Experten-Bericht: Strukturelle Probleme beim Dressurreiten

Pferdewohl in Reit-Disziplinen:Experten-Bericht: Strukturelle Probleme beim Dressurreiten

von Katharina Weisgerber

|

Beim internationalen Reitturnier in Stuttgart haben Reitsport-Experten die Starts in vier Disziplinen unter die Lupe genommen. Fazit: Für das Pferdewohl muss mehr getan werden.

Dressur Weltcup in Stuttgart (Symbolbild)

Beim Weltcup in Stuttgart analysierten Experten den Umgang mit den Pferden.

Quelle: dpa

"Pferdesport kann nur dann zukunftsfähig sein, wenn er die Perspektive des Pferdes kompromisslos mitdenkt", so beginnt der Bericht der Initiative R-haltenswert, die sich für Pferdewohl und ethischen Umgang mit den Tieren einsetzt.

Dazu haben 20 unabhängige Experten aus den Bereichen Reitausbildung, Tiermedizin, Bewegungsanalyse, Ethik und Richterwesen beim internationalen Reitturnier in Stuttgart vor zwei Wochen die Starts beim Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitsreiten sowie im Gespannfahren analysiert und jetzt in einem umfangreichen Report veröffentlicht.

"Der Reflection-Report versteht sich als Impulsgeber", sagt André Hascher von R-haltenswert.

Er möchte Orientierung geben, den Status quo des Sports sichtbar machen und aufzeigen, wie Sport, Ausbildung und Pferdewohl noch besser miteinander verbunden werden können.

André Hascher von R-haltenswert

Christian Kukuk aus Deutschland auf seinem Pferd Cepano Baloubet.

Aufgrund einer kritikwürdigen Praktik im Training ist Olympiasieger Christian Kukuk in die Kritik geraten. Er entschuldigte sich nun.

17.11.2025 | 1:35 min

"Die Pferde sind grundsätzlich motiviert"

Dem Bericht zufolge besitzt der Pferdesport in allen beobachteten Disziplinen eine gemeinsame zentrale Stärke: Die Sportpferde zeigten sich motiviert und kooperativ, ihre Reiter würden überwiegend verantwortungsvoll, strukturiert und konzentriert mit ihren Tieren umgehen.

"Gleichzeitig machen die Ergebnisse sichtbar, dass es in den Disziplinen deutliche Unterschiede gibt, in den strukturellen Anforderungen und den mentalen Kontexten, in denen Pferd und Mensch agieren", schreiben die Autoren.

Start trotz Blutspuren möglich
:Springreiten: Lockerung der "Blut-Regel" beschlossen

Künftig dürfen Pferde auch dann weiter im Wettbewerb bleiben, wenn bei ihnen Blut sichtbar ist. Das hat die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) mehrheitlich beschlossen.
mit Video2:22
Sporn an einem Reiststiefel und Steigbügel

Während im Springen und der Vielseitigkeit überwiegend harmonisches und pferdegerechtes Reiten gezeigt wurde, litt das Gespannfahren u.a. an der Showatmosphäre (Licht, Applaus) in der Halle. Laut Report sind im Fahrsport die größten Herausforderungen systemimmanent in der Mehrpferde-Anspannung, der engen Linienführung und den starken Umgebungsreizen festzumachen.

Pferde beim Dressurreiten oft gestresst

"Die Dressur biete ein besonders relevantes Entwicklungsfeld", formuliert der Expertenbericht. Da Pferde keine Laute von sich geben, waren die Experten auf die Beobachtung von körperlichem Konfliktverhalten während des Reitens angewiesen: Kopfhaltung deutlich hinter der Senkrechten, Maulöffnen, Schweifschlagen, sichtbare Zunge oder auch weit aufgerissene Augen. Der Bericht spricht von weit verbreitetem Konfliktverhalten und erhöhter innerer Spannung während der Prüfungsritte.

Martin Richenhagen, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN

Martin Richenhagen, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN, erläutert im Interview mit ZDF-Reporter Hermann Valkyser seine Einstellung zur Blut-Regel im Springreiten.

