hat ein Wandel begonnen: Im ersten Quartal 2025 ist Chinas Ausstoß von CO2 erstmals gesunken, obwohl die Stromnachfrage weiter gestiegen ist.
Der Ausstoß sank im Vergleich zum Vorjahresquartal um 1,6 Prozent, wie Lauri Myllyvirta, Analyst am Forschungszentrum für Energie und saubere Luft (Crea) aus Finnland, am Donnerstag mitteilte. Derartige Rückgänge hatte es in der Vergangenheit bereits gegeben, allerdings waren diese konjunkturell bedingt, etwa wegen eines Einbruchs des Strombedarfs während der Corona-Pandemie oder durch die Finanzkrise 2009.
Wie sich der CO₂-Ausstoß seit 1990 entwickelt hat

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Diesmal gab es einen Rückgang trotz eines Anstiegs der Gesamtstromnachfrage um 2,5 Prozent im ersten Quartal, erklärte Myllyvirta.

Das Wachstum der sauberen Energieerzeugung übersteigt nun das durchschnittliche, aktuelle und langfristige Wachstum der Stromnachfrage und verringert so die Nutzung fossiler Energieträger.

Lauri Myllyvirta, Forschungszentrum für Energie und saubere Luft (Crea)

Es sei also das erste Mal, "dass ein solcher Rückgang hauptsächlich auf das Wachstum der sauberen Stromerzeugung zurückzuführen ist".

CO2-Ausstoß gesunken: Wie hat China das geschafft?

China investiert massiv in erneuerbare Energie. Seine installierte Leistung an Wind- und Solaranlagen ist doppelt so hoch wie die aller anderen Länder zusammen. Nach Berechnungen des Crea verursachte die chinesische Stromerzeugung nun im ersten Quartal 5,8 Prozent weniger Emissionen - und das, obwohl der Stromverbrauch im gleichen Zeitraum um 2,5 Prozent gestiegen ist.
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Chinesischer High-Tech dominiert weltweit. Sei es KI, Robotik, oder Elektromobilität – in unzähligen Zukunftstechnologien ist die Volksrepublik führend oder hat einen Vorsprung.16.04.2025 | 17:59 min
Die sehr CO2-intensive Kohle spielt zwar weiterhin eine wichtige Rolle im chinesischen Energiemix, die Stromerzeugung aus fossilen Quellen ging aber um 4,7 Prozent zurück. Der Anteil erneuerbarer Energien nahm dagegen deutlich zu. Modernisierungsmaßnahmen zur Effizienzsteigerung in Kohlekraftwerken trugen ebenfalls dazu bei, dass die Emissionen gesunken sind. Dabei ist auch zu bemerken, dass China auch Atomenergie als erneuerbare Stromquelle einstuft und ausbaut.
In anderen Sektoren stiegen die Emissionen jedoch noch. Besonders in der Chemie- und Metallindustrie nahm der Kohleeinsatz zu. Der Bau- und Immobiliensektor schwächelte dagegen, daher sinkt der Zementverbrauch leicht.

Elisabeth Schmidt

"Du ziehst nach Peking? Da ist doch die Luft so schlecht!" Das habe ich oft gehört, als ich Ende 2022 meine Korrespondenten-Stelle in Peking angetreten bin. Natürlich kannte auch ich die Fernsehbilder: dicke gelb-orange Smog-Schwaden hingen regelmäßig über den Straßen von Chinas Hauptstadt. Man konnte kaum 20 Meter weit sehen. Meine Kollegen hatten mir bei meiner Ankunft erzählt, dass ihre Kinder auf dem Spielplatz des Kindergartens immer Masken tragen mussten. Keine zehn Jahre ist das her. Heute ist der Himmel über Peking meistens blau, Smog-Tage kann man an einer Hand abzählen.

Was mich in Peking auch fasziniert: Wie ruhig diese 20-Millionen-Einwohner-Stadt doch ist! Dafür braust jeden Tag eine gigantische Welle von E-Scootern über die Straßen, die Taxis und Busse sind elektrisch, knapp die Hälfte aller neu zugelassenen PKW sind es auch. Für Verbrenner - egal ob PKW, LKW oder Motorrad - gibt es tageweise Fahrverbote und strenge Regulierungen.

Verlässt man Chinas Hauptstadt Richtung Norden, Richtung Innere Mongolei, fallen bald die mit unzähligen Solarpaneelen gepflasterten Berge auf. Auch in Chinas Wüsten stehen heute massive Solarfarmen, an den Küsten fallen sofort die vielen Windräder auf. Daneben baut China auch neue Atomkraftwerke. Zur Wahrheit gehört, dass die Volksrepublik weiter auch auf Kohlekraftwerke setzt und dass der Pekinger Smog teilweise in andere Gebiete "verlegt" wurde, weil Kohlekraftwerke weiter in den Norden umgesiedelt wurden. Doch insgesamt geht der Ausbau der Erneuerbaren hier rasant voran.

- Elisabeth Schmidt, Korrespondentin im ZDF-Studio Peking

Wendepunkt oder nur Momentaufnahme?

Ob Chinas Emissionen ihren Höhepunkt überschritten haben, bleibt offen: Der Ausstoß liegt derzeit nur ein Prozent unter dem bisherigen Höchststand. Entscheidend wird sein, ob der Ausbau sauberer Energie anhaltend stärker wächst als der Strombedarf, so die Analyse der finnischen Forscher. Derzeit deutet vieles darauf hin: 2025 werden erneut Rekordwerte beim Zubau von Wind- und Solarkapazitäten erwartet.
Eine Rolle könnten dabei auch die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle spielen: Diese führten zu einem Rückgang der Industrieexporte, was die Emissionen ebenfalls kurzfristig gesenkt hat. Peking reagiert darauf mit Konjunkturmaßnahmen, die stärker auf Binnenkonsum und saubere Technologien abzielen sollen. Dies könnte den langfristigen Energieverbrauch Chinas senken.
SGS Bethmann Gause
Chinas Staatschef Xi Jinping hat inmitten des Handelskonflikts mit den USA vor Vorständen internationaler Konzerne für sein Land geworben. Dazu ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann.28.03.2025 | 1:50 min

Klimaziele trotzdem in Gefahr

Trotz positiver Entwicklungen verfehlt China derzeit seine Klimaziele: Peking hatte sich im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet, seine CO2-Intensität - also die Emissionen pro Einheit Wirtschaftsleistung - bis 2030 deutlich zu senken. Konkret sollte dieser Wert bis 2025 spürbar sinken, um das 2030-Ziel noch erreichbar zu machen. Doch die Realität sieht anders aus: Zwischen 2020 und 2023 kam der Fortschritt fast zum Stillstand. Auch im Jahr 2024 lag der Rückgang der CO2-Intensität mit 3,4 Prozent deutlich unter dem Tempo, das notwendig wäre.

Das Pariser Klimaabkommen hat das Ziel, die Erderwärmung auf klar unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit - und möglichst auf nur 1,5 Grad - zu begrenzen. Damit sollen die schlimmsten Folgen der Klimakrise vermieden werden - etwa häufigere und heftigere Hitzewellen, Dürren, Waldbrände sowie Unwetter und Überschwemmungen.

Quelle: dpa

Für 2025 hat die chinesische Regierung erstmals kein konkretes Ziel zur CO2-Intensität mehr im Regierungsplan verankert - ein deutliches Zeichen, dass das Thema aktuell keine politische Priorität genießt.
Selbst wenn die Emissionen nun kurzfristig leicht fallen, erlaubt die derzeitige Zielsetzung offiziell noch bis Ende des Jahrzehnts steigende Gesamtemissionen. Die übergeordneten "Dual-Carbon"-Ziele - ein Emissionspeak vor 2030 und Klimaneutralität bis 2060 - reichen daher allein nicht aus, um Chinas Paris-Verpflichtung zu erfüllen.
heute journal - der Podcast mit Helene Reiner und Christian Sievers
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit - warum es für Klimaschutz noch nicht zu spät ist.18.04.2025 | 42:29 min

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