Grüne und der Fall Gelbhaar: Keine personellen Konsequenzen
Analyse
Aufarbeitung des Falls Gelbhaar:Grünen-Spitze: Keine personellen Konsequenzen
von Dominik Rzepka
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Die Grünen räumen Fehler im Fall Gelbhaar ein. Persönliche Konsequenzen ziehen die Parteichefs nicht. Die Grüne Jugend-Chefin will sich zu einem umstrittenen Zitat nicht äußern.
Januar 2025: Gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar stehen Belästigungsvorwürfe im Raum – offenbar teilweise zu Unrecht.20.01.2025 | 1:49 min
Die Grünen-Vorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak bekräftigen, dass ihre Partei mit der Dynamik des Falls Gelbhaar strukturell überfordert war, wollen aber keine persönlichen Konsequenzen ziehen.
Auf die Frage an Brantner und Banaszak, ob sie entsprechende Konsequenzen erwägen, sagt ein Sprecher ZDFheute: "Die Strukturen waren für einen solchen Fall nicht ausreichend legitimiert noch rechtlich robust genug, um mit einer solchen Situation verantwortungsvoll umzugehen." Und weiter:
Daraus ergibt sich: Konsequenzen müssen struktureller, nicht individueller Natur sein.
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Grünen-Sprecher
Die Grünen wollen ihre Ombudsstrukturen überarbeiten. Meldungen etwa von Belästigungsvorwürfen sollen künftig demokratisch legitimiert sein und rechtsstaatlichen Prinzipien sowie feministischen Anforderungen genügen. Damit wollen die Grünen "der Perspektive Betroffener gerecht" werden, wie es heißt.
Im Januar 2025 konfrontiert "Berlin direkt" Annalena Baerbock, Teil des grünen Spitzen-Duos zur Bundestagswahl, mit dem Fall.19.01.2025 | 3:24 min
Vorwürfe werden "geballt" eingereicht
Hintergrund ist der Fall des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Stefan Gelbhaar. Zwischen dem 11. und 13. Dezember 2024 hat es gegen ihn 15 Beschwerden an die Meldestelle der Grünen gegeben. Das geht aus dem Bericht einer Kommission zur Aufarbeitung des Falls hervor. In dem Bericht heißt es:
Zu erkennen ist eine Organisation der Meldungen, geballt und kurz vor der Landesaufstellungs-Versammlung am 14.12.24.
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Bericht zur Aufarbeitung des Falls Gelbhaar
Im Klartext: Kurz bevor die Berliner Grünen darüber abstimmen, wer für sie bei der Bundestagswahl kandidieren soll, gehen "geballt" Beschwerden über "S.G". ein - also Stefan Gelbhaar, der die Anschuldigungen zurückweist. Die Kommission schreibt:
Erkennbar ist auch das Ziel, wenn auch nicht bei allen Meldungen, das Ombudsverfahren zu benutzen, um die Kandidatur von S.G. auf der Landesliste der Berliner Grünen zu erschweren oder zu verhindern (...).
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Bericht zur Aufarbeitung des Falls Gelbhaar
Januar 2025: Der Fall überschattet den Wahlkampf der Grünen, sagt ZDF-Korrespondentin Dorthe Ferber.20.01.2025 | 1:29 min
Welche Rolle spielt die Grüne Jugend?
Hinter den geballten Meldungen steht wohl die Grüne Jugend Berlin, heißt es in dem Bericht. Die damalige Grünen-Bezirkspolitikerin Shirin Kreße soll unter falschem Namen eine gefälschte eidesstattliche Erklärung abgegeben haben und Gelbhaar belastet haben. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichtet. Fehlerhaft.
Grüne Jugend-Chefin Jette Nietzard unterstellt Gelbhaar dennoch Fehlverhalten. "Stefan Gelbhaar ist nicht der einzige Mann, der in dieser Partei – oder in jeder anderen Partei – Fehler begangen hat", sagt sie. Und weiter:
Die Unschuldsvermutung gilt immer vor Gericht. Aber wir sind eine Organisation.
Kaum ein Tag, an dem Jette Nietzard keine Schlagzeilen macht. Die Co-Chefin der Grünen Jugend fällt mit merkwürdigen Tweets, Outfits und Sprüchen auf. Was macht die Parteispitze?
von Patricia Wiedemeyer
Analyse
Kein Kommentar der Grünen Jugend-Chefin Jette Nietzard
An Nietzards Aussagen gibt es massive Kritik. "Da bleibt einem die Spucke weg", kommentieren Journalisten. Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele sagt, Nietzard habe mit ihrer Aussage von damals die Unschuldsvermutung in Frage gestellt.
Das hat den Grünen wenige Wochen vor der Bundestagswahl wohl nicht gerade geholfen.
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Andrea Römmele, Hertie School
ZDFheute hat Jette Nietzard um eine Stellungnahme gebeten. Entschuldigt sie sich für die Äußerung von damals? Erwägt sie persönliche Konsequenzen? Nietzard lässt mitteilen, sie wolle die Fragen nicht beantworten.
ZDFheute hat auch den Berliner Landeverband der Grünen um eine Stellungnahme gebeten. Erwägen die Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai persönliche Konsequenzen? Ein Sprecher beantwortet diese Frage ebenfalls nicht.
1983 fordern die Grünen Abrüstung: 500.000 demonstrieren in Bonn gegen US-Raketen. 40 Jahre später werden sie wegen ihrer Ukraine-Politik als „Kriegstreiber“ kritisiert.20.05.2025 | 35:05 min
Keine Konsequenzen trotz massiver Vorwürfe
Zur Frage, ob neben den Grünen auf Bundesebene auch die Berliner Grünen mit dem Fall Gelbhaar strukturell überfordert gewesen seien, sagt der Sprecher:
Wir hatten auf Landesebene rein ehrenamtliche Ombudsstrukturen. Es war daher sinnvoll, dass die Ombudsstrukturen des Bundesverbands die Meldungen bearbeitet haben.
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Sprecher Grüne Berlin
Dort aber habe es keine ausreichenden Ressourcen gegeben, die Meldungen prasselten auf die Partei geradezu ein, schreiben die Bundesvorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak in einer Stellungnahme. Sie betonen, seinerzeit selbst gerade erst vier Wochen im Amt gewesen zu sein.
Auch ihren Mitarbeitern in der Parteizentrale sei "kein Vorwurf" zu machen. Sie hätten sich "sensibel und sorgfältig" um die Meldungen gekümmert - "im Rahmen ihrer Möglichkeiten". Gelbhaar selbst kritisiert das Ombudsverfahren als "alptraumhaftes Verfahren".