Zivilcourage-Preis für Bürgermeisterin:Spremberg: Was seit dem Hilferuf gegen Rechte passiert ist
von Katrin Lindner
Im Sommer ging Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier an die Öffentlichkeit: Sie berichtete über Rechtsextreme in ihrer Stadt. Heute bekommt sie den Preis für Zivilcourage.
Weil sich in Spremberg rechtsradikale Parolen verbreiteten, wandte sich die Bürgermeisterin mit einem Brandbrief an die Bürger. Für ihren Einsatz erhält sie heute Abend den Preis für Zivilcourage.
24.11.2025 | 1:42 minWer in diesen Tagen nach Spremberg kommt, bemerkt ein neues Banner am Bahnhof: "Willkommen in Spremberg/Grodk" (niedersorbisch). Daneben an den Wänden oder dem Postkasten sieht man weggekratzte Aufkleber. Die Stadt lässt verfassungsfeindliche Aufkleber entfernen, doch ist dabei nicht allein, beobachtet ihre Bürgermeisterin, Christine Herntier (parteilos): "Die Bürger haben auch selbst die Initiative ergriffen."
Heute wird Herntier den Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus gemeinsam mit den Bürgerinitiativen "Unteilbar Spremberg" und "AG Spurensuche" bekommen.
III. Weg warb um Schüler in Spremberg
Im Sommer hatte der III. Weg - eine rechtsextreme und neonazistische Kleinpartei - mit Aufklebern am Bahnhof, Haltestellen und im Netz für sich geworben. Sie standen auch vor einer Schule in Spremberg. Schüler kamen in die Sprechstunde zu ihrer Bürgermeisterin. Was sie berichteten, ließ ihre Bürgermeisterin handeln.
Die Jüngsten sind wie so oft diejenigen, die am meisten geschützt werden müssen. Und die auch am einfachsten zu benutzen sind.
Christine Herntier, Bürgermeisterin Spremberg
Die parteilose Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier, warnt vor Rechtsextremismus in ihrer Stadt. Insbesondere Jugendliche würden teils gezielt beeinflusst.
22.07.2025 | 1:58 minChristine Herntier wendet sich in Amtsblatt an Bürger
Sie wandte sich an ihre Bürger, im Amtsblatt: "Anlass ist auch die Flut von Schmierereien, verfassungsfeindlichen Symbolen, Verherrlichung von Adolf Hitler mitten in der Stadt, eine nie dagewesene Sachbeschädigung und Vermüllung von öffentlichen Einrichtungen. Wo führt DER III. WEG, denn den meine ich mit Sachbeschädigung an öffentlichen Gebäuden, hin? Wer will hier in unserer Stadt 'das Sagen haben'?"
Das Thema Rechtsextremismus ist jetzt präsent. Nicht jeder findet das gut. Ein Händler vom Wochenmarkt sagt: "Wenn die Bürgermeisterin angefeindet wird und man sagt, sie ruiniert den Ruf von Spremberg, dann würde ich sagen, das sind eher die Leute, die die Schmierereien gemacht haben, die den Ruf gefährdet haben. Solange man über alles reden kann und Probleme anspricht und thematisiert, ist das für mich in Ordnung. Dafür sind wir hier in Deutschland, oder?"
"Ich bin keine Schönwetterbürgermeisterin'' sagt Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg in der Lausitz. Sie bekämpft dort erstarkten Rechtsextremismus.
21.07.2025 | 6:04 minJonas, ein junger Mann, der gerade mit dem Zug angekommen ist, meint allerdings: "Ich kann sagen, dass die Rechten sicherlich kein Problem sind. Dass man vor denen keine Angst haben muss. Ich glaube, solange man Weihnachtsmärkte schützen muss, braucht man auch keine Angst haben vor Rechten oder irgendwas. Sondern vor anderen Leuten, von einer anderen Kultur."
Sozialarbeiterstelle gegen Rechtsextremismus an Schulen
An der berufsorientierenden Schule in Spremberg erzählt Schulleiter Roland Wolter, dass sie neue Schulbänke bekommen haben und hofft, dass nun nichts mehr bekritzelt wird. Es gibt ein Handy-Verbot und seit diesem Jahr ist in der Hausordnung neutrale Kleidung vorgeschrieben, weder rechte noch linke Symbole.
Das Hauptziel ist, dass wir hier einen Ort haben als Schule, wo es vernünftig abläuft.
Roland Wolter, Schulleiter
Nachdem der III. Weg vor der Schule stand, haben sie die Flyer eingesammelt und mit den Schülern darüber gesprochen, sind in die Stadt gegangen und entfernten Aufkleber. Die Stadt hat ihnen eine Sozialarbeiterstelle bewilligt, die Schulen von Spremberg haben sich erstmals vernetzt. Rechtsextremismus - da mussten sie handeln, aber auf der anderen Seite fehlen ihm an der Schule fürs kommende Halbjahr zehn Lehrer.
Regelmäßige Treffen mit Bürgermeistern in der Lausitz
Die Bürgermeisterin will die Überwachung von sensiblen Plätzen in Spremberg durchsetzen und trifft sich regelmäßig mit ihren Kollegen aus der Lausitz. Es geht nicht nur um den Kohleausstieg, CO2-neutrales Valley, Überalterung und Zuzug, auch Rechtsextremismus.
Christine Herntier erklärt, es sei nie einfach, Bürgermeisterin zu sein: "Alle Themen kommen auf den Tisch und dann kommt so ein berühmtes heißes Eisen mit dazu." Sie meint den Rechtsextremismus.
Auf die Frage, ob sie das heiße Eisen wieder anfassen würde, sagt Christine Herntier: "Ja, jederzeit, weil die Betroffenen danach zu mir gesagt haben, sie fühlen sich jetzt beschützt und das ist es wert."
Rechtsextremismus :Achtung Flyer: Was es damit auf sich hat
Katrin Lindner arbeitet im ZDF-Studio in Potsdam.