Entgleisung nach Erdrutsch: Wie sich Zugunglücke verhindern ließen

FAQ

Sicherheit bei Extremwetter:Wie lassen sich Zugunglücke verhindern?

von Renata Scharnagl und Sarah Keller
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Bei dem Zugunglück in Baden-Württemberg sind drei Menschen ums Leben gekommen, etwa 50 wurden verletzt. Wie es zu dem Unfall kam und welche Konsequenzen die Bahn ziehen muss.

28.07.2025, Baden-Württemberg, Riedlingen: Mit einem Kran wird an der Unfallstelle, an der ein Regionalzug entgleist ist, ein Waggon angehoben.
Grund für das tödliche Zugunglück war wohl ein Erdrutsch nach einem schweren Unwetter in der Region. Wie könnten solche Unglücke in Zukunft verhindert werden?28.07.2025 | 2:22 min

Wie konnte der Zug entgleisen?

Durch Starkregen ist ein Abwasserkanal übergelaufen. Die Wassermassen spülten den Hang oberhalb der Bahnstrecke ab und lösten einen Hangrutsch aus. Dabei wurden teilweise Schienen aus dem Gleisbett gehoben, wie Martin Cichon, Professor für Bahnsystemtechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), erklärt. Der Zug hat die Schienen zusätzlich verrückt und verschoben, sodass einige von ihnen quer zur Fahrtrichtung lagen.

Hätte das Zugunglück verhindert werden können?

Selbst wenn die Schienen fester verankert worden wären, hätte man den Unfall vermutlich nicht verhindern können, erklärt der Professor für Bahnsystemtechnik der ZDFheute. Entscheidend sei vielmehr die Frage, ob der Abwasserkanal blockiert gewesen oder für die große Menge an Regen nicht gebaut worden sei. Das müsse untersucht werden.
Hier liegt wahrscheinlich die Hauptursache des Unglücks. Die genaue Datenlage sei aber noch unklar, betont der Deutsche Wetterdienst.
ZDF-Reporterin Luisa Houben berichtet von der Unfallstelle nahe Riedlingen.
Die Rettungskräfte versuchen den Fahrschreiber zu bergen. Von dem erhoffen sich auch die Ermittler Informationen darüber, wie schnell der Zug war, so ZDF-Reporterin Luisa Houben. 28.07.2025 | 3:24 min

Gibt es Frühwarnsysteme, die vor abstürzenden Hängen warnen?

Es gibt Systeme, die bereits an besonders rutschgefährdeten Hängen angelegt sind. Diese überwachen die Hänge entlang der Bahnstrecken und erfassen Destabilisierungen. Durch durchgehende Kopplungen an die Leitstellen können sie im Notfall sofortige Signale senden. Dann können Züge relativ schnell umgeleitet werden. 
Bei der Unfallstelle in Riedlingen handelt es sich allerdings nicht um eine besonders gefährdete Stelle. Nur dort, wo aus dem Kanal das Wasser ausgetrieben ist, ist die Erde auch abgerutscht. Ein durchgängiger Aufbau der Frühwarnsensoren entlang aller Gleise sei wirtschaftlich nicht darstellbar, so Martin Cichion.

Wie kann in Zukunft die Sicherheit auf abgelegenen Bahnstrecken erhöht werden?

Am Deutschen Zentrum für Schienenverkehrsforschung wird dazu bereits geforscht, etwa zur Resilienz der Infrastruktur und zu Risiken im Umfeld wie Abwasserkanälen und instabilen Hängen. Eine Möglichkeit ist auch, die Schienen mit Netzen und Zäunen dort zu schützen, wo die Züge an besonders gefährdeten Streckenabschnitten entlang fahren.  Entscheidend bleibt, solche Gefahren früh zu erkennen und gezielt mit Sensorik, Wetterwarnsystemen und individueller Risikobewertung abzusichern. Abwasserschächte seien sicherlich eine der Hauptgefahrenquellen, so Cichon.
Der entgleiste Regionalexpress im Kreis Biberach liegt im Wald.
In Baden-Württemberg ist ein Zug nach einem Erdrutsch entgleist. Wie das Schienennetz der Bahn besser geschützt werden kann, erklärt Prof. Lukas Iffländer bei ZDFheute live. 28.07.2025 | 22:35 min

Werden die Bahnstrecken ausreichend geprüft?

Lukas Iffländer, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, sagt im Gespräch mit ZDFheute live, dass mindestens einmal pro Jahr jede Strecke der Deutschen Bahn zu Fuß abgelaufen werden muss. Das sei zwar eine wichtige Sicherheitsmaßnahme, aber nicht ausreichend.
Er appelliert an die Bahngesellschaft, sich künftig mehr auf Starkregen vorzubereiten und außerdem deutlich mehr in die Qualität und Sicherheit der Bahnstrecken zu investieren. Das ließe sich mit modernen Technologien wie Glasfaserkabeln, um zum Beispiel Erschütterungen zu erkennen. Die DB sei “nicht unbedingt der große Innovationstreiber”, so Iffländer. Das müsse sich ändern.
Bahnexperte Prof. Lukas Iffländer
Die Deutsche Bahn sei mit der täglichen Instandhaltung schon so ausgelastet, dass man sich nicht auf Fortschritt und Innovation konzentrieren könne, so Bahnexperte Prof. Iffländer. 28.07.2025 | 16:47 min

Inwiefern hat das Unglück etwas mit dem Klimawandel zu tun?

Durch den Klimawandel kann die wärmere Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen, gleichzeitig verdunstet mehr Wasser aus den zunehmend erwärmten Meeren. Diese Entwicklungen führen vermutlich zu häufigeren und heftigeren Starkregenereignissen, so Andreas Walter, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD).
“In der betroffenen Region hat es offenbar ein Starkregenereignis gegeben”, erklärt der Meteorologe gegenüber ZDFheute. Eine DWD-Messstation gebe es allerdings nicht in der näheren Umgebung des Unfallortes. Durch die große Regenmenge ist dann der Abwasserschacht übergelaufen und hat wohl den Erdrutsch ausgelöst. Der DWD warnt, dass es auch in Zukunft vermehrt zu Erdrutschen kommen könnte.

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