Grüne suchen ihre Rolle in der Opposition

Analyse

Strategiepapier der Fraktion:Die fünf größten Fehler der Grünen

Dominik Rzepka
von Dominik Rzepka
|

Die Grünen arbeiten ihr schwaches Ergebnis der vergangenen Wahl auf. In einem Strategiepapier benennen sie Fehler der Vergangenheit - und suchen ein neues Profil in der Opposition.

Die Grünen: Katharina Dröge und Britta Haßelmann
In dem siebenseitigen Strategiepapier zieht die Grünen-Fraktion mit Fraktionschefin Katharina Dröge (links) und der Co-Vorsitzenden Britta Haßelmann Lehren aus der Ampel-Zeit.
Quelle: dpa

Es sind sieben Seiten, die es in sich haben: In einem Strategiepapier für eine zweitägige Klausur der Grünen-Fraktion schreiben Britta Haßelmann und Katharina Dröge ungeschönt auf, was die Partei in den vergangenen Jahren alles falsch gemacht hat. Und das ist eine ganze Menge. Im Papier heißt es:

Die Regierungszeit hat Vertrauen gekostet.

Stratgiepapier der Grünen-Fraktion

Fraktionsklausur Grüne: Oppositions-Strategie im Fokus
Statements vor der Klausur der Grünenfraktion der beiden Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann30.06.2025 | 8:44 min
Die beiden Fraktionschefinnen nennen ihren ehemaligen Grünen-Star Robert Habeck nicht beim Namen. Und doch geht es auch gegen ihn, wenn die Fraktionsspitze schreibt, Grund für den Vertrauensverlust sei die Debatte um das Gebäude-Energie-Gesetz gewesen, also Habecks sogenanntes Heizungsgesetz. Fehler Nummer 1:

Wir hätten dieses Gesetz anders vorbereiten, anders diskutieren müssen - auch öffentlich. Weil vielen Menschen nicht klar war, worum es eigentlich geht und wie es für sie funktionieren kann.

Stratgiepapier der Grünen-Fraktion

 Eine Wärmepumpe steht in einem Raum im Kompetenzzentrum der Innung Sanitär, Heizung und Klima Berlin.
Die neue Bundesregierung wird das Gebäudeenergiegesetz von Robert Habeck, auch als Heizungsgesetz bekannt, laut Koalitionsvertrag abschaffen - und das neue "technologieoffener" machen.17.06.2025 | 7:47 min

Fehler Nummer 2: Zu wenig Angriff

Der zweite Fehler, so schreiben es Haßelmann und Dröge: In der Ampel sei man oft zu leise gewesen, habe zu leise widersprochen - etwa den, so wörtlich, "Kampagnen der Union gegen einen frei erfundenen 'Genderzwang' oder auch gegen den niemals geplanten 'Wärmepumpenzwang'".
Solche Debatten gewinne man nicht, indem man sage, "dass Gendern gar nicht so wichtig" sei. "Sondern nur, indem man auch offensiv ausspricht, was ist":

Männer wie Markus Söder haben keinen Bock auf Frauen, die die gleiche Macht beanspruchen wie sie. Weil wir damit ihre Männerrunden stören.

Stratgiepapier der Grünen-Fraktion

Auch hier nennen Haßelmann und Dröge Robert Habeck nicht beim Namen. Aber sie dürften damit auch meinen, dass sich Habeck im Wahlkampf deutlicher von der Union hätte distanzieren müssen. Vielleicht sogar Schwarz-Grün hätte ausschließen müssen.
SGS Gellinek - Banaszak
Die Grünen hätten sich vorgenommen, "die Regierung zu unterstützen, wo es notwendig und richtig ist, weil es dem Land hilft", so Grünen-Co-Chef Felix Banaszak.14.05.2025 | 4:54 min

Fehler Nummer 3: Die grüne "Elite-Partei"

Der dritte Fehler wiegt schwer. Denn er zeigt, dass die Grünen mit ihrem Profil derzeit hadern. "Wenn jemand fragt: 'Welche Themen verbindest Du mit den Grünen?', dann sind es oft die großen und globalen Zukunftsfragen, wie Klimaschutz, Verteidigung der Demokratie, Krieg und Frieden", heißt es im Papier. "Beim Alltag der Menschen aber denkt man weniger an uns."
Im Moment verfange noch zu oft "das Zerrbild der alltagsfernen Elite-Partei. Das muss uns zu denken geben." In Zukunft müsse man mit den Grünen auch den Einsatz für gute Schulklos oder günstige Schwimmbäder im Sommer verbinden. "Der Alltag der Menschen ist genauso wichtig wie die Weltlage", schreiben Haßelmann und Dröge.
Veronika Wand-Danielsson (l-r), Schwedische Botschafterin in Deutschland, Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister fu·r Wirtschaft und Klimaschutz, Peter Carlsson, CEO von Northvolt, und Christofer Haux, Northvolt-Geschäftsführer, drücken gemeinsam den roten Knopf für den Start des Baus. Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck nehmen am offizieller Baubeginn der Northvolt-Fabrik teil, in der ab 2026 Batteriezellen für Elektroautos produziert werden sollen
Es sollte ein Leuchtturmprojekt werden: grüne Batterien für E-Autos, produziert in Deutschland. Doch ein Jahr später ist der schwedische Mutterkonzern pleite.24.06.2025 | 9:36 min

Wer vertritt die Partei nach außen?

