So wollen CDU und SPD in Sachsen den Haushalt retten

Seltenes Bündnis in Sachsen:So wollen CDU und SPD den Haushalt retten

Thomas Bärsch
von Thomas Bärsch
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In Sachsen formiert sich eine ungewöhnliche Stimmengemeinschaft: CDU, SPD, Grüne und Linke wollen am nächsten Donnerstag gemeinsam einen Haushaltsentwurf durchs Parlament bringen.

Sächsischer Landtag
Kommende Woche soll in Sachsen der Haushalt verabschiedet werden, doch der Minderheitsregierung von Ministerpräsident Kretschmer fehlen zehn Stimmen. Die versucht er bei BSW, Linken und Grünen zu bekommen.21.06.2025 | 3:22 min
Mona Herdmann konnte nicht fassen, was die Sächsische Aufbaubank ihr im letzten Dezember schrieb. Es gebe nur einen vorläufigen Haushalt, "und wir tauchen da drin nicht auf", erklärt die Leiterin der Beratungsstelle für Ess-Störungen in Leipzig bis heute fassungslos, "und das ganze zwei Wochen vor Weihnachten!"
Seit zehn Jahren hat Mona Herdmann mit ihrem Team Ratsuchende beraten, über 900 Gespräche konnte sie 2024 führen. Im Zweijahrestakt stellte sie Förderanträge - bis zum plötzlichen Stopp im Dezember. "Wir hätten auch laufende Klienten nicht weiter betreuen können", erzählt Mona Herdmann und kämpft darum, diese Erfahrungen nicht so an sich heranzulassen:

Aber wenn man die Information bekommt, dass die Gesellschaft darauf verzichten kann, dann macht es was mit einem.

Mona Herdmann, Leiterin der Beratungsstelle für Ess-Störungen in Leipzig

Sachsen will nicht auf Initiativen wie die von Mona Herdmann verzichten, ob im sozialen oder kulturellen Bereich. Doch Sachsen muss an vielen Ecken sparen, und durch die besondere Konstellation im Landtag brauchen Entscheidungen eben lange. Auch für Einrichtungen.

Minderheitsregierung muss um Stimmen werben

Im September 2024 hatte der Freistaat einen neuen Landtag gewählt. Dann dauerte es Monate bis wenigstens eine Minderheitsregierung stand. Die hat seitdem nun eine Mehrheit im Landtag für einen neuen Haushalt zusammen gesucht - was sich mehr als kompliziert darstellte:
Eine Zweierkonstellation ohne AfD war rechnerisch nicht möglich. Für ein Dreierbündnis mit CDU und SPD stand das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht bereit. Die Stimmen der Grünen oder der Linken allein reichten nicht für ein Dreierbündnis, also versuchten sich CDU und SPD in einer Minderheitsregierung, die sich die Stimmen für Ihre Projekte von Fall zu Fall zusammensucht - in dem Fall eben für den Haushaltsentwurf.
04.12.2024, Sachsen, Dresden: Henning Homann (l), Co-Vorsitzender der SPD in Sachsen, und Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, stellen im Landtag den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD vor.
In Sachsen haben sich CDU und SPD auf einen Koalitionsvertrag für eine Minderheitsregierung geeinigt. Insgesamt zehn Sitze fehlen der schwarz-roten Koalition zur Mehrheit.04.12.2024 | 1:26 min

Ein ungewöhnliches Bündnis

Nach langem Ringen steht nun offenbar ein eher ungewöhnliches Bündnis aus der CDU/SPD-Minderheitsregierung mit Grünen und Linken, das den Haushalt 2025/2026 sichert. Allen Beteiligten war offenbar klar: bei einem Scheitern des Haushaltes hätten Neuwahlen gedroht. Richtig happy ist wohl niemand von den vier beteiligten Parteien. "Wir haben keine Angst vor Neuwahlen, doch wir wissen um die Umfragewerte der CDU und der AfD", erklärt Rico Gebhard von der Linkspartei:

Und wir wollen der AfD nicht das Land überlassen.

Rico Gebhard, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag

Auch die CDU dürfte hadern. Die Linkspartei war ohnehin nie Partner, und auf die Grünen hatte sich Sachsens Ministerpräsident im Wahlkampf regelrecht eingeschossen. Und nun sucht man ausgerechnet dort nach Mehrheiten "Man muss es den Mitgliedern schon sehr gut erklären", beschreibt Ingo Flemming, CDU-Landtagsmitglied aus Dresden die Lage.
Und er berichtet von seinem Besuch bei Handwerkern, wo er gefragt worden sei, ob es mit der AfD denn nicht viel leichter ginge und warum man sich so mit den Linken abmühen müsse. Das sei nicht die Mehrheit, versichert er noch, aber man müsse den Mitgliedern schon begründen, warum die AfD als Partner nicht in Frage komme.
Friedrich Merz bei der ZDF-Sendung "Klartext" zum Thema Brandmauer
Ein Bürger will von Friedrich Merz wissen, warum sie an der Brandmauer zur AfD festhält. Merz warnt vor einem "Flächenbrand" und Verhältnissen wie in Österreich.13.02.2025 | 4:28 min

AfD klopft "kleine Löcher in die Brandmauer"

Auf die AfD ist auch noch niemand zugegangen, dabei hat die Partei der CDU schriftlich "vertrauliche Gespräche" angeboten. Offiziell blieb das Angebot ohne Antwort, ob es auch langfristig ohne Wirkung bleibt, ist die Frage. "Das ist ja die Strategie der AfD", sagt Janek Treiber, Politologe an der TU Dresden, "sie klopfen mit dem Hämmerchen immer wieder kleine Löcher in die Brandmauer und sehen nach, wer so von der anderen Seite hindurchschaut."
Noch zeigen sich die Parteien stabil, und haben durch den Haushalts-Kompromiss - so sehen sie es selbst - ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Es sieht damit auch ganz gut aus für viele sächsische Initiativen. Am nächsten Donnerstag stimmt der Landtag über den Haushalt ab - dann weiß auch Mona Herdmann, ob und mit welchem Budget sie weiterarbeiten kann.
Für CDU und SPD ist es das Ende einer langen Suche nach einer Mehrheit. Eine Suche, auf die sie sich bei allen künftigen Vorhaben jedes Mal aufs neue begeben müssen.
Thomas Bärsch ist Reporter im ZDF Studio Sachsen.

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