Reanimation: Warum Herzdruckmassage auf den Lehrplan gehört
Interview
Erste Hilfe beim Herzstillstand:Warum Wiederbelebung auf den Lehrplan gehört
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Jährlich sterben Zehntausende in Deutschland an einem Herzstillstand. Viele könnten mit einer schnellen Herzdruckmassage überleben. Warum Liliane Kozik das Thema am Herzen liegt.
Wenn der Motor unseres Körpers ins Stocken gerät, zählt jede Minute: Innovative Projekte zur Herzrettung machen Hoffnung.21.06.2025 | 29:45 min
ZDFheute: Warum ist das Thema Wiederbelebung so wichtig?
Liliane Kozik: Weil das Thema jederzeit jeden von uns betreffen kann. Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand gehört zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. In vielen Fällen geschieht er vor den Augen anderer. Aber viel zu wenige Menschen wissen, wie sie in einer solchen Situation richtig handeln und helfen können. Dabei können sie gar nichts falsch machen.
Quelle: privat
… ist 25 Jahre alt und war selbst Herzpatientin. Aus ihrer eigenen lebensbedrohlichen Erfahrung ist ein Motor geworden. Mit ihrem Projekt "Herzsicherheit an Schulen" klärt sie darüber auf, wie Menschen im Notfall helfen können und setzt sich dafür ein, dass Wiederbelebung an allen Schulen Pflichtstoff im Unterricht wird. Sie ist Mitglied im deutschen Rat für Wiederbelebung und studiert Deutsch und Sozialpädagogik für das Lehramt am Berufskolleg an der TU Dortmund.
ZDFheute: Das Thema Wiederbelebung ist für Sie auch ein persönliches. Warum?
Kozik: Als ich 17 war, wurde bei mir ein angeborener Herzfehler diagnostiziert, der im schlimmsten Fall zu Kammerflimmern und zum Herzstillstand hätte führen können. Medizinisch war das Risiko zwar gering, aber es hat mir trotzdem Angst gemacht. Denn wäre es zu einem Notfall gekommen, hätte ich nur überlebt, wenn jemand in meiner Nähe sofort bei mir mit einer Herzdruckmassage begonnen hätte.
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ZDFheute: Warum reicht es nicht, den Rettungsdienst zu rufen, wenn man einen Herz-Kreislauf-Stillstand beobachtet?
Nur wenn sofort jemand die Herzdruckmassage übernimmt, wird weiter Blut durch den Körper gepumpt und lebenswichtige Organe wie das Gehirn werden mit Sauerstoff versorgt.
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Der Rettungsdienst ist meist nicht schnell genug. 2013 gab es einen sehr tragischen Fall an einer Schule in Hessen. Ein Schüler hatte einen Herzstillstand, die Lehrkräfte machten keine Herzdruckmassage. Der Rettungswagen kam nach acht Minuten und erst dann begannen die Wiederbelebungsmaßnahmen. Der Schüler überlebte, erlitt aber irreversible Hirnschäden. Das hätte verhindert werden können, wenn man ihn sofort reanimiert hätte.
Der plötzliche Herztod zählt zu den häufigsten Todesursachen. Um die Überlebenschancen zu erhöhen, ist schnelles Handeln entscheidend. Wie Sie im Ernstfall Leben retten können.
von Caroline Nixdorff
mit Video
ZDFheute: Wie stehen die Chancen, dass man in Deutschland wiederbelebt wird, wenn man kollabiert?
Kozik: In Deutschland wird aktuell nur etwa jede zweite Person nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand von Augenzeugen wiederbelebt. Als bei mir damals der Herzfehler diagnostiziert wurde, war die Quote sogar noch niedriger. Ich habe deutlich gespürt, wie groß die Unsicherheit in meinem Umfeld bei dem Thema war und ehrlich gesagt anfangs auch bei mir selbst. Die meisten Menschen hätten im Notfall nicht gewusst, wie sie mir helfen können.
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ZDFheute: Ihr Herzfehler wurde vor sieben Jahren mit einem medizinisch relativ einfachen Eingriff behoben. Seitdem kämpfen Sie dafür, dass Reanimation an Schulen unterrichtet wird. Warum?
Kozik: Ich glaube ich bin einfach ein Mensch, wenn ich merke, dass etwas nicht in Ordnung ist, dann will ich etwas verändern. Ich habe mich damals so intensiv mit dem Thema Wiederbelebung beschäftigt und festgestellt, dass in vielen skandinavischen Ländern deutlich mehr Menschen im Notfall von Laien reanimiert werden als in Deutschland - einfach, weil dort Reanimation fest im Schulunterricht verankert ist.
Quelle: ZDF
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ZDFheute: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Kozik: In Dänemark gibt es seit 2005 Wiederbelebungsunterricht an den Schulen. Die Laienreanimationsquote stieg von etwa 20 Prozent im Jahr 2000 auf über 60 Prozent im Jahr 2020 und liegt jetzt bei fast 80 Prozent. In acht von zehn Fällen wird dort also geholfen. Noch beeindruckender ist die Entwicklung der Überlebensrate. Sie hat sich verdreifacht.
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ZDFheute: Wie steht es um den Reanimationsunterricht an deutschen Schulen?
Kozik: Es gibt durchaus Bundesländer, die sich sehr engagieren und bereits viele Maßnahmen und Projekte zum Thema Wiederbelebung umgesetzt haben.
In Hessen ist Reanimationsunterricht inzwischen Pflicht.
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Niedersachen will jetzt auch nachziehen. Oft hängt es aber nicht nur vom Bundesland ab, sondern von den einzelnen Schulen, ob und wie das Thema behandelt wird. Eine flächendeckende Umsetzung in ganz Deutschland gibt es bisher nicht. Genau daran müssen wir arbeiten.
Das Interview führte Carolin Hentschel.
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Quelle: dpa
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