Die Partei müsse sich in der Opposition neu aufstellen, sagt Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele, die bei der Klausur der Grünen als Gast geladen ist. Auch thematisch. Neben dem Thema Klimaschutz müsse die Partei weitere Themen wie Geopolitik oder Migration besetzen.

Den Grünen muss es gelingen, die Themen Klima und zum Beispiel Migration zu verbinden.

Andrea Römmele, Hertie School

Und dann stelle sich auch die Frage, wer die Partei nach dem Weggang von Habeck und Ex-Außenministerin Annalena Baerbock nach außen vertrete. "Inzwischen gibt es ja ein anderes Kräfteverhältnis zwischen Fraktion und Parteivorstand."

Ob sich Fraktionschefin Dröge langfristig hinter einer Franziska Brantner einsortiert, müssen wir erst einmal sehen.

Andrea Römmele, Hertie School

Bildmontage: Panzer, Demo-Plakat mit Aufschrift: Kriegstreiber, farbverschmierter Joschka Fischer
1983 fordern die Grünen Abrüstung: 500.000 demonstrieren in Bonn gegen US-Raketen. 40 Jahre später werden sie wegen ihrer Ukraine-Politik als "Kriegstreiber" kritisiert.20.05.2025 | 35:05 min

Grüne sind unter Druck - von links

Brantner führt die Partei seit einem halben Jahr. Zuvor war sie Staatssekretärin unter Habeck, gehört dem konservativeren Realo-Flügel der Partei an. Im Moment aber geraten die Grünen unter Druck von links. Im aktuellen ZDF-Politbarometer trennen Grüne und Linke nur zwei Prozentpunkte.
Der Kampf gegen hohe Mieten und zu teure Lebensmittel - mit diesen Themen punkten die Linken mehr als die Grünen. Linken-Chefin Ines Schwerdtner sagt, die Linke habe an einigen Orten längst die Meinungsführerschaft im progressiven Lager. "In Berlin liegen wir in einer aktuellen Umfrage bei 19 Prozent."
Auch vor diesem Hintergrund rufen linke Grüne wie Grüne Jugend-Chefin Jette Nietzard verstärkt nach einem linken Kurs der eigenen Partei, etwa mit Kritik an der Polizei. So ganz entschieden ist die strategische Ausrichtung der Grünen in der Opposition noch nicht.
Bildmontage: Brennende Strohballen bei Bauernprotesten, Ricarda Lang
Hass, Hetze, Gewalt: Die Grünen erleben seit Gründung der Partei massive Anfeindungen, vor allem grüne Politikerinnen werden zur Zielscheibe rechter Wut und medialer Kampagnen.20.05.2025 | 34:58 min

Fehler Nummer 4: Defensiver Klimaschutz

Einigen können sich die Grünen auf ihr Kernthema: Klimaschutz. Die Partei kämpfe auch dann für Klimaschutz, "wenn das gerade nicht in Mode ist", heißt es im Strategiepapier der Fraktionsspitze.
Haßelmann und Dröge deuten an dieser Stelle Fehler Nummer 4 ein. "Klimaschutz steht derzeit nicht im Mittelpunkt der Politik", schreiben sie. Das aber wolle man nun ändern. "Und dafür auch manches anders machen als bisher." Zuletzt habe man es versäumt, zu sagen, dass Klimaschutz Veränderung bedeute.
Auch die Grünen haben das Thema Klimaschutz im vergangenen Wahlkampf weniger stark gespielt, als noch bei der Wahl 2021 - etwa aus Sorge vor Widerstand?

Fehler Nummer 5: Zu wenig erklärt

Einen Kurswechsel haben die Grünen beim Thema Aufrüstung hingelegt. "Es wäre vor wenigen Jahren nicht vorstellbar gewesen, dass wir Grünen uns für einen so deutlichen Ausbau der Verteidigungsfähigkeit ausgesprochen hätten, wie er jetzt notwendig ist." Diesen Kurswechsel habe man aber nicht ausreichend erklärt.
Das müsse sich ändern, sagt Dröge am Montag in Berlin:

Am Ende muss man den Anspruch haben, ein Land zu überzeugen.

Katharina Dröge, Grüne

Taurus-Lieferungen: "Wir sind dafür"
Man sei dafür, dass "die Ukraine mit beispielsweise dem Taurus" die Möglichkeit habe, "sich weitreichend zu verteidigen", so Felix Banaszak, Parteivorsitzender Bündnis 90/Die Grünen.28.05.2025 | 6:30 min
Aus den Fehlern der Vergangenheit wolle man Konsequenzen ziehen. Denn sie hätten den Anspruch, "nicht auf Dauer Oppositionspartei zu sein", sagt Co-Fraktionschefin Haßelmann. Deshalb müsse man jetzt beginnen, sich für die nächste Bundestagswahl 2029 aufzustellen.
Thema

Mehr zu den Grünen