05.11.2025 | 8:27 min

"Ich glaube, dass die Spannung Teil des Systems im Dressursport ist und als 'Ausdruck' fehlinterpretiert wird. Und das zeigt sich dann als Konfliktverhalten und führt zu den nicht so schönen Bildern", fasst Claudia Weingand - im Expertenteam für die Beurteilung der Ritte aus ethischer Sicht zuständig - ihre Beobachtungen gegenüber ZDFheute zusammen.

Die Pferde werden häufig gestresst, um dadurch ausdrucksstärkere Tritte zu bekommen.

Claudia Weingand

Möglicherweise würden die geforderten Einzellektionen in der Dressurprüfung nicht an sich im Pferd das Unwohlsein auslösen, sondern die Art, in der das Tier sie präsentieren solle. Die Expertin sieht eine mögliche Erleichterung für das Pferd zum Beispiel darin, wenn die einzelnen Lektionen weniger schnell aufeinander folgten.

Erstmals interdisziplinäre Analyse

Der Bericht wird auch an den Weltreiterverband und die Deutsche Reiterliche Vereinigung geschickt. "Wir laden dazu ein, dass sich die Verantwortlichen mit uns um die Zukunft des Reitsports bemühen und ihren Teil dazu beitragen", sagt André Hascher von R-haltenswert zu ZDFheute. Sein Fazit: "Immer dann, wenn die Reittechnik und die Ausbildung der Pferde gut war, dann war in der Regel auch das gezeigte Konfliktverhalten der Pferde gering."

Neuer Reitverband-Präsident Martin Richenhagen

Martin Richenhagen, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, spricht mit ZDF-Reporter Hermann Valkyser über den Schlaufzügel-Skandal um Reit-Olympiasieger Christian Kukuk.

13.11.2025 | 7:15 min

Allerdings erfülle, so der Bericht, nur ein sehr kleiner Anteil der Ritte die Kriterien einer harmonischen und pferdegerechten Ausbildung. Mit dem Report hat R-haltenswert Neuland betreten: Noch nie wurden bei einem Reitturnier alle Sparten interdisziplinär analysiert. Ein Expertentalk zu den Ergebnissen am kommenden Sonntag bietet allen interessierten Pferdefreunden die Möglichkeit zur Online-Teilnahme.

Reit-Olympiasieger Christian Kukuk während eines Pressegespräches am 13.11.2025.

Christian Kukuk hat auf die Kritik an seinem umstrittenen Schlaufzügel-Training in Verona reagiert. Der Springreit-Olympiasieger gesteht in einer Medienrunde Fehler ein.

14.11.2025 | 11:23 min

Whatsapp Logo
Quelle: Reuters

Sie wollen über Sport stets auf dem Laufenden bleiben? Dann ist unser sportstudio-WhatsApp-Channel genau das Richtige für Sie. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten News direkt auf Ihr Smartphone. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: sportstudio-WhatsApp-Channel.


Über dieses Thema berichtete das gemeinsame Mittagsmagazin von ARD und ZDF am 17.11.2025 ab 12:00 Uhr.
Thema

Mehr zum Pferdesport

  1. Dressur-Pferd "Parzival"
    Kommentar

    Lockerung der "Blut-Regel" im Reitsport:Pferdewohl in Gefahr: Keine Kompromisse beim Tierschutz

    von Hermann Valkyser
    mit Video2:22

  2. Blutregel im Springreiten

    Nachrichten | ZDF-Mittagsmagazin:Springreiten: Streit um Lockerung der "Blut-Regel"

    von Hermann Valkyser
    Video2:22

  3. Isabell Werth (Deutschland) tritt bei der FEI Dressur-Europameisterschaft an.

    Nachrichten:Dressur-EM: Werth Dritte bei Verboomen-Sieg

    von Andreas Kürten
    Video7:24

  4. Großbritannien, Blenheim: Pferdesport/Vielseitigkeit: Europameisterschaft, Geländeritt, Blenheim Palace, Michael Jung aus Deutschland reitet auf FischerChipmunk FRH durch den Parcours.

    Reiten - Vielseitigkeits-EM:Gold für deutsche Equipe, Silber für Jung

    mit Video7:24