Spremberger Bürgermeisterin bietet Rechten die Stirn

Bürgermeisterin von Spremberg:Sie will den Rechten nicht das Feld überlassen

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Bürgermeisterin Christine Herntier will ihre Stadt in Brandenburg nicht den Rechtsextremen überlassen. Nun kämpft sie für Aufmerksamkeit - mitunter gegen den Willen ihrer Bürger.

sgs - sievers herntier
"Ich bin keine Schönwetterbürgermeisterin", sagt Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg in der Lausitz. Sie werde vor den Rechten nicht einknicken.21.07.2025 | 6:04 min
Hakenkreuze und Aufkleber an Hausfassaden, verbotene Parolen, Schüler in Angst: Die rechtsextreme Szene und ihr Gedankengut machen sich in der Lausitz-Stadt Spremberg in Brandenburg zunehmend bemerkbar. Jetzt dürfe nicht länger darüber geschwiegen werden - auch wenn es dem Ansehen der Stadt schade, sagt die parteilose Bürgermeisterin Christine Herntier und wendet sich an die Öffentlichkeit.
In einem Schreiben an ihre Bürger prangert sie an, was in der Stadt passiert. Dass sich etwa die neonazistische Partei Dritter Weg im Netz inszeniert, indem sie Jugendliche beim militärisch anmutenden Sport am bekannten Spremberger Bismarckturm zeigt - viele von ihnen in Kleidung mit rechten Symbolen. Bürger, die voller Angst und Wut zu ihr kommen, die überlegen, wegzuziehen. Aber auch Bürger, die sich mehr um das Image der Stadt als um den Rechtsruck sorgen.

"Mantel des Schweigens" gewünscht

Sie sei angefleht worden, "doch bloß nichts zu sagen". "Einen Mantel des Schweigens" über die rechte Bedrohung zu breiten und so zu tun, als ob alles gut sei, das stärke jedoch mit Sicherheit diese Gruppierung, so Herntier.
Das Ortseingangsschild der Stadt im Landkreis Spree-Neiße. An der Berufsorientierenden Oberschule Spremberg ist eine Lehrerin von einem Schüler verletzt worden.
Spremberg kämpft mit dem Strukturwandel und gegen den Rechtsextremismus. Die Bürgermeisterin schlägt Alarm, doch in der Stadt gehen die Meinungen weit auseinander. 21.07.2025 | 2:30 min

Kinder und Jugendliche im Visier

Andere Spremberger nehmen das Problem zwar wahr, sehen es jedoch gelassener. "Das ist grundsätzlich nicht in Ordnung, aber hier ist noch nie jemand erschlagen worden", sagt etwa ein Spremberger im ZDF heute journal. Eine Aussage, die Herntier schockiert.

Ich sage dazu: 'Wehret den Anfängen'".

Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg

Jeder, der mit offenen Augen durch Spremberg laufe, sehe, dass das Problem zugenommen habe - insbesondere die Präsenz des Dritten Wegs, berichtet sie im ZDF heute journal. Die Rechten sprächen die Kinder und Jugendlichen an.

Kinder und Jugendliche mit Hass aufwachsen zu lassen - ist es nicht unsere Aufgabe, dagegen zu wirken?

Christine Herntier

ZDF-Hauptstadtkorrespondent Karl Hinterleitner bei einem Schaltgespräch.
2024 gab es rund 38.000 rechtsextreme Straf- und Gewalttaten – knapp 6.000 waren es bei Linksextremen. ZDF-Hauptstadtkorrespondent Karl Hinterleitner ordnet die Zahlen ein. 10.06.2025 | 1:54 min

Hoffnung auf Hilfe durch Verfassungsschutz, Polizei und Politik

Gleichzeitig seien ihre Möglichkeiten als Bürgermeisterin begrenzt, etwa weil ihr die rechtliche Befugnis fehle, Vorgänge zu verbieten. Sie fordert etwa mehr Polizeipräsenz in Spremberg, aber auch verstärkte Prävention an Schulen.
Deshalb habe sie sich an die Öffentlichkeit gewandt. Mit Erfolg: Sowohl der Verfassungsschutz als auch Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) kündigten bereits an, Spremberg im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu unterstützen.
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Deutschland protestiert wieder! Die Menschen gehen auf die Straßen. Sie sind viele, sie sind laut, und einige von ihnen sind radikal.22.08.2024 | 44:08 min

Auf der Suche nach Verbündeten

In der Vergangenheit sei viel zu wenig gegengesteuert worden, bemängelt Herntier. Zwar gebe es unzählige Initiativen gegen Rechts, es gebe Bündnisse und Workshops, aber Jugendliche müssten anders angesprochen werden.
Um herauszufinden, wie sich das rechte Gedankengut in Spremberg so stark ausbreiten konnte, setze sie nun auch auf den Verfassungsschutz und dessen Erkenntnisse. "Dann bin ich hoffentlich etwas schlauer und kann gezielter handeln, gemeinsam, nicht nur ich alleine, sondern mit ganz vielen Verbündeten", sagt Herntier im ZDF.
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Herntier: Werde vor rechtsradikalen Parolen nicht einknicken

Allein ist sie mit dem Problem jedenfalls nicht. "In ganz Brandenburg und auch in Südbrandenburg nimmt der Rechtsextremismus erheblich zu", berichtet sie unter Berufung auf den brandenburgischen Verfassungsschutzbericht.
Angst vor den rechtsextremen Gruppen in Spremberg habe sie nicht. Sie sei keine "Schönwetterbürgermeisterin". Sie mache den Job nicht nur, um "irgendwo bunte Bändchen" durchzuschneiden.

Ich werde nicht vor diesen rechtsradikalen Parolen einknicken.

Christine Herntier

Das Interview mit Christine Herntier führte Christian Sievers, zusammengefasst hat es Marie Ahlers.
Quelle: dpa, ZDF

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