Vereine unter Druck:Wie Rechtsextreme Fankurven unterwandern
von Kim Bachmann
Rassistische Sprüche, rechtsextreme Symbole und Gewalt: In der deutschen Fanfußballszene haben sich rechtsextreme Strömungen festgesetzt. Ihre Ziele und wie Vereine reagieren.
Fußball - das ist Adrenalin, Emotion und für viele Fans ihr allerliebstes Hobby. Doch immer häufiger gerät der Sport unter Druck von Extremen, vor allem aus dem rechten Spektrum.
24.11.2025 | 43:25 minSie brüllen "Ausländer raus", zeigen den Hitlergruß, rufen Naziparolen und präsentieren verbotene Banner und Symbole: Rechtsextreme Fußballfans schüren ein Klima der Angst in einem Sport, der eigentlich für Fairness und Respekt steht. Die ZDFinfo-Dokumentation "Inside Fankurve - radikal und extrem" zeigt: Nicht nur gegnerische Anhänger werden bedroht, sondern auch Andersdenkende in der eigenen Fankurve. Der Fußball wird dabei zum Vehikel, um eine extrem rechte Ideologie zu verbreiten und um neue Anhänger anzuwerben - und zwar gleichermaßen in den Profiklassen wie in den Amateurligen, in Ost und West.
Eine bundesweite Untersuchung zu extremistischen Vorfällen im Fußball gibt es bisher nicht. Die "Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW" dokumentierte vom Sommer 2022 bis 2024 mehr als 600 extremistische Vorfälle beim Fußball in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 200 davon gelten als rechtsextrem.
Fußballfanszenen ein Rekrutierungspool
Der Soziologe Robert Claus forscht zu rechtsextremen Gruppen im Sport. Er sagt:
Fußballfanszenen sind seit mehreren Jahrzehnten ein wichtiger Rekrutierungspool für rechtsextreme Kreise.
Robert Claus, Fanforscher und Experte für Rechtsextremismus im Sport
Gleichzeitig hätten viele Ultraszenen sich eher links positioniert und den Einfluss Rechtsextremer zurückgedrängt. Dennoch drängten rechtsextremistische Gruppen weiterhin von außen in die Fanszenen ein, um sie für sich zu gewinnen. Es gäbe aber auch rechtsextreme Fangruppen, die sich im Stadion entwickeln, erläutert Claus. "Sie empfinden sich meist als soziales und kulturelles Netzwerk."
Rechtsextreme Straftaten erreichen 2024 einen neuen Höchststand. Darunter sind brutale Gewalttaten, die sich gegen politische Gegner richten. Wer sind die oft sehr jungen Täter?
19.03.2025 | 29:31 minDer sächsische Verfassungsschutz bestätigt, dass Rechtsextremisten den Fußball für eigene Zwecke instrumentalisierten: "Die Fußballvereine werden von Rechtsextremisten als Vehikel genutzt, das Fußballstadion als Treff- bzw. Demonstrationsort missbraucht und das Treiben vor und nach den Spielen für die öffentlichkeitswirksame Zurschaustellung der verfassungsfeindlichen Ideologie genutzt."
Sehen Sie die Doku "Inside Fankurve - radikal und extrem" am 4. Dezember um 18 Uhr bei ZDFinfo oder streamen Sie sie jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.
Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft als wichtiges Instrument
Um Anhänger zu gewinnen, spielen politische Positionen zunächst scheinbar eine Nebenrolle. "Rechtsextreme rekrutieren weniger über hochtheoretische politische Seminare oder historische Schulungen." Vielmehr gehe es erstmal nur um gemeinsame Stadion-Besuche oder Aktivitäten jenseits des Fußballs wie zum Beispiel Kampfsporttraining, Kneipenabende oder Konzertbesuche, so Claus.
Wichtig ist das soziale Zusammengehörigkeitsgefühl, was dort geschaffen wird. Zum Beispiel durch Abgrenzung von anderen Fanszenen, oder dass man sich als ‘Weiße’ und Deutsche gegenüber Migration abgrenzt.
Robert Claus, Soziologe und Forscher für Rechtsextremismus im Sport
Aktuelle Rassismusbeispiele bei Fußballspielen
Im August 2025 kam es bei einem DFB-Pokalspiel zwischen dem Amateurverein FC Lok Leipzig und dem Zweitligisten FC Schalke 04 zu einem Eklat. Der Schalker Spieler Christopher Antwi-Adjei wurde ab der 13. Minute mehrfach bis in die Verlängerung beleidigt, was unter anderem zu einer zehnminütigen Spielunterbrechung sowie einer Stadionansage führte.
Nach einer Entscheidung des Sportgerichts des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) muss der FC Lok Leipzig wegen des Vorfalls eine Geldstrafe von 30.000 Euro zahlen. Davon können bis zu 10.000 Euro für präventive Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus verwendet werden, teilte der DFB mit.
Nach Verunglimpfungen aufgrund ihres Nachnamens läuft die Profi-Fußballerin Alara Sehitler, deren Vater aus der Türkei stammt, inzwischen nur noch mit ihrem Vornamen Alara auf dem Trikot auf - sowohl beim Nationalteam wie auch bei ihrem Verein, dem FC Bayern. Neonazis sollen den Namen missbraucht und die ersten beiden Buchstaben auf dem Trikot abgeklebt haben.
Rechtsextreme Fangruppen nutzen regelmäßig auch Soziale Medien wie Facebook oder Instagram für ihre Zwecke. Dort posten sie ihre, zumeist verbotenen, Symbole wie die Reichsflagge oder Nazi-verherrlichende Memes. "Soziale Medien sind ein Mittel der Selbstinszenierung", sagt Robert Claus. "Die Gruppen können dort ihr Verständnis von Männlichkeit, ihre Gewaltfähigkeit inszenieren und an die Öffentlichkeit tragen."
Der Essener Kelsey Owusu wurde nach seinem Foul am Dortmunder Yan Couto in den sozialen Medien mehrfach rassistisch beleidigt - ein weiterer Rassismus-Vorfall in der ersten Runde des DFB-Pokals.
20.08.2025 | 1:00 minRechtsextremismus: Problem der unteren Ligen?
Rechtsextremistische Fangruppen gibt es sowohl in der ersten und zweiten Bundesliga als auch in den unteren Amateurligen. Allerdings stehen die Proficlubs medial unter größerer Beobachtung. Die Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien und das Personal der Ordnungsdienste machen es den Rechten dort schwerer, Fuß zu fassen.
Dadurch sind Entfaltungsspielräume von Rechtsextremen eingeschränkter als in den Ligen darunter.
Robert Claus, Soziologe und Forscher für Rechtsextremismus im Sport
Gewaltbereitschaft, NS-Verherrlichung, rechtes Gedankengut: Neu aufkommende rechtsextreme Jugendgruppen rekrutieren beim Fußball neue Mitglieder.
22.03.2025 | 1:16 minWas Vereine dagegen tun können
"Es gibt einige Vereine, die sehr aktiv gegen Rechtsextremismus in der Fanszene vorgehen, zum Beispiel Borussia Dortmund oder Werder Bremen", sagt der Fanforscher. Stadionverbote und Strafen seien hierfür aber nicht ausreichend.
"Auch interne Maßnahmen sind nötig. Vereine können zum Beispiel ihr Sicherheitspersonal schulen, damit Mitarbeitende rechtsextremistische Symbole erkennen." Robert Claus empfiehlt den Vereinen, sich mit Organisationen zu vernetzten, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen wie zum Beispiel "Ein runder Tisch gegen Rechts" oder "Arbeitskreis Vielfalt".
Im Kampf gegen Diskriminierung hat der DFB eine Anti-Rassismus Kampagne gestartet. Präsident Bernd Neuendorf und DFB-Botschafter Gerald Asamoah wünschen sich mehr Weltoffenheit.
19.03.2024 | 1:41 min"Das Gegenteil von Rechtsextremismus im Fußball ist nicht Fußball ohne Rechtsextremismus, sondern ein Fußball der Vielfalt und Inklusion", sagt Claus. Die Clubs sollten sich mehr Gedanken darüber machen, welche Werte sie vertreten und wie sie sich in der Öffentlichkeit positionieren wollen.
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