Gelassenheit im Stau: Wie man Stress beim Autofahren vermeidet
Stillstand ohne Stress:Wie man Stau gelassen meistert
von Helena Schwar
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Stillstand auf der Autobahn bringt viele an ihre Grenzen. Warum Stau so stresst und wie wir mit Reframing, Atmung und etwas Vorbereitung gelassener bleiben können.
Ein Stau löst beim Autofahren bei vielen Stress und Wut aus. Doch Gelassenheit kann man lernen.
Quelle: imago/Sabine Gudath
Kaum etwas bringt Autofahrerinnen und Autofahrer so aus der Ruhe wie ein Stau. Warum eigentlich? Die Antwort liegt oft im Gefühl des Kontrollverlusts.
Wir planen Fahrten meist mit der stillen Erwartung, dass alles glattläuft.
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Yvette Orlowski, Verkehrspsychologin, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Wird diese Routine unerwartet unterbrochen, geraten viele innerlich aus dem Takt. Besonders stressanfällig sind Menschen, die Zeit sehr effizient nutzen oder als knapp empfinden, so Verkehrspsychologin Yvette Orlowski. Denn im Stau scheint das Ziel in unerreichbare Ferne zu rücken.
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Digitale Navigationssysteme verstärken diesen Effekt, denn sie liefern präzise Ankunftszeiten, die wir als verbindlich empfinden. Kommt es zu Verzögerungen, fühlen wir uns ausgebremst, oft ohne sichtbaren Grund, wie etwa bei einem sogenannten Gaffer-Stau.
Deshalb werden wir im Auto so schnell wütend
Im Stau treffen mehrere Stressfaktoren aufeinander: Das Gefühl ausgeliefert zu sein, eventuell Zeitdruck und im Sommer Hitzestress. Das Auto wird zum emotionalen Resonanzraum. Der Ärger sucht sich ein Ventil und findet es oft in anderen Verkehrsteilnehmern oder dem Navi. "Wut ist ein enormer Kräftefresser", warnt Orlowski. Sie kann zu impulsivem Verhalten führen, wie etwa zu einem riskanten Spurwechsel oder aggressivem Fahren.
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Staus können auch typische mentale Automatismen auslösen. Dazu gehört der Tunnelblick: Wir fokussieren uns auf das Ende der Kolonne, blenden alles andere aus. Manche entwickeln eine Opferhaltung ("Immer ich!"), andere malen sich Horrorszenarien aus, vom verpassten Termin bis zum Streit in der Familie. All das macht uns innerlich eng und weniger offen für Lösungen.
Das hilft im Stau: Reframing, Bewegung, Atmung
Yvette Orlowski rät zu Gelassenheit. Und die lässt sich trainieren. Ein zentraler Schlüssel ist das Reframing, also die gedankliche Neubewertung der Situation. Wer den Stau als "geschenkte Zeit" betrachtet statt als Hindernis, kann profitieren: Musik hören, Podcasts genießen oder einfach mal tief durchatmen.
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Entscheidend ist das Gefühl: Ich kann etwas tun. Und sei es nur, ruhig zu bleiben.
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Yvette Orlowski, Verkehrspsychologin, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Orlowski rät zudem zu einem Perspektivwechsel: "Wenn wir den Stau als natürliche Folge im Kampf um die Ressource Straße betrachten, können wir ihn begrüßen: 'Hallo Stau, ich habe schon mit dir gerechnet.'"
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Mit Kindern im Stau: Vorbereitung ist alles
Eltern erleben im Stau oft doppelten Stress. Vorne stockt der Verkehr, auf der Rückbank kippt die Stimmung. Umso wichtiger ist es, die Fahrt gut vorzubereiten, so Orlowski. Getränke, Snacks, Musik und Hörspiele sollten griffbereit sein. Bewährt hat sich auch ein "Fahrt-Briefing", bei dem die Kinder vorab eingebunden werden ("Heute fahren wir lange. Erst kommt deine Musik, dann meine."). Kinder brauchten klare Ansagen, das schaffe Orientierung, sagt Orlowski.
Spiele wie "Ich sehe was, was du nicht siehst" oder "Wer entdeckt zuerst ein gelbes Auto?" lenken ab. Wichtig ist: Kinder spiegeln die Stimmung ihrer Eltern. Wer selbst ruhig bleibt, wirkt deeskalierend. Auch eine positive Grundhaltung hilft. Wenn die Eltern die Autofahrt schon von vorneherein als etwas Negatives bewerten, tun das die Kinder auch. "Diese Sichtweise verändert das Erleben - auch bei uns Erwachsenen", sagt die Verkehrspsychologin.
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Stauwellen entstehen durch plötzliche Bremsmanöver, zum Beispiel weil ein Fahrer aus Unsicherheit abbremst oder zu dicht auffährt. Die nachfolgenden Autos reagieren ebenfalls mit Bremsen. Das kann sich wie eine Welle nach hinten über viele Kilometer ausbreiten, obwohl vorn längst kein Hindernis mehr besteht. Das Phänomen tritt besonders auf dicht befahrenen Strecken auf, wenn die Abstände zwischen den Autos zu gering sind. Stauwellen lösen sich oft nur sehr langsam auf und wirken auf Betroffene rätselhaft, weil sie "aus dem Nichts" kommen.
Darauf, dass Staus entstehen, haben wir kaum Einfluss. Doch unseren Umgang damit, den können wir gestalten. Wer einen Stau nicht als Angriff, sondern als Teil des Straßenverkehrs versteht, bleibt entspannter. Nicht der Stau stresst, sondern unser Umgang damit.
Plötzlich Stillstand - und nun? Welche Regeln man im Falle eines Staus beachten sollte, welche Verhaltensweisen zu noch mehr Stau führen können und wie man ihn vermeidet.
von Thilo Hopert
mit Video
Quelle: dpa
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