Organe im Dialog: Was Medizin von den Wechselwirkungen lernt

Beispiel Darm-Leber-Achse:Wenn unsere Organe miteinander reden

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Unsere Organe stehen miteinander im Dialog. Diesen "Organ Crosstalk" versuchen Forschende besser zu verstehen. So hoffen sie, viele Krankheiten besser behandeln zu können.

Animation: Menschliches Skelett mit sichbaren Organen
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Die menschlichen Organe und ihre Funktionsweisen sind schon ziemlich gut erforscht - eine essenzielle Grundlage um Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Die Kommunikation zwischen den Organen, mit Ausnahme des zentralen Nervensystems, ist dagegen deutlich schwächer erforscht. Der Forschungszweig "Organ Crosstalk" versucht genau das zu ändern. Forschende erhoffen sich, so Krankheiten, die mehrere Organe befallen, besser verstehen und therapieren zu können.

Wechselwirkungen zwischen den Organen

Welche Relevanz Wechselwirkungen zwischen den Organen haben, zeigt ein einfaches Beispiel: Eine Nierenerkrankung kann sowohl Auswirkungen auf das Risiko fürs Herz- und Gefäßsystem als auch die Darm-Hirn-Verbindung und die Mundhöhle haben, erklärt der Immunologe Oliver Pabst.
Um diese Wechselwirkungen besser beschreiben zu können, hat die medizinische Fakultät der Technischen Universität Aachen mittlerweile den Forschungsschwerpunkt "Organ Crosstalk" etabliert. Hier wird unter anderem die Kommunikation zwischen Darm und Leber erforscht.
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Dreifache Kommunikation auf Darm-Leber-Achse

Das Beispiel der Darm-Leber-Achse zeigt, wie komplex der Dialog zwischen den Organen ist. Drei Wege der Kommunikation werden unterschieden:
  • Erstens können über die Portalvene verschiedene Inhaltsstoffe aus dem Darm direkt in die Leber gelangen.
  • Zweitens gelangen mikrobielle Produkte, Gallensäuren und andere Faktoren über die Leber in den Darm.
  • Drittens verbindet der Blutkreislauf Leber und Darm.
Diese Kommunikation hat direkte Auswirkungen auf diverse Krankheiten wie Zöliakie, chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, aber auch die Fettlebererkrankung, Leberkrebs und seltene Autoimmunlebererkrankungen, wie Gastroenterologe Tony Bruns erklärt.

Ich glaube, man kann sagen, dass es kaum eine Erkrankung des Darmes oder der Leber gibt, bei der die Kommunikation beider Organsysteme nicht aus den Fugen geraten ist.

Tony Bruns, Gastroenterologe

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Viele Menschen vertragen kein glutenhaltiges Essen. Zöliakie ist bei Kindern weit verbreitet, hier führt Gluten zu einer Darmentzündung. 16.05.2025 | 5:13 min

Mit Stuhltransplantation das Mikrobiom reparieren

Eine zentrale Rolle beim "Organ Crosstalk" zwischen Darm und Leber spielt das Mikrobiom des Darms. Es besteht aus der Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm. Für den "Organ Crosstalk" sind vor allem Bakterien besonders relevant, die einen wichtigen regulatorischen Effekt auf die Leber haben.
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Ist das Mikrobiom falsch zusammengesetzt, muss es repariert werden. Hierfür müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst die Bakterien identifizieren, die für den "Organ Crosstalk" besonders relevant sind. Dazu nutzen sie Stuhltransplantationen: Darmbakterien von gesunden Spenderinnen und Spendern werden in Kapselform auf die Patientinnen und Patienten übertragen.

Unsere Hoffnung ist, dass wir aus den Stuhltransplantationen lernen können, welche Bakterien besonders relevant sind, um ganz bestimmte Erkrankungen gezielt zu behandeln.

Maria Vehreschild, Mikrobiomforscherin

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Mit High-Tech zu künstlichen Darmbakterien

Mikrobiomforscherin Maria Vehreschild erklärt, dass zukünftig moderne Therapien individuell auf die Erkrankten zugeschnitten werden könnten. Um dabei nicht auf Spender angewiesen sein zu müssen, ist das Ziel der Forschenden, Stuhlproben synthetisch herzustellen.
Die große Schwierigkeit bei der künstlichen Herstellung dieser Bakterien ist, dass die meisten Darmbakterien anaerob sind, das heißt sie vertragen keinen Sauerstoff. In Aachen kann das Projekt auf eine sehr große anaerobe Kammer zurückgreifen. Mikrobiologe Thomas Clavel und sein Team haben so die Möglichkeit, mithilfe von in die Kammer integrierten untereinander vernetzten Geräten Darmbakterien zu züchten und zu beschreiben.
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Grundlagenforschung für neue Therapien

Diese Grundlagenforschung ist unverzichtbar, denn es gibt mehrere tausend verschiedene Darmbakterien - die meisten davon unerforscht. Jeder Mensch hat ungefähr 400 bakterielle Spezies im Darm. Diese weiter zu erforschen ist essenziell, um den "Organ Crosstalk" besser zu verstehen.
Sollte das gelingen, erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Aachen neue Erkenntnisse für die Diagnostik, für neue Medikamente und Therapien und für die Prävention.
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Quelle: dpa

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Quelle: ZDF

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