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Klingbeil zu möglicher Koalition:SPD hat "klare Erwartungen" an Merz
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Auf dem Weg ins Kanzleramt kommt Friedrich Merz nicht an der SPD vorbei. Der Wahlverlierer habe klare Erwartungen, sagt Parteichef Lars Klingbeil, ohne wirklich konkret zu werden.
Will Friedrich Merz (CDU) Kanzler werden, dürfte realistisch betrachtet kein Weg an der SPD vorbeiführen. Nach ihrer eigenen Wahlschlappe steht die SPD nun vor einer Richtungsentscheidung: Erneuerung in der Opposition oder Verantwortung übernehmen auf der Regierungsbank.
Das ist nicht neu. 2017 etwa fuhr die SPD, damals unter Martin Schulz, ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein. Damals entschied sich die Partei anfänglich für Erneuerung. Als die Jamaika-Gespräche schließlich scheiterten, wurden auch die Sozialdemokraten ins Schloss Bellevue zitiert.
- Analyse: SPD-Kanzler am Boden
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, selbst einstiger SPD-Kanzlerkandidat, appellierte an die politische Verantwortung seiner Partei. Die SPD gab nach, koalierte schließlich mit der Union und machte mit ihren Stimmen zum dritten Mal Angela Merkel zur Bundeskanzlerin.
Daran erinnert sich sicherlich auch Lars Klingbeil, seit 2021 Co-Parteivorsitzender der SPD. "Wir haben uns nie weggeduckt", erklärt er im ZDF einen Tag nach der Wahlniederlage.
Ich glaube, die SPD hat immer klargemacht, dass sie eine Verantwortung für das Land übernimmt.
Lars Klingbeil, SPD-Chef
Seine Partei sei auch diesmal bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Klingbeil: Der Ball liegt bei Friedrich Merz
Die Frage ist nur: Zu welchem Preis? Der Ball liege jetzt bei Friedrich Merz, sagt Klingbeil. "Er hat die Aufgabe, eine Regierung zu bilden, er wird auf uns zukommen, er wird Angebote machen [...] und da haben wir klare Erwartungen als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten."
Fakt ist auch: Im Wahlkampf haben sich CDU/CSU und SPD heftig bekämpft. Programmatisch klafft in vielen Punkten eine Lücke zwischen Schwesterparteien und Sozialdemokraten. So will die SPD Verteidigungsausgaben durch das Aussetzen der Schuldenbremse durchsetzen, die Union sieht das bislang kritisch.
Künftige Koalition: Wo sind die roten Linien?
Wo könnte also Konsens entstehen? Und wo werden rote Linien gezogen? Danach gefragt, bleibt der SPD-Vorsitzende unkonkret. Er nennt sozialdemokratische Schlagworte: Es gehe um eine Politik, die "für Menschen, die hart arbeiten" gemacht werde, um "bessere Löhne", "mehr Geld im Geldbeutel" und "stabile Renten".
Dass die SPD mit CDU und CSU sprechen wird, daran gibt es keine Zweifel. Das macht auch Klingbeil deutlich: "Ich sage Ihnen, wir führen jetzt die Gespräche mit der Union." Man werde dann ausloten müssen, "ob das mit der Union geht".
Das wird sich jetzt zeigen.
Lars Klingbeil, SPD-Chef
Gleichzeitig sei es "kein Geheimnis, dass Friedrich Merz in den letzten Wochen die Gräben zur SPD tiefer gemacht hat, durch das gemeinsame Abstimmungsverhalten mit der AfD".
Der Parteivorstand sei sich bewusst, welche Verantwortung die SPD für das Zustandekommen einer stabilen Regierung trage, so Klingbeil. "Aber die Erwartung ist schon deutlich, dass Merz seinen Kurs und auch seinen Ton deutlich ändert."
Und [,dass] er Signale sendet, wie man in diesen Zeiten zusammenarbeiten kann.
Lars Klingbeil, SPD-Chef
Juso-Kritik an Klingbeil als Fraktionsvorsitzender: "Habe ich gelesen"
Stichwort Verantwortung: Klingbeil selbst möchte innerhalb der Partei mehr davon übernehmen - nicht nur als Parteivorsitzender, auch als künftiger Fraktionschef der SPD im Bundestag. Dass er den Posten übernehmen soll, kristallisierte sich bereits am Wahlabend heraus. Am Mittwoch soll darüber entschieden werden.
Die Jugendorganisation der SPD wirkt eher unglücklich und übte scharfe Kritik an der Entscheidung. "Durch dieses Vorgehen entstand der fatale Eindruck: Als erste Reaktion greift einer der Architekten des Misserfolgs nach dem Fraktionsvorsitz", sagte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer dem "Spiegel".
Darauf von heute-journal-Moderator Christian Sievers angesprochen, reagiert Klingbeil gelassen:
Ja, ich habe diese Kritik gelesen, aber ich will Ihnen sagen, wir müssen uns aufstellen für Gespräche.
Lars Klingbeil, SPD-Chef
Dass er Verantwortung übernehme, sei der klare Wunsch des Präsidiums. Auch, dass er "Partei und Fraktion jetzt in diese Gespräche mit anderen zusammen führe". Sollten diese Gespräche erfolgreich verlaufen, hätten immer noch die SPD-Mitglieder das letzte Wort.
So betont auch Klingbeil: Wenn es am "Ende einen Koalitionsvertrag gibt, den wir ausgehandelt haben, dann werden natürlich auch die Mitglieder der SPD darüber entscheiden. Das haben wir immer so gemacht und das werden wir auch bei dieser Bundestagswahl nicht ändern".
Das Interview führte Christian Sievers. Zusammengefasst hat es Christian Harz.
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