Spremberg: Appell gegen Rechtsextremismus spaltet Stadt

Hilferuf von Bürgermeisterin:Appell gegen Rechtsextremismus spaltet Spremberg

von Anna Bayer
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In Spremberg tobt ein Streit um rechtsextreme Umtriebe: Die Bürgermeisterin warnt, Bürger protestieren - zwischen Angst, Wut und Sorge um das Ansehen der Stadt. Ein Stimmungsbild.

Säule mit rechten Aufklebern
Die parteilose Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier, warnt vor Rechtsextremismus in ihrer Stadt. Insbesondere Jugendliche würden teils gezielt beeinflusst.22.07.2025 | 1:58 min
Auf dem Marktplatz der Lausitz-Stadt Spremberg in Brandenburg haben sich am Vormittag schätzungsweise 20 Menschen versammelt. Eine Friedenstaube und eine Deutschlandfahne flattern leicht im Wind. Was schnell deutlich wird: Die Menschen sind wütend.
"Es regt mich dermaßen auf, was unsere Bürgermeisterin hier von sich gibt. Spremberg ist eine ruhige Stadt. Ich habe noch nie erlebt, dass hier jemand von den Rechten bedroht wurde", sagt Ina Krautz, die mit dabei ist.

Wir haben so viele Probleme hier, die Bürgermeisterin sollte sich lieber mal um Krankenhaus, Kinder und Schule kümmern.

Ina Krautz in Spremberg

Das seien richtige Missstände, nicht "drei Rechte, die hier mal rumlaufen". Auch der Herr mit der Deutschlandfahne sieht das so. Er fühle sich persönlich von der Bürgermeisterin angegriffen: "Ich bin nicht rechtsradikal."

Spremberg: Schreiben von Bürgermeisterin sorgt für Aufsehen

Bürgermeisterin Christine Herntier hatte sich vor einigen Tagen im Amtsblatt der Stadt Spremberg an ihre Bürger gewandt. Sie warnte vor einem Erstarken der extremen Rechten in Spremberg. Besonders die neonazistische Kleinstpartei "Der Dritte Weg" würde versuchen, Jugendliche zu beeinflussen, mit Flugblättern und Infoständen vor der Schule. Im ZDFheute journal wiederholte sie ihre Warnung vor einem Millionenpublikum.
sgs - sievers herntier
"Ich bin keine Schönwetterbürgermeisterin", sagt Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg in der Lausitz. 21.07.2025 | 6:04 min
Vor dem Dorfgemeinschaftshaus in Haidemühl, einem Ortsteil von Spremberg, ist ebenfalls eine kleine Gruppe von Menschen zusammengekommen. Sie sehen die Sachlage anders. "Die Bürgermeisterin hat etwas öffentlich gemacht, was uns allen aufstößt", sagt Katrin Noack.

Wir wollen zeigen, dass Spremberg nicht braun, sondern bunt ist.

Katrin Noack, Bewohnerin von Spremberg

Michaela Ludloff-Vogt ist dankbar, dass die Bürgermeisterin diese Debatte angestoßen hat. "Letztes Jahr wurde unsere Regenbogenfahne, die außen an unserem Haus befestigt war, angezündet, während wir da waren," sagt sie. Seitdem habe sie Angst, vor allem um ihre Kinder.
ZDF-Hauptstadtkorrespondent Karl Hinterleitner bei einem Schaltgespräch.
2024 gab es rund 38.000 rechtsextreme Straf- und Gewalttaten – knapp 6.000 waren es bei Linksextremen. ZDF-Hauptstadtkorrespondent Karl Hinterleitner ordnet die Zahlen ein. 10.06.2025 | 1:54 min

AfD im Stadtrat reagiert empört

Im Gemeinschaftshaus ist Stadtverordnetenversammlung. Bürgermeisterin Christine Herntier hält eine Rede - mit Anschauungsmaterial. An die Wand projiziert sie Bilder von verfassungsfeindlichen Symbolen wie Hakenkreuze und SS-Runen, oft in beachtlicher Größe, die in Parks, an den Bahnhof, vor Schulen und sogar Kindergärten geschmiert wurden. Die Bürgermeisterin sagt:

Ausgerechnet die Jüngsten werden zur Zielscheibe von Rechtsextremen.

Christina Herntier, Bürgermeisterin

Die meisten Stadtverordneten pflichten ihr bei. Allein die AfD ist empört. Die Plakate und Aufkleber sowie die Schmierereien lehne man in der Fraktion ab. Aber die Bürgermeisterin habe die Rufschädigung der Stadt in Kauf genommen.
"Die Bürgermeisterin schadet der Stadt mehr, als sie ihr nützt", sagt AfD-Fraktionsvorsitzender Michael Hanko. Die Fraktion wolle prüfen, ob man in Spremberg "den Potsdamer Weg" beschreiten könne. Worauf er anspielt: Im Mai war Potsdams Oberbürgermeister per Bürgerentscheid abgewählt worden.
Die AfD in Spremberg kann sich offenbar einen ähnlichen Weg zur Abwahl der Bürgermeisterin von Spremberg vorstellen.
Dunja Hayali steht vor einer Demonstration mit Spruchbändern
Deutschland protestiert wieder! Die Menschen gehen auf die Straßen. Sie sind viele, sie sind laut, und einige von ihnen sind radikal.22.08.2024 | 44:08 min

Sorge um guten Ruf der Stadt

Einige Bürgerinnen und Bürger, die sich heute zu Wort melden, sorgen sich ebenfalls um den guten Ruf ihrer Stadt. Eine Restaurantbesitzerin hat Angst, dass die Kundschaft ausbleibt: "Wir sind als Gastronomen auf Tourismus angewiesen, und jetzt steht die Stadt in einem so schlechten Licht da."
"Das Beste für die Stadt", erwidert die Bürgermeisterin, "wäre, wenn es aufhört und wir nicht mehr Ziel von Rechtsextremen wären".
Anna Bayer ist Reporterin im ZDF-Studio in Potsdam.

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