Keine Pride-Fahne auf Bundestag:Breite Kritik an Merz' "Zirkuszelt"-Aussage
von Dominik Rzepka
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Kanzler Merz verteidigt die Entscheidung, zum Berliner CSD keine Regenbogenfahne auf dem Reichstag zu hissen: Das Parlament sei "kein Zirkuszelt". Eine Entgleisung, sagen Kritiker.
Sehen Sie hier die "Zirkuszelt"-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz im Video.02.07.2025 | 0:57 min
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit einer Aussage zur Regenbogenfahne auf dem Reichstag scharfe Kritik provoziert. Dass zum Berliner CSD dieses Jahr keine Pride-Flagge wehe, sei richtig, schließlich sei der Bundestag "kein Zirkuszelt", hatte Merz in der ARD gesagt.
Der Verband Queere Vielfalt wirft Merz vor, mit dem Begriff "Zirkuszelt" die queere Community zu verletzen. Verbandsvorstand Andre Lehmann sagt ZDFheute:
Diese Aussage ist eine Entgleisung des Bundeskanzlers. Merz hält uns offenbar für eine Zirkusgruppe und nennt uns nur "diese Gruppen".
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Andre Lehmann, Verband Queere Vielfalt
Er wolle Merz daran erinnern, "dass er von einer Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus spricht, die auch noch in der Bundesrepublik lange Zeit unterdrückt und kriminalisiert wurde". Die Regenbogenfahne sei außerdem keine Zirkusplane, "sondern ein universelles Symbol für Vielfalt und Menschenrechte."
Zum Christopher Street Day in Berlin wird dieses Jahr keine Regenbogenfahne auf dem Reichstag wehen.25.06.2025 | 1:45 min
Kritik von Amnesty International und Linke
Ähnlich äußert sich auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Das Einstehen für die Rechte queerer Menschen habe nichts mit Zirkus zu tun, sagt Katharina Masoud ZDFheute:
Solche Aussagen wie die vom Bundeskanzler sind Wasser auf die Mühlen von Menschenrechtsgegner*innen, die anderen das Recht verweigern wollen, zu sein, wer sie sind, und zu lieben, wen sie wollen.
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Katharina Masoud, Amnesty International
Merz rechtfertige und normalisiere so Ausgrenzung, Benachteiligung "und letztendlich auch Gewalt".
Kritik kommt auch von der Fraktionsvorsitzenden der Linken, Heidi Reichinnek. "Diese Wortwahl ist der Situation völlig unangemessen", sagt Reichinnek ZDFheute:
Seit Jahren steigt die Gewalt gegen queere Menschen in Deutschland und die Union verweigert nun auch noch einen symbolischen Akt und zieht den Kampf um Sichtbarkeit ins Lächerliche.
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Heidi Reichinnek, Die Linke
Aus dem Archiv: Der CSD im sächsischen Bautzen stand im Jahr 2024 unter Polizeischutz.12.08.2024 | 2:25 min
Hissen der Pride-Flagge gefordert
Auch die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, kritisiert Merz' Aussage. Sie sagt ZDFheute:
Wenn die Regenbogenfahne die Fahne auf einem Zirkuszelt ist, was sind dann queere Menschen? Zirkustierchen, die sich zur Erheiterung des Publikums zum Affen machen?
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Sophie Koch, SPD
Koch sprach sich erneut dafür aus, die Regenbogenfahne Ende Juli zum Berliner Christopher Street Day auf dem Reichstag zu hissen. Die Regenbogenfahne auf dem Bundestag wäre ein "kraftvolles Bekenntnis des Staates zu diesem Schutz, besonders in Zeiten, in denen queere Menschen angegriffen werden".
Ein Verständnis dafür wäre für einen Bundeskanzler angemessen.
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Sophie Koch, SPD
Aus dem Archiv: Beim Christopher Street Day in Leipzig waren 2024 rechte Gegenproteste angekündigt. 17.08.2024 | 1:26 min
AfD stimmt Merz zu
Zustimmung zu seiner Aussage bekommt Merz von der AfD. Die Regenbogenflagge sei das "linksgrüne politische Symbol für immer mehr Buntheit und Diversität", sagt Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD. Die Fahne gehöre nicht auf den Bundestag, das fordere er seit Jahren.
Wenn Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) jetzt unter Verweis auf das Neutralitätsgebot des Staates das Hissen der Regenbogenfahne auf dem Bundestag einschränke, gehe das "in die richtige Richtung", so Baumann. Er sagt ZDFheute:
Dass Kanzler Merz sie dabei unterstützt, zeigt: Er lernt weiter von uns.
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Bernd Baumann, AfD
"Gesichert rechtsextremistisch": Was denken die Wähler über das Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD?20.05.2025 | 8:56 min
Klöckner verteidigt Entscheidung
Der Direktor der Bundestagsverwaltung hatte entschieden, dass zum CSD in Berlin dieses Jahr keine Regenbogenfahne auf dem Reichstag gehisst wird. Klöckner hatte die Entscheidung verteidigt.
Der CSD ist eine Demonstration mit konkreten politischen Forderungen. Diese gehen über ein allgemeines Bekenntnis zu Menschenrechten und Vielfalt hinaus.
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Julia Klöckner, CDU
Christopher Street Days formulierten "eindeutige Erwartungen unter anderem an die Bundesregierung und die Politik im Allgemeinen". Es müsse der Eindruck vermieden werden, die Verwaltung mache sich diese Forderungen in Gänze zu eigen.
Linke und Grüne hatten daraufhin im Bundestag gegen die Entscheidung protestiert. In der vergangenen Woche waren die Mitglieder beider Fraktionen in bunten Outfits im Plenum erschienen und formten so einen Regenbogen auf den Sitzen des Parlaments.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zur Regenbogenfahne: "Habe damit sehr, sehr, sehr viel Zustimmung auf mich gezogen." (ab 4:42 min)02.07.2025 | 6:43 min