Nein, Weihnachtsmärkte werden nicht massenweise abgesagt

Faktencheck

Gerüchte in Sozialen Medien:Nein, Weihnachtsmärkte werden nicht massenweise abgesagt

Oliver Klein

von Oliver Klein

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Angeblich werden Weihnachtsmärkte massenhaft gestrichen, wegen zu hoher Kosten für die Sicherheit, heißt es. Doch nur wenige Märkte wurden abgesagt - aus unterschiedlichen Gründen.

Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg in Berlin Besucher auf dem Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg in Berlin, Deutschland, am 29. Dezember 2024.

Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg - es gibt keine massenweisen Absagen.

Quelle: Imago

In etlichen Städten Deutschlands wird bereits die Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt, mancherorts werden auch schon die Weihnachtsmärkte aufgebaut. Dennoch gehen seit Wochen alarmistische Meldungen in Sozialen Medien viral. Die Behauptung: Aus Terrorangst und wegen zu hoher Kosten für die Sicherheit würden massenweise Weihnachtsmärkte in Deutschland gestrichen.

Die "überwiegende Mehrheit der Weihnachtsmärkte in Deutschland" werde abgesagt, heißt es in einem Posting bei Facebook. "Terrorangst und Kosten für die Sicherheit sorgen für massenhaft abgesagte Weihnachtsmärkte in Deutschland", wird in einem Clip bei TikTok behauptet, genau wie in Postings bei X. Bei Instagram heißt es sogar: "Deutschland sagt Weihnachten ab". Einige der Postings wurden bisher hunderttausendfach angezeigt.

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Verbände dementieren massenweise Absagen von Märkten

Was ist dran an den Behauptungen? ZDFheute hat bei mehreren Verbänden nachgefragt. Vom Deutschen Schaustellerbund (DSB) heißt es: "Entgegen vereinzelter Medienberichte und kursierender Beiträge in sozialen Netzwerken gibt es keine massenhaften Absagen von Weihnachtsmärkten."

Uns liegen nach eigener Recherche im gesamten Bundesgebiet lediglich vereinzelte Absagen von kleinen Weihnachtsmärkten vor.

Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbunds

Der Verband vertritt nach eigenen Angaben die große Mehrheit der Schaustellerinnen und Schausteller. "Wir sind in allen Regionen des Landes bestens informiert. Wäre es zu flächendeckenden Absagen gekommen, wüssten wir das", erklärt DSB-Präsident Albert Ritter.

Peter Neumann

"Es sollte nicht möglich sein, mit dem Auto irgendwo reinzufahren", so Peter Neumann, Terrorismusexperte, über Sicherheit auf Weihnachtsmärkten. Außerdem brauche es ein "Zugangskonzept, Taschenkontrollen und Videoüberwachung."

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Die gleiche Antwort vom Deutschen Städtetag - ein Sprecher sagte gegenüber ZDFheute: "Die steigenden Kosten für Sicherheit sind tatsächlich eine Herausforderung. Aber aus unseren Mitgliedstädten sind uns keine Absagen bekannt. Von einer massenweisen Streichung von Weihnachtsmärkten kann keine Rede sein."

Auch bei der Musikverwertungsgesellschaft Gema weiß man bisher nichts von einer großen Zahl von Weihnachtsmarkt-Absagen. Dort hatten nach Angaben des Gema-Vorstands Georg Oeller im vergangenen Jahr die Betreiber von über 7.000 Weihnachtsmärkten deutschlandweit die Nutzung von Musik angemeldet. Eine Unternehmenssprecherin der Gema erklärte, dass die Verwertungsgesellschaft bisher keinen Rückgang an Anmeldungen verzeichnen könne.

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Hohe Kosten für Sicherheit der Weihnachtsmärkte

Richtig ist: Die Sicherheitsanforderungen für deutsche Märkte hatten sich bereits nach dem islamistischen Terroranschlag mit 13 Toten auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz 2016 deutlich erhöht - und nochmals nach der Attacke auf den Markt in Magdeburg im vergangenen Jahr mit sechs Toten.

Sicherheitsmaßnahmen wie Betonbarrieren sorgen für höhere Kosten bei den Veranstaltern. Beispiel Magdeburg: Der MDR berichtet, dass sich die Kosten für solche Maßnahmen für den diesjährigen Weihnachtsmarkt fast verdoppelt haben - auf 150.000 Euro.

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Einzelne Absagen kleinerer Märkte

In diesem Jahr gibt es einzelne Städte, die ihre Weihnachtsmärkte abgesagt haben - aber aus unterschiedlichen Gründen. Unter anderem betrifft das:

  • Overath: In der nordrhein-westfälischen Kleinstadt konnten sich die Veranstalter des Weihnachtsmarkts nicht mit der Stadtverwaltung einigen, wer die gestiegenen Kosten für Terrorabwehrmaßnahmen übernehmen solle. Darum wurde der Markt am Wochenende abgesagt.
  • Rostock: Neben dem Hauptweihnachtsmarkt in der Altstadt sollte es zusätzlich im Iga-Park einen historischen Weihnachtsmarkt geben. Der wurde aber in diesem Jahr erneut abgesagt - aus Kostengründen, wie die "Ostsee-Zeitung" berichtet.
  • Hamburg-Rahlstedt: Die sogenannten Winterterrassen wurden gestrichen, weil Standbetreiber im vergangenen Jahr zu wenig Geld einnehmen konnten.
  • Dortmund: Der Weihnachtsmarkt am Schloss Bodelschwingh ist wegen Renovierungsarbeiten am Schloss für dieses und nächstes Jahr abgesagt.

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Weihnachtsmärkte eignen sich für Falschinformationen

Gerade Weihnachtsmärkte sind jedes Jahr aufs Neue Thema für Falschinformationen. Sie eignen sich besonders als Ziel solcher Kampagnen, weil sie stark mit deutscher Kultur und Gemeinschaftsgefühl verbunden sind. So treffen solche Falschmeldungen einen emotionalen Nerv, schüren Unsicherheit und lassen sich leicht mit Erzählungen über angeblichen kulturellen Niedergang oder Bedrohung durch Migration verknüpfen.

So wird beispielsweise regelmäßig in Sozialen Medien behauptet, Weihnachtsmärkte dürften in Deutschland aus politischer Korrektheit nur noch "Wintermarkt" oder "Lichtermarkt" heißen. Tatsächlich heißen etliche Märkte so - der Grund dafür ist aber häufig, dass die Märkte dann auch noch geöffnet bleiben können, wenn Weihnachten bereits vorbei ist.

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Mit KI-Fotos wird Stimmung gemacht

Zusätzlich wird das Narrativ von unsicheren Weihnachtsmärkten durch KI-Bilder befeuert: "Weihnachten steht vor der Tür und unsere Städte werden voller Barrieren sein, die uns vor islamischen Terroristen schützen sollen", heißt es beispielsweise in einem Posting bei X. Zu sehen ist ein kleiner Weihnachtsmarkt, dicht umringt von dunklen Einsatzfahrzeugen, Zäunen und Betonpollern. Polizisten bewachen den Eingang.

In Postings in verschiedenen Sprachen geht das Bild europaweit viral, wird millionenfach angezeigt. Doch einen solchen Markt gibt es nicht, das Bild wurde mit KI erstellt: Schriftzüge ergeben keinen Sinn, Gesichter erscheinen verzerrt und unscharf - und in der unteren rechten Ecke ist das abgeschnittene Logo der Google-KI Gemini zu erkennen.

Ein Screenshot von der Social Media-Plattform X, welche einen KI-generierten Weihnachtsmarkt zeigt, der umzingelt von Bewachungsautos ist.

KI-Bild von Weihnachtsmarkt - unten rechts ist ein Teil des Gemini-Logos zu erkennen.

Quelle: Screenshot x.com

Dass die antiislamischen Narrative dennoch verfangen, zeigen die Kommentare unter den Postings: "Der Islam ist das Problem" oder "Remigration wird uns retten", heißt es dort unter anderem.

Fazit: Sicherheitsvorkehrungen für Weihnachtsmärkte verursachen tatsächlich höhere Kosten für die Veranstalter. Vereinzelt werden in diesem Jahr Märkte abgesagt, aus unterschiedlichen Gründen. Von massenweisen Absagen kann allerdings keine Rede sein. Gleichzeitig werden Weihnachtsmärkte gezielt instrumentalisiert, um Ängste vor einer vermeintlichen Überfremdung oder Anschlägen zu schüren und politische Stimmung zu machen.

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