Diplomatie in Krisenzeiten: Ex-Botschafter zur Rolle Österreichs

Interview

Ex-Botschafter Emil Brix:Was kann Diplomatie in Krisenzeiten?

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Krisen und Konflikte nehmen nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der EU zu. Welche Rolle Diplomatie bei deren Lösung spielen kann und muss, erklärt Diplomat Brix.

Emil Brix, ehemaliger österreichischer Botschafter in Moskau, mit Putin 2015
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ZDFheute: Herr Brix, lösungsorientierte Verhandlungen mit autoritären Staatschefs wie Donald Trump oder Wladimir Putin sind kaum möglich. Da ist die Sehnsucht nach Diplomatie sehr groß. Was aber kann sie gegen diese internationale Disruption ausrichten?
Emil Brix: Diplomatie ist notwendig, gerade wenn wir eine Disruption erleben. Das ist nicht die erste in der Geschichte. Auf diese Disruption kann man nur dadurch antworten, dass man auf der einen Seite versucht, die Methoden, die die neuen autoritären Führer anwenden, zu verstehen, einzuordnen, diplomatisch zu beantworten - und auf der anderen Seite als positiv sehen, dass es sehr viele praktische Schritte der Diplomatie gibt.

Archiv: Emil Brix
Quelle: imago

... ist Historiker und Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien und Präsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft. Brix war Generalkonsul in Krakau und österreichischer Botschafter in London (2010-2015) und Moskau (2015-2017).

Als Kulturpolitiker leitete er das Österreichische Kulturinstitut in London und die kulturpolitische Sektion im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten in Wien (2000-2010).

Im Ukraine-Russland-Konflikt gibt es keine Lösung derzeit, aber es gibt immerhin Gefangenenaustausche, es gibt immerhin Lebensmittel- und Rohstofftransporte, die die Ukraine verlassen können - also kleine Schritte und gleichzeitiges Lernen, wie man mit einem autoritären, disruptiven Führer umgehen kann.
Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tychy, spricht zu den Journalisten während einer Pressekonferenz im Ciragan-Palast im Anschluss an die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland.
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ZDFheute: Auch innerhalb der EU sehen wir zerstörerische politische Impulse von rechtspopulistischer Seite wie in Polen und Ungarn. Österreich ist ja da im diplomatischen Vorteil durch die geografische und kulturelle Nähe. Wie kann Österreich die nutzen?
Brix: Österreich ist tatsächlich in der Mitte Europas und hat Erfahrungen gesammelt nicht nur westlicher, sondern auch der mittel- und osteuropäischen Nachbarn. Diese Erfahrungen können wir einbringen, sollten wir auch noch stärker in das Gespräch einbringen. Ansonsten hat diese Europäische Union wenig Chancen.
Sie braucht eine Reform - eine Reform, die aber nicht nur angestoßen wird von den Großen, sondern gerade auch von den mittel- und osteuropäischen Ländern mit anderen Erfahrungen.
Das heißt überhaupt nicht, dass wir in der Wertediskussion nachgeben sollen gegenüber Ländern wie Polen und Ungarn. Aber es heißt, dass wir mit ihnen auch darüber ins Gespräch kommen.

Diplomatie innerhalb der Europäischen Union ist so wichtig geworden wie nie bisher.

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ZDFheute: Österreich ist per Verfassung, genauso wie die Schweiz, ja ein neutraler Staat. Das heißt, beide Länder beteiligen sich nicht an militärischen Bündnissen und unterstützen in einem Konflikt oder Krieg keine der Parteien. Welche Chancen eröffnet das der Diplomatie auch jetzt gerade?
Brix: Im Prinzip ist es gut, ein neutraler Staat zu sein, weil man die Chance hat zu vermitteln, zu verhandeln, zum Dialog einzuladen. [...] Derzeit ist es so, dass die Großen, die an Konflikten beteiligt sind, auf größere Verhandler schauen - Türkei, Saudi-Arabien, Katar und andere - und die Schweiz und Österreich ein bisschen ins Abseits gelangt sind.
Ich glaube, mit einer aktiveren Neutralitätspolitik kann man das ändern. Und ich denke auch, dass die Zukunft auch diesen Verhandlungen durch neutrale Staaten gelten wird. Ich möchte gleich dazu sagen, das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist: Sicherheitspolitisch ist die Neutralität für Österreich nicht ausreichend als Garant.
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ZDFheute: Wie blicken Sie denn aus österreichischer und auch aus diplomatischer Sicht auf Mittwoch? Da wurde die deutsche Ex-Außenministerin Annalena Baerbock zur Präsidentin der UN-Vollversammlung gewählt statt der eigentlich vorgesehenen Helga Schmid.
Brix: Ich sehe das kritisch, [...] aber was beachtlich ist, ist, dass hier offensichtlich zwischen der diplomatischen Ebene in Deutschland und der politischen Ebene weniger Vertrauen zum Ausdruck gebracht wird, als das üblich ist, wenn man eine Spitzendiplomatin eigentlich vorsieht und dann aufgrund von Koalitionsnotwendigkeiten - man kann auch sagen politischer Mauschelei - eine Ex-Politikerin ernannt wird.
Das Interview führte Cécile Schortmann, Moderatorin der 3sat-Sendung Kulturzeit.
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