Unfall bei Garmisch-Partenkirchen:Prozess zum Zugunglück: Zwischen Schmerz und Schuld
von Petra Neubauer
Vor mehr als drei Jahren entgleist in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen ein Regionalzug. Fünf Menschen sterben, mehr als 70 werden verletzt. Nun beginnt der Strafprozess.
Drei Jahre nach dem schweren Zugunfall bei Garmisch-Patenkirchen müssen sich ab heute zwei Bahnmitarbeiter wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten.
28.10.2025 | 2:01 minNoch heute erinnere sie sich an jede Sekunde, sagt Elisabeth Koch. Die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen (CSU) traut an jenem Freitagmittag 2022 zwei Sanitätskräfte, als der Alarm losgeht.
"Ich hatte ein Kostüm an, ich seh' mich noch wie heute", erzählt Koch. Sie eilt mit anderen Rettungskräften zum Unglücksort. Auf die Frage, wie es aussehe, bekommt sie die Antwort "ganz schlimm". Es sei ein gespenstisches Szenario gewesen. Den Anblick der vielen Verletzten und der Helfer, die "geschuftet haben bis zum Umfallen" werde sie nie vergessen.
Nach dem Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen vor fast dreieinhalb Jahren hat der Prozess gegen zwei Bahnmitarbeiter begonnen. Bei dem Unglück kamen fünf Menschen ums Leben.
28.10.2025 | 1:49 minDas Unglück: Tragik und Zusammenhalt
Der 3. Juni 2022 ist der letzte Schultag vor den Pfingstferien. Der Regionalzug RB-D 59458 ist gut besetzt, als er in einer Kurve bei Burgrain entgleist. Drei Waggons rutschen den Bahndamm hinunter. Vier Frauen und ein 13-jähriger Junge sterben. Mehr als 70 Menschen werden verletzt.
Bei aller Kritik an der Bahn, sie gilt als sicheres Verkehrsmittel, in das man gefahrlos einsteigen kann. Vor einem Jahr aber entgleiste zwischen Garmisch-Partenkirchen und München eine Regionalbahn der Deutschen Bahn-Tochtergesellschaft DB Regio.
23.05.2023 | 9:16 min24 Stunden ist die Bürgermeisterin vor Ort bei den Rettungskräften. "Außer einmal eine halbe Stunde, da hab' ich mein Kostüm gewechselt, weil dann kam der Regen."
Das Unglück passiert damals wenige Tage vor dem G7-Gipfel. "Glück im Unglück", sagt Koch. Denn viele Einsatzkräfte seien schon vor Ort gewesen, die Notfallpläne ausgearbeitet und auch bereits erprobt worden. So ging alles noch etwas schneller.
Als alle Toten, zuletzt der 13-jährige Junge, geborgen sind, begleitet Koch die Leichname zum Friedhof, um Abschied zunehmen. "Nicht nur als Bürgermeisterin, sondern ich bin ja Mutter und ich bin Mensch."
Die Ursache: marode Bahnschwellen und ein Systemversagen
Laut Abschlussbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) haben vor allem marode Betonschwellen zu dem Unglück geführt. Durch chemische Reaktionen im Inneren hätten sie ihre Stabilität verloren. Ein Problem, dass seit längerem bekannt war. Sehenden Auges sei da eine Katastrophe geduldet worden, ärgert sich Koch.
Wie konnte es zu dem Zugunglück in Burgrain kommen? Ein Bericht gibt Aufschluss über die Unfallursachen.
01.09.2025 | 0:26 minEin interner Bahnbericht kommt zu dem Schluss, dass der Unfall "unmittelbare Folge regel- und pflichtwidrigen Verhaltens des vor Ort tätigen betrieblichen Personals" war. Ein Triebwagenführer hatte Unregelmäßigkeiten an der späteren Unfallstelle gemeldet. Der Fahrdienstleiter gab dies offenbar nicht weiter.
Für Elisabeth Koch ist es noch immer unverständlich, dass ein solches "Riesen-Unternehmen nicht fähig ist, eine anständige Meldekette aufzubauen und danach zu handeln".
Der Prozess: Zwei Bahnmitarbeiter vor Gericht
Der Fahrdienstleiter und der Bezirksleiter für die Fahrbahn müssen sich ab dem 28. Oktober 2025 vor dem Landgericht München II verantworten. Ihnen werden fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen. Das Verfahren gegen einen dritten Bahnmitarbeiter wurde gegen Geldauflage eingestellt.
Elisabeth Koch ist selbst Juristin. Sie vertraue den Gerichten und gehe davon aus, dass umfangreiche Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden stattgefunden haben. Das sei der richtige Weg. Am Leid ändere es allerdings wenig.
Die Deutsche Bahn sei mit der täglichen Instandhaltung schon so ausgelastet, dass man sich nicht auf Fortschritt und Innovation konzentrieren könne, so Bahnexperte Prof. Iffländer.
28.07.2025 | 16:47 minDie Konsequenz: Austausch der Schwellen und verschärfte Inspektionen
Die Bahn hat seit dem Unglück zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Sicherheit zu verbessern. Mehr als 1,7 Millionen Schwellen wurden ausgetauscht, die Kriterien zur Beurteilung von Fehlern verschärft und neue Schulungen gestartet.
Was bleibt - drei Jahre nach dem Unglück?
Nichts könne die Toten wieder lebendig machen, sagt Koch. Aber sie habe die Hoffnung, dass man aus diesem Unglück gelernt habe, dass die Wahrnehmung nun geschärft und bessere Warnsysteme etabliert werden.
Ihr persönlich sei bewusst geworden, "wie schnell es vorbei sein kann". Neben all dem Schrecken gebe es für sie aber auch die Erkenntnis, wie wichtig es sei, dass Gemeinschaft funktioniere - das bleibe.
Drei Todesopfer hat das Riedlinger Zugunglück im Juli 2025 gefordert, auch einen 12-jährigen Jungen hätte es treffen können. Doch er steigt eine Station, bevor das Unglück passierte, aus.
29.07.2025 | 1:31 minPetra Neubauer ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Bayern.
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