Arbeit in Teilzeit wird beliebter, trotz Wirtschaftsschwäche

Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt:Teilzeit-Arbeit wird beliebter, trotz Wirtschaftsschwäche

von Sybille Schultz und Anne Sophie Feil
|

Der Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt. Die Industrie baut massiv Stellen ab. Gleichzeitig sehnen sich immer mehr Beschäftigte nach Entlastung. Arbeitgeber müssen reagieren.

29.04.2021, Berlin: Eine Mutter arbeitet am Küchentisch während ihre Tochter gegenüber in ein Tablet guckt.

In Deutschland wünschen sich immer mehr Menschen einen Teilzeitjob. Laut einer Studie der HDI-Versicherung geht es vor allem Jüngeren um eine gute "Work-Life-Balance".

30.09.2025 | 1:30 min

Trotz leichtem Rückgang der Arbeitslosigkeit im September bleibt die Lage auf dem Arbeitsmarkt angespannt. Zwar sind im Vergleich zu August wieder mehr Menschen in Arbeit, im saisonbereinigten Vergleich zu September vergangenen Jahres sind allerdings 148.000 Menschen mehr ohne Job.

Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), warnt, im Winter könne die Zahl der Arbeitslosen saisonbedingt weiter steigen.

Harter Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt

Gleichzeitig verlieren viele Beschäftigte in Schlüsselbranchen ihre Jobs. In der Autoindustrie und bei Zulieferern geht es um zehntausende Stellen. Allein Bosch und ZF kündigten zusammen über 25.000 Streichungen an. Auch im Maschinenbau und der Chemie sind tausende Jobs gefährdet.

Bei Lufthansa sollen bis 2030 rund 4.000 Verwaltungsstellen wegfallen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnt, dass rechnerisch bereits fünf Arbeitsuchende auf jede offene Stelle kommen. Neue Jobs sind also knapp.

So viele sind arbeitslos

ZDFheute Infografik

Ein Klick für den Datenschutz

Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.

Beschäftigte wollen kürzer treten

Parallel zu dieser Entwicklung zeigt sich ein Wandel in den Erwartungen der Arbeitnehmer. Einer Studie der HDI-Versicherung zufolge möchten 53 Prozent aller Vollzeitkräfte ihre Arbeitszeit reduzieren - so viele wie nie zuvor.

Der Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst sieht darin ein Signal: Die Bereitschaft, Belastungen und Konflikte einfach hinzunehmen, sinkt. Gründe sind unter anderem steigende Anforderungen durch Digitalisierung. Auch fehlende Kinderbetreuung verstärkt den Druck.

Gleichzeitig, so Eichhorst, etabliere sich auch die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu verhandeln und durch geringeres Gehalt oder einen Stellenwechsel zu realisieren.

Martin Brambach in der fiktiven Rolle des Versicherungskaufmanns Schrader hinter der ZDF-Journalistin Sarah Tacke

Spitzenverdiener vs. Niedriglöhner: Die Doku fragt, wie gerecht Gehälter verteilt sind – und warum Transparenz fehlt. Wer verdient viel, wer viel zu wenig?

02.09.2025 | 43:38 min

Der Extremfall Pflege

Die Auswirkungen dieses Teilzeit-Booms sind im Dienstleistungssektor, der im Gegensatz zur Industrie Arbeitsplätze schafft, ein Problem. Das ist besonders im Gesundheitswesen, zum Beispiel dem St. Elisabeth-Krankenhaus Köln, stark zu spüren. Dort arbeiten inzwischen zwei Drittel der Pflegekräfte in Teilzeit.

Auch Krankenpfleger Fedja Schoenberg aus der Notaufnahme hat seine Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert. Er begründet diesen Schritt mit der hohen Belastung im Dreischichtsystem. Die sozialen Abstriche sind ihm zu hoch. Ihm ist seine psychische Gesundheit wichtiger und der Ausgleich trage dazu bei, länger gesund zu bleiben.

Das Geld, das man da mehr verdient, das investiere ich lieber in die Zeit mit Freunden und Familie und Sport.

Fedja Schoenberg, Krankenpfleger in der Notaufnahme

Arbeitgeber unter Druck

Angesichts knapper Fachkräfte wächst also der Druck auf Unternehmen, Arbeitsplätze attraktiver zu machen. Eichhorst betont, dass es dabei nicht nur ums Gehalt gehe. Auch Entwicklungsmöglichkeiten und ein hohes Maß an Selbstbestimmung seien relevant.

Arbeit wird natürlich attraktiv, wenn sie angemessen bezahlt ist. Aber auch durch Wertschätzung, die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Prof. Werner Eichhorst, Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit

Eichhorst mahnt: Wer vorübergehend kürzertreten wolle, solle dies tun können, ohne Nachteile zu befürchten. "Es ist immer noch besser, jemanden in Teilzeit einige Jahre zu halten, als ihn ganz zu verlieren", so Eichhorst.

Das trage auch dazu bei, frühzeitigen psychischen oder körperlichen Verschleiß zu vermeiden, was sowohl im Interesse der Beschäftigten als auch der Arbeitgeber sei.

Yannis Berkard ist arbeitslos, auf den sozialen Plattformen zelebriert er seinen Alltag als Bürgergeldempfänger und bekommt dadurch tausende Aufrufe.

Seit einem halben Jahr ist der 25-jährige Yannis Berkard aus Hannover arbeitslos. Auf TikTok und Instagram zeigt er seinen Alltag als Bürgergeldempfänger und bekommt dadurch tausende Klicks.

05.08.2025 | 4:03 min

Mehr zum Thema Arbeitsmarkt

  1. (Symbolbild) Menschenmenge.

    Arbeitsmarkt unter Druck:Drei Millionen ohne Job: Was dahinter steckt

    von Anne Sophie Feil und Christian Hauser
    mit Video

  2. Symbolbild: Eine Frau füllt ein Antragsformular auf Kurzarbeitergeld aus.

    Strukturkrise:Kurzarbeit: Fluch oder Segen?

    von Valerie Haller und Dennis Berger
    mit Video

  3. Zwei Männer stehen vor einer Informationstafel im Jobcenter Berlin Treptow-Köpenick.

    Schwierige Jobsuche:Arbeitslos trotz offener Stellen

    von Anja Kollruß und Nico Schmolke
    mit Video