Wehrdienst: Polizei befürchtet Konkurrenz bei Nachwuchssuche

Konkurrenz um den Nachwuchs:Schadet der Wehrdienst dem Polizeinachwuchs?

von Alexia Bartels
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Die Gewerkschaft der Polizei fürchtet wegen des neuen Wehrdienstes um den Polizeinachwuchs. Experten schätzen den Einfluss gering ein - und sehen sogar Chancen für die Polizei.

Durch den neuen Wehrdienst befürchtet die Gewerkschaft der Polizei einen Nachteil bei der eigenen Nachwuchssuche. (Symbolbild)

Durch den neuen Wehrdienst befürchtet die Gewerkschaft der Polizei einen Nachteil bei der eigenen Nachwuchssuche. (Symbolbild)


Sketches, Reels, Erfahrungsberichte. Bundeswehr und Polizei werben in den Sozialen Medien intensiv um Nachwuchs. Jennifer Otto, Kriminalbeamtin und Bundesjugendvorsitzende bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagt:

Wir sprechen durchaus dieselbe Zielgruppe an: junge, sportliche Menschen, die bereit sind, Staatsdienst zu leisten.

Jennifer Otto, Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Durch den neuen Wehrdienst befürchtet die Gewerkschaft einen Nachteil bei der eigenen Rekrutensuche.

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Polizeigewerkschaft fordert Unterstützung bei Nachwuchssuche

Die Bundeswehr könne sich durch das angestrebte Verfahren der Fragebögen einen besseren Überblick über den "potenziellen Nachwuchspool" in der Bevölkerung verschaffen, kritisierte GdP-Bundesvorsitzender Jochen Kopelke. Er fordert gleiche finanzielle Anreize und gezieltere Nachwuchsstrategie für die Polizei.

Das Bundesinnenministerium nahm zu der Kritik auf Anfrage keine Stellung, stimmt aber zu, dass die Nachwuchsgewinnung im öffentlichen Dienst durch den demografischen Wandel vor Herausforderungen steht. Bei der Bundespolizei sieht es eine "grundsätzlich guten Bewerbungslage".

Polizei: Hohe Abbruchzahlen und teilweise Bewerbungsrückgang

Tatsächlich ist die in Deutschland nicht eindeutig zu bestimmen. Der Großteil der Polizeiarbeit fällt auf die Bundesländer, die eigene Statistiken erheben. Während die hessische Polizei 2024 alle Anwärterstellen besetzten konnte, zeigt sich in Niedersachsen in den letzten Jahren ein stetiger Rückgang. Von 2018 bis 2024 ist die Zahl der Bewerbungen an der Polizeiakademie von über 6.100 auf knapp 3.500 gesunken.

Gleichzeitig ist der Anteil derer, die ihre Bewerbung zurückzogen, auf 42 Prozent gestiegen. Eine hohe Abbruchquote während der Ausbildung verzeichnet auch die Landespolizei Baden-Württemberg. Etwa 100 Polizeianwärter pro Jahr brechen ihre Ausbildung ab, meldete die Stuttgarter Zeitung 2024. So blieb trotz hoher Bewerberzahlen jede zehnte Stelle unbesetzt.

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Bundeswehr als Nachwuchs-Konkurrent?

Die Polizei kämpft also teilweise mit Nachwuchsproblemen. Nun kommt mit der Bundeswehr noch mehr Konkurrenz. Die braucht etwa 80.000 zusätzliche Soldaten, um den Anforderungen der Nato gerecht zu werden. Dazu bekommt sie mit dem Wehrdienst-Gesetz mehr staatliche Unterstützung.

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Bei der GdP sorgt das für Unmut, da beide Arbeitsbereiche sich eigentlich ergänzen. "Wir sind Partner in einer Sicherheitsarchitektur. Das eine bedingt das andere", sagt Otto. Daher sei wichtig, dass man die äußere und innere Sicherheit gemeinsam bedenke.

Wenn es zum Ernstfall kommt, was wir alle nicht hoffen, dann brauche ich eine starke Polizei, um den Einsatz der Truppen überhaupt zu gewährleisten.

Jennifer Otto, Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Für die GdP komme der Gedanke an die Polizei in der Diskussion zu kurz.

Sicherheitsberufe weiterhin beliebt

Sicherheitsberufe sind insgesamt beim Nachwuchs beliebt, wie das aktuelle Trendence-Schüler-Ranking zeigt. Bei der Umfrage unter über 15.000 Schülerinnen und Schülern zu den attraktivsten Arbeitgebern liegen Bundeswehr und Polizei unter den besten Zehn. Die Polizei liegt vor der Bundeswehr.

"Anreize sind insbesondere die Arbeitsplatzsicherheit aufgrund des Beamtenstatus bei der Polizei und die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit", sagt Thomas Glökler, Leiter des Studiengangs BWL-Personalmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Lörrach.

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Wehrdienst-Gesetz kein Nachwuchs-Garant

Dennoch seien die Berufsfelder nur teilweise vergleichbar. "Die Polizei legt den Fokus auf innere Sicherheit, ist im Alltag in Deutschland präsent, hat unmittelbaren Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Die Bundeswehr legt den Fokus auf äußere Sicherheit, internationale Einsätze, Verteidigung und militärische Strukturen", sagt Glökler.

Durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht hätte die Bundeswehr wieder stärkere Sichtbarkeit. Ob das langfristig zu mehr Berufssoldaten führe, hänge von den Arbeitsbedingungen ab.

Ohne Strukturreformen wird der Wehrdienst zwar den Pool vergrößern, aber nicht automatischen den Berufs-Nachwuchs sichern.

Thomas Glökler, Duale Hochschule Baden-Württemberg

Wehrdienst-Gesetz als Chance für die Polizei

Tatsächlich könne der freiwillige Wehrdienst nach Glöklers Ansicht eine Chance für die Polizei sein. "Viele junge Menschen könnten im Wehrdienst feststellen, dass die Bundeswehr nicht zu ihnen passt, sie aber dennoch Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernehmen wollen. Die Polizei könnte hier als attraktive Alternative profitieren." Diesen "indirekten Rekrutierungseffekt" müssten Polizei und Politik aktiv nutzen. Zum Beispiel durch gezielte Ansprachen von Wehrdienstleistenden und erleichterte Bewerbungsverfahren.

Bundeswehr vs. Polizei: Arbeitsfelder im Vergleich



Ähnlich sieht das Erwin Hoffmann, Hochschuldozent für Personal- und Organisationspsychologie an der Hochschule Fresenius. Hoffmann, selbst zehn Jahre lang Zeitsoldat, Kameraden, die nach ihrem Dienst zur Polizei gegangen sind. Die Mitarbeitenden von Sicherheitsbehörden einige im besten Falle die Idee, dass man etwas für sein Land und die Gesellschaft tue. Ob das außen oder innen ist, das sei dann eher zweitrangig, sagt Hoffmann.

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Die SPD bestand auf Freiwilligkeit, die Union favorisierte das Pflichtmodell. In der Bundeswehr glaubt man nicht, dass das Personalloch schnell durch Freiwillige zu stopfen ist.

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Dass der freiwillige Wehrdienst tatsächlich zu großem Wegfall an Arbeitnehmern bei der Polizei führt, bezweifelt er. "Es ist immer noch freiwillig. Wer vorher nicht hingegangen ist, ist zwar gefordert zu sagen, ob er vielleicht hingehen würde, aber er muss immer noch nicht hingehen."

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