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Analyse
Ukrainischer Präsident:Selenskyj, der wahre Kanzlermacher in Berlin
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Wolodymyr Selenskyj hat Friedrich Merz Kanzler werden lassen. Er hatte unmittelbaren Einfluss darauf, dass die schwarz-rote Koalition mit Merz an der Spitze zustande gekommen ist.
Es ist der 28. Februar und es sind erniedrigende Szenen im Weißen Haus. Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei US-Präsident Donald Trump kommt es zum Streit. Es sind diese Szenen, die den heutigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) dazu bringen, ein Wahlversprechen zu opfern und dadurch die Gunst der SPD-Verhandler zu gewinnen.
So jedenfalls hat es Merz selbst begründet.
Als er sah, wie unverfroren und zügellos Selenskyj von Trump und dessen Vize J.D. Vance im Oval Office fertig gemacht wurde, habe er gewusst: Auf diese US-Regierung werden wir nicht bauen können. Deswegen habe er nicht nur einem unbegrenzten Rüstungs-Sondervermögen zugestimmt, sondern auch der SPD-Forderung nach einem Infrastruktur-Paket.
Merz im Mai 2022 in Kiew
Das wurde dann auch noch mit einer halben Billion Euro ungeahnt hoch, weil Merz nach Ansehen der Oval-Office-Show zu dem Schluss kam, dass auch wirtschaftlich auf die deutsch-amerikanische Freundschaft nicht mehr zu zählen ist. So hat Selenskyj Merz' Wende zum Schuldenmacher bewirkt. Zumindest, dass dies Merz eine ehrenhafte Begründung dafür zu sein scheint.
Merz und Selenskyj kennen und mögen einander seit drei Jahren. Merz war im Mai 2022 als einer der ersten Politiker nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nach Kiew gefahren - mit einem Sonderzug. Damals war er gerade erst CDU-Chef und Oppositionsführer geworden.
Sein außenpolitisches Mantra seitdem lautete: Liefert der Ukraine den Taurus. Merz kritisierte offen, was Selenskyj unmöglich war auszusprechen: dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das angegriffene Land nicht ausreichend unterstütze wegen viel zu großer Angst vor Wladimir Putin.
Warum Merz nicht mehr über Taurus redet
Merz versuchte seinerzeit die Sorge um die Ukraine auch innenpolitisch gegen Scholz zu nutzen. Der SPD-Kanzler wolle die vielen Russland-Versteher in Deutschland nicht zu sehr reizen, darunter auch etliche Genossen. Deswegen habe Scholz immer gewarnt, dass Deutschland nicht Kriegspartei werden dürfe.
Nun aber die vermeintlich zweite Wendung: Seit Merz Kanzler ist, will er über den Taurus nicht mehr öffentlich sprechen, auch mit Rücksicht auf seinen Koalitionspartner SPD. Aber mehr noch, weil er Putin im Unklaren lassen will. Und irgendwie auch die Ukraine, die sich Hoffnung machen soll. In der Gewissheit, dass das mächtigste Land der EU an seiner Seite steht.
Ukraine als zentrales Thema aller Reisen
Diesen Eindruck sollen die gegenseitigen Besuche verstärken. Merz, der als erste weite Reise als Kanzler wieder im Sonderzug nach Kiew aufbrach - diesmal mit seinen Kollegen aus Frankreich, Großbritannien und Polen. Diese Vier haben gemeinsam mit Selenskyj in Kiew alles getan, um Trump einzubinden. Und damit die arg strapazierten Bande zwischen ihm und Selenskyj halbwegs zu reparieren.
Eigentlich ging es bislang bei allen Auslandsreisen des Kanzlers um mehr Rückhalt für die Ukraine. Gerade erst kam er aus Finnland zurück mit der Botschaft, es gebe keine Reichweiten-Begrenzung für ukrainische Waffen.
Wie Merz auf Selenskyj blickt
Das war inhaltlich nicht neu. Es bezog sich aber auf Merz' Vorgänger Scholz, der ja immer behauptete, das sei verboten. Der jetzige Kanzler machte unmittelbar vor Selenskyjs Besuch klar: Waffen auf Russland zu feuern sei notwendig für sein Land, um sich zu verteidigen.
Merz hält einen Präsidenten Selenskyj und eine Ukraine, die standhält gegen Russland, für Garanten der freien Demokratien Europas. Die außenpolitisch schwierige Aufgabe für Merz wird sein, diese Haltung möglicherweise noch Jahre durchzusetzen bei den verbündeten Staaten. Denn das wird sehr teuer.
Doch es könnte für alle sehr viel mehr kosten, wenn die Ukraine diesen Krieg verlieren würde. Da sind sich der Kanzler und sein treuer Besucher einig.
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