Europas Taktik im Zollstreit mit den USA: Bloß keine Eskalation

Analyse

Handelsstreit mit den USA:Europas Zoll-Taktik: Bloß keine Eskalation

Eine Frau mit braunen Haaren lächelt in die Kamera.
von Lara Wiedeking, Brüssel
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Zurückschlagen oder die andere Wange hinhalten? Die EU entscheidet sich für zweiteres: Im Handelsstreit mit den USA will sie unbedingt eine Eskalation vermeiden. Und erntet Kritik.

USA Zölle
Bundeskanzler Merz warnt vor Folgen eines eskalierenden Zollstreits mit den USA. 30 Prozent Importzölle könnten der deutschen Exportwirtschaft schweren Schaden zufügen. Die EU-Handelsminister beraten heute.14.07.2025 | 2:36 min
Es ist zwar schon ein paar Wochen her, aber der Sprecher des EU-Handelskommissars beschreibt es so: Im Handelsstreit mit den USA werde die EU nur auf Dinge reagieren, die auch wirklich in Kraft treten. So lässt sich vielleicht erklären, warum die EU nicht bereits am Wochenende Gegenmaßnahmen auf den Tisch gelegt hat.
Fast mantraartig wiederholt die EU, auch beim Treffen der Handelsminister am Montag: Man setzt auf Verhandlung, wolle keine Eskalation. Trotzdem erklärt der EU-Handelskommissar Maros Sefcovic:

Unser Gefühl war eigentlich, dass wir nahe an einer Einigung sind. Wir verhandeln seit Wochen und hatten es fast geschafft.

Maros Sefcovic, EU-Handelskommissar

Und ja, er habe gewusst, dass der Brief von US-Präsident Donald Trump kommen würde, trotzdem sei er "enttäuscht, weil es jetzt wieder ein komplett andere Dynamik ist".

Aber ich bin bereit, die Verhandlungen weiter zu führen, bis wir eine Lösung finden.

Maros Sefcovic, EU-Handelskommissar

ZDF-Korrespondentin Stephanie Barrett an der Frankfurter Börse
Großes Gesprächsthema in Brüssel ist am Montag der Zollstreit mit den USA. Stephanie Barrett berichtet über die Auswirkungen der angekündigten US-Zölle auf die Wirtschaft.14.07.2025 | 1:35 min

Kritik von einigen EU-Mitgliedsstaaten

Doch es mehren sich die Stimmen, dass es vielleicht Zeit für einen Strategiewechsel wäre. So erklärt Österreichs Handelsminister Wolfgang Hattmannsdorfer:

Wir sind zu 100% auf der Seite der Kommission. Wir unterstützen sie mit voller Kraft. Aber ich glaube auch, dass die angekündigten Gegenmaßnahmen, man jetzt noch einen Schritt weiter bringen sollte.

Wolfgang Hattmannsdorfer, Wirtschaftsminister von Österreich

Kritik, die auch von Abgeordneten des EU-Parlaments geteilt wird: Bernd Lange, SPD, ist Vorsitzender des Handelsausschusses. Zu ZDFheute sagte er:

Wir hätten jetzt auch mal klare Kante zeigen sollen. Die Kommission hat anders entschieden. Ich glaube, wir müssen wirklich sehr selbstbewusst vorgehen.

Bernd Lange (SPD), Europaabgeordneter

Das Ziel: Eskalation vermeiden

Doch für den Handelsexperten Niclas Poitiers von der Denkfabrik Bruegel ist das Verhalten der Kommission, Gegenzölle weiter auszusetzen, nachvollziehbar: "Der erste Grund ist schlicht und einfach, dass man für sich selber Dinge teurer macht, wenn man Zölle erhebt." Die EU betont allerdings immer wieder, den Effekt auf EU-Konsumenten wolle sie möglichst gering halten.
Treffen der EU-Handelsminister zu Zollankündigungen der USA
Die Handelsminister der EU beraten, wie sie die drohenden US-Zölle von 30 Prozent abwenden können. Nach wochenlangen Verhandlungen hatte Trump angekündigt, diese ab dem 1. August einzuführen.14.07.2025 | 5:23 min
Doch dann gibt es noch die gesamtpolitische Gemengelage, diese dürfte stärker aufwiegen: Man möchte den Konflikt nicht eskalieren, so Poitiers, wie es zwischen China und den USA passiert ist. Die beiden Staaten haben sich über Wochen in einer Zollspirale überboten.

Und für ein Land wie China, das sich sowieso in einer Gegenposition zu den USA sieht, ist es einfacher zu sagen, wir eskalieren maximal.

Niclas Poitiers, Denkfabrik Bruegel in Brüssel

Bei Europa sei die Lage anders.

Europa ist selbst sein bester Kunde

Auf dem EU-Binnenmarkt tummeln sich fast 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher - also 100 Millionen Konsumenten mehr, als der US-Markt zu bieten hat. Europa: ein attraktiver Absatzmarkt, vor allem allerdings auch für seine eigenen Produkte.
 US-Präsident Donald Trump spricht mit Reportern nach der Unterzeichnung von Durchführungsverordnungen im Oval Office des Weißen Hauses in Washington.
Die EU setzt im Handelsstreit mit den USA trotz einer neuen Zoll-Drohung des US-Präsidenten weiter auf Verhandlungen. Brüssel und Berlin kritisieren Trumps 30-Prozent-Ankündigung.13.07.2025 | 3:05 min
Noch immer verkaufen die EU-Staaten den Großteil ihrer Waren am eigenen Binnenmarkt: "Der Effekt der deutschen Fiskalpolitik auf die deutsche Wirtschaft ist viel direkter. Nach wie vor ist der Großteil von dem, was wir erwirtschaften, im Inland."

Das heißt, alles, was im In-Land passiert, im Binnenmarkt, der EU, aber auch im deutschen Binnenmarkt, hat viel direkte Effekte auf unsere Wirtschaft als jetzt die USA.

Niclas Poitiers, Denkfabrik Bruegel in Brüssel

EU legt neue Liste für Gegenzölle vor

Am Montag legte die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten eine weitere Liste mit Gegenmaßnahmen vor. Maßnahmen, die Waren im Wert von rund 72 Milliarden Euro betreffen - und die erstmal nicht in Kraft treten soll.
Aber: "Wir wollen auf alles vorbereitet sein", sagt Handelskommissar Sefcovic. Im Handelsstreit mit den USA hat die EU das größte Gewicht, wenn sie an einem Strang zieht. Bisher tut sie das auch - doch die Frage ist, wie lange dieser Strang noch hält.

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