Lästern: Warum wir so oft Klatsch und Tratsch betreiben

Klatsch und Tratsch:Lästern: Warum wir so oft über andere reden

von Nicole Wehr
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Wir tun es alle - fast eine Stunde täglich: lästern. Was negativ klingt, ist oft harmloser als gedacht und erfüllt auch soziale Funktionen. Was Gossip mit Gemeinschaft zu tun hat.

Seitenansicht eines weiblichen Teenagers, der mit einer Freundin an einem Tisch sitzt und tratscht.

Klatsch und Tratsch wird von allen Menschen täglich betrieben, egal ob Jung oder Alt. Doch warum lästern Menschen überhaupt?

Quelle: Westend61

Die Psychologie und Sozialwissenschaft definiert als "Lästern" zunächst einmal nichts anderes als das Reden über eine abwesende dritte Person - ein informeller Austausch von Informationen und Meinungen.

Lästern ist nicht immer negativ, sondern hat auch positive Aspekte.

Sandra Jankowski, Psychologin

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Warum lästern Menschen?

Aus psychologischer Sicht stehen hinter dem Phänomen des Lästerns gleich mehrere soziale Motive. Sandra Jankowski arbeitet als systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin und ist Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP). Sie sagt, dass es eine Verbindung schaffen könne, wenn man sich über andere äußere und ein bisschen tratsche. "Es stärkt den Zusammenhalt. Wenn jemand zu mir kommt und mir das Neueste über Person XY erzählt, fühle ich mich auch ein bisschen geehrt", so die Expertin.

Lästern als soziales Lernen

Darüber hinaus habe Lästern eine soziale Lernfunktion. Es sei im Wesentlichen ein Austausch über gesellschaftliche Normen und Werte.

Eine Aussage wie: "Der hat sich im Meeting total in den Vordergrund gespielt" könne dem Gegenüber signalisieren: "So sollte ich mich besser nicht verhalten."

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Lästern als Ventil für den Frust

Man könne durch Lästern gut seinen Frust loswerden und Stress abbauen. "Wenn ich mich gerade richtig über jemanden geärgert habe und dann lästere, kann das eine Genugtuung sein", so Jankowski.

Zudem könne Lästern dabei helfen, das eigene Selbstbild aufzuwerten. "Wer wenig Selbstvertrauen hat, kann sich durch Lästern über den anderen stellen und fühlt sich dann erstmal besser. Manchmal passiert es aber auch schlicht aus Langeweile", so die Expertin.

Klatsch und Tratsch - auf Englisch "Gossip" - ist kein leichtes Forschungsgebiet. Wer lästert, gibt das nur selten ehrlich zu. Dennoch konnten Megan Robbins und Alexander Karan von der University of California in einer Studie einige interessante Erkenntnisse gewinnen und dem schlechten Ruf von Gossip etwas entgegenwirken.

Laut ihrer Untersuchung machen Gossip-Gespräche etwa 14 Prozent unserer täglichen Kommunikation aus - bei einem 16-Stunden-Tag entspricht das rund 52 Minuten. Überraschenderweise sind viele dieser Gespräche eher belanglos. Außerdem zeigte die Studie, dass Jüngere häufiger negativ lästern als Ältere. Frauen tratschten etwas mehr als Männer, aber dafür weniger wertend.


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Wo Lästern endet und Mobbing anfängt

Über andere zu reden, kann auch ein Instrument zur Machtausübung sein. Jankowski erklärt: "Ich kann mich bewusst über jemand anderen stellen und ihn auf seinen Platz verweisen, indem ich hinterrücks andere auf meine Seite ziehe, die die Person dann ausgrenzen. Das kann bis hin zum Mobbing und Machtmissbrauch gehen."

Mobbing ist eine absichtliche, wiederholte Schikane, die auf Demütigung und Ausgrenzung abzielt.

Sandra Jankowski, Psychologin

Meist bestehe ein Machtgefälle, bei dem der Täter eine überlegene Position besitzt. Das erschwere Betroffenen, sich zu wehren. Auch im Kindesalter komme Mobbing vor, und zwar häufig unter scheinbar Gleichrangigen. Der Grund: "Kinder sind oft noch nicht in der Lage, sozial angemessen auf andere Kinder zuzugehen", so Jankowski. Hier müsse oft die Lehrkraft helfen und moderieren.

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Wenn Lästern mehr belastet als verbindet

In Jankowskis Arbeit ist vor allem der Vergleich mit anderen ein Thema. "Das hat auch damit zu tun, dass wir uns Gruppenregeln anpassen und Normen entsprechen möchten."

Für Menschen mit einer sozialen Phobie sei Lästern ein extrem großes Problem. "Sie denken ständig und jederzeit, dass andere schlecht über sie reden oder denken - auch wenn das gar nicht der Fall ist", beschreibt Jankowski.

Einen Umgang mit dem Lästern finden

Wer merkt, dass über ihn gesprochen wird und ihn das stört - selbst wenn es in einem positiven Kontext geschehe und sich andere vermeintlich nur Sorgen machen, könne in die Offensive gehen: die Person konfrontieren und eine Grenze aufzeigen.

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Alternativ kann man Tratschen auch für sich positiv umdeuten: "Jemand, der einem egal ist, über den tratscht man nicht. Scheinbar ist man also doch so spannend, dass andere es wert finden, über einen zu sprechen", sagt Jankowski.

Der Rat der Expertin: Sich auf das eigene Leben und eigene Ziele fokussieren. "Tratschen wird man nie aus den Menschen rausbekommen, das machen wir alle. Das ist auch okay. Man muss nicht immer allen gefallen."

Nur wenn das Lästern zu ernsthaften psychischen Problemen führt, sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

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Quelle: dpa

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Quelle: dpa